19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
08.03.08 / Kleiner Staat ganz groß / Liechtenstein ist keineswegs nur ein Paradies für Steuerhinterzieher

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-08 vom 08. März 2008

Kleiner Staat ganz groß
Liechtenstein ist keineswegs nur ein Paradies für Steuerhinterzieher
von H.-J Mahlitz

Je kleiner der Spatz, desto größer die Kanone, mit der man auf ihn schießt – diese bittere Erfahrung muß in diesen Tagen und Wochen das zum Zwergenstaat diffamierte Fürstentum Liechtenstein machen.

Die „Zwerge“ und „Raubritter“ da oben in den Bergen haben flußabwärts im Lande des deutschen Schicksalsstroms schlechte Karten. Und dies nicht erst durch den – hoffentlich korrekt versteuerten – Ankauf gestohlener Bankdaten (bei Kriminellen nennt man dies Hehlerei).

Dennoch ist es ungerechtfertigt, Liechtenstein nur als „Land der Banken und Briefkästen“ darzustellen und als Erfüllungsgehilfen und Profiteur hochkrimineller Steuerbetrüger darzustellen. Der kleine Alpenstaat nämlich hat in seiner jüngeren Geschichte auch mancherlei bemerkenswert Positives aufzuweisen.

Erinnern wir uns an das Jahr 1945: Mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht ging in Europa der Zweite Weltkrieg zu Ende. In weiten Teilen des Kontinents wurde die braune Diktatur Hitlers von der roten Diktatur Stalins abgelöst. Aber der lange Arm des Moskauer Massenmörders reichte über den Eisernen Vorhang, der nun die westliche Grenze seiner Eroberungen markierte, weit hinaus. Schon in den letzten Kriegsmonaten hatte er ein sogenanntes Repatriierungsprogramm aufgelegt, nach dem Motto „Einmal Sowjet, immer Sowjet“. Jeder, der sich seinem Machtbereich entzogen hatte, sollte „zurückgeführt“ werden: Im Klartext bedeutete das Straflager und sicheren Tod.

Vor allem auf jene Tausende von Soldaten, die auf Seiten der Achsenmächte gegen die Sowjetkommunisten gekämpft hatten, setzte Stalin seine Schergen an. Diese – im wesentlichen Angehörige der sogenannten Wlassow-Armee sowie der Ersten Russischen Nationalarmee hatten zunächst guten Glaubens versucht, vor den Westalliierten zu kapitulieren, um nicht in sowjetische Gefangenschaft zu geraten. Bald sprach sich aber herum, daß Amerikaner und Franzosen, obwohl sie wußten, welches Schicksal diesen Menschen drohte, solche Gefangene an die Rote Armee auslieferte – ein Schandfleck, über den man bis heute nicht gern spricht.

So schlugen die Reste der Russischen Nationalarmee sich vor den am Bodensee heranrückenden Franzosen zunächst nach Vorarlberg durch und dann, in der Nacht vom 2. zum 3. Mai, nach Liechtenstein. Das Fürstentum, schon damals eng mit der Schweiz verbunden, hatte es verstanden, trotz massiven Drucks aus Berlin während des Krieges neutral zu bleiben.

Nun kam ebenso massiver Druck aus anderer Richtung: Moskau verlangte die Auslieferung der russischen Soldaten und durfte sich dabei auf wohlwollendes Desinteresse der Westmächte verlassen. Die Liechtensteiner sahen sich in einer prekären Situation. Die gerade einmal 12000 Einwohner zählten damals noch nicht zu den Reichen dieser Erde; die meisten waren arme Bergbauern. Aber sie widerstanden dem Druck von außen, gewährten den Russen nahezu drei Jahre lang Gastfreundschaft, bis die letzten von ihnen in Südamerika ein neues Leben in Sicherheit und Freiheit beginnen konnten.

Immerhin handelte es sich um fast 500 Personen: 50 Offiziere, 38 Unteroffiziere, 19 Gefreite, 352 einfache Soldaten sowie 23 weibliche Zivilpersonen. Angeführt wurden sie von Generalmajor Arthur Holmston.

Von der Schweiz konnte die sowjetische Repatriierungsgruppe leider recht erfolgreich operieren und insgesamt 104 Soldaten zur Rückkehr ins Reich Stalins „überreden“. Der Forderung, den Rest der Truppe unter Zwang zurückzuführen, widerstanden die tapferen Liechtensteiner. Wobei man bis heute nicht weiß, was den russischen „Goliath“ veranlaßte, dem hochalpinen „David“ nachzugeben.

Mut vor den Mächtigen dieser Welt zeigten die Liechtensteiner und ihr Fürst auch in späteren Jahren. Anders als zum Beispiel bundesdeutsche Regierungen jeglicher Couleur weigerten sie sich standhaft, den völkerrechtswidrigen Landraub Stalins und seiner Satelliten nachträglich zu sanktionieren. Noch heute unterhält das UN-Mitglied Liechtenstein keine diplomatischen Beziehungen zu Prag – wegen der berüchtigten Benesch-Dekrete. Und auch dies hat seine ganz besondere Bewandtnis.

Eigentlich ist der Zwergstaat nämlich weitaus größer als jene 160 Quadratkilometer, die sein Territorium heute mißt. Allein in Böhmen und Mähren gehörten dem Fürstenhaus Ländereien von sage und schreibe 160000 Hektar, das sind 1600 Quadratkilometer. Diesen fetten Batzen wollten die neuen kommunistischen Herren der Tschechoslowakei sich 1945 natürlich nicht entgehen lassen. Da die Benesch-Enteignungs-Dekrete aber nur für Deutsche galten, griffen sie, um den legalen Schein zu waren, zu einem üblen Trick: Sie ernannten den damaligen Fürsten samt seiner Familie und seinen Untertanen einfach zu Deutschen – und somit zu „Freiwild“. Die haarsträubende Begründung: Der Fürst habe 1930 anläßlich einer Volkszählung auf die Frage, zu welcher Nationalität er sich hingezogen fühle, geantwortet: zur deutschen.

Einen Höhepunkt erreichte Liechtensteins Kampf gegen kommunistische Willkür 1991. Die tschechische Stadt Brünn hatte für eine Ausstellung in Köln das Gemälde „Szene um einen römischen Kalkofen“ des Niederländers Pieter van Laer als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Dem Fürsten reichte ein Blick in alte Fotoalben der Familie, um ihm zu bestätigen: Das Bild gehört mir! Das um 1630 entstandene Werk hatte bis Kriegsende in einem der mährischen Schlösser derer von Liechtenstein gehangen. Flugs setzte der Fürst einen Gerichtsvollzieher in Marsch und ließ den „Kalkofen“ beschlagnahmen. Das zuständige Kölner Gericht aber erklärte sich, offenbar in Absprache mit dem Bundeskanzleramt, für nicht zuständig und ließ das Bild wieder nach Brünn verfrachten. In den folgenden Jahren mußte der Fürst dann auch auf EU-Ebene immer wieder die Erfahrung machen, daß für die Aufarbeitung staatlichen Unrechts offenbar überhaupt niemand zuständig ist. Was gewiß dazu beigetragen hat, die Begeisterung der Liechtensteiner für europäische Einigungsbestrebungen in überschaubaren Grenzen zu halten.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren