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15.03.08 / Jenseits aller Werte / Jugendgewalt: Außenseiter in unserer Gesellschaft haben nichts zu verlieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-08 vom 15. März 2008

Jenseits aller Werte
Jugendgewalt: Außenseiter in unserer Gesellschaft haben nichts zu verlieren
von Mariano Albrecht

Sie rauben, sie schlagen, und auch wenn ihre Opfer hilflos am Boden liegen, lassen sie nicht von den Wehrlosen ab. Ob Mann, ob Frau, Gleichaltriger oder Rentner, sicher ist vor jugendlichen Schlägern niemand mehr. Meist sind es nichtige Anlässe, die die überwiegend männlichen Täter zum Äußersten treiben. Schon die Bitte, den MP3-Player in der U-Bahn leiser zu stellen, kann mit Fausthieben und Tritten enden. Wie jüngst in Berlin: Ein 20jähriger, laut Polizeibericht „Südländer“, hatte einen 44jährigen Mann niedergeschlagen, der mehreren jungen Frauen, die von dem Jugendlichen belästigt wurden, zu Hilfe kam.

Wer meinte, daß sich nach den brutalen Überfällen in der Münchner und Frankfurter U-Bahn etwas getan habe, der irrt. Die Spirale der Gewalt dreht sich weiter. Bei den Gerichten ist keine Neuorientierung in der Urteilspraxis zu erkennen. Auch die Täter schrecken die Forderungen nach härteren Strafen nicht ab. Was läuft schief in einer Gesellschaft, in der die Jugend zunehmend gewaltbereiter, rücksichtsloser und brutaler wird?

Eine Frage der Bildung: „Jugendliche, die Hauptschulen beziehungsweise Real- oder Gesamtschulen besuchen, sind – unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft – gewalttätiger als Gymnasiasten.“ Das stellt Deutschlands bekanntester Kriminalforscher und Leiter des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen, Professor Christian Pfeiffer, fest. Auch hierarchische Familienstrukturen mit gewaltlegitimierenden Männlichkeitsnormen, wie sie besonders in südländischen Migrantenfamilien vorzufinden sind, schlagen sich auf das Verhalten der Heranwachsenden nieder. Wer in der Familie vom Vater oder älteren Bruder häufig geschlagen wird, fühlt sich herabgesetzt. Der Jugendliche lernt, daß er den Stärkeren zu respektieren hat. Außerhalb der Familie kompensieren die zu Hause Unterdrückten dann die häuslichen Niederlagen mit den Männlichkeitsritualen, denen sie in ihrer Familie unterliegen. Da die außerfamiliären Machtspiele und Gewaltausbrüche, wenn sie zum Beispiel in der Schule stattfinden, von Lehrern wieder an den Familienrat getragen werden, setzt sich die Spirale fort: Es setzt erneut Schläge. Verantwortlich wird nicht das eigene Verhalten gemacht, sondern die Umwelt, Mitschüler und Lehrer. Ein Aufbrechen dieser Strukturen ist von außen kaum möglich. Viele Migrantenfamilien stammen aus bildungsfernen Schichten, die Elterngeneration ist oft schon allein sprachlich nicht zu erreichen. Deutsche Erziehungs- und Wertmaßstäbe werden ohnehin häufig abgelehnt. Die betroffenen Jugendlichen stehen zwischen den Welten. Die Wut staut sich an, unangepaßtes Verhalten ist die Folge.

Auch bei deutschen Jugendlichen, die eine Trennung oder Scheidung der Eltern erlebt haben, ist eine erhöhte Gewaltbereitschaft von 30,4 Prozent zu verzeichnen. Diese Erkenntnisse können eindeutiger nicht sein: Kinder aus Familien in denen ethische und moralische Werte nicht gelebt werden, neigen eher zur Verrohung und Gewalt. Auch der Faktor Armut spielt bei der Entwicklung des Rechtsempfindens eine nicht unerhebliche Rolle. Während unter deutschen Jugendlichen rund jeder vierte (8,1 Prozent) in armutsnahen Verhältnissen aufwächst, sind es unter türkischen und russischen Jugendlichen 23 Prozent beziehungsweise 29,1 Prozent. Bedeutet arm also gleich kriminell? Nein, es ist das Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren, die offensichtlich dafür verantwortlich sind, daß junge Menschen den Bezug zu unserem Rechts- und Wertesystem verlieren. Eine Aufgabe für die Bildungs- und Sozialpolitik der Bundesregierung. Doch wie schützt die Politik die Gesellschaft vor den „Kindern“, die schon in den Brunnen gefallen sind?

Bereits straffällig gewordene junge Täter werden in die Obhut der Jugend- und Jugendgerichtshilfe gegeben, mit mäßigem Erfolg – die Strafen sind mild, die Rückfallquote hoch.

Die linken und grünen Gegner der vom hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch geforderten Verschärfung des Jugendstrafrechts oder der zumindest kompromißloseren Anwendung des vorhandenen Rechts setzen auf Prävention in Schulen und Jugendeinrichtungen. Doch der Erfolg ist mäßig bis nicht meßbar, die Kriminalstatistiken sprechen eine deutliche Sprache. Gewalttaten in der Öffentlichkeit nehmen zu, 61,2 Prozent der Berliner fühlen sich nach einer Umfrage der „Berliner Zeitung“ in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr sicher. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben Doppelstreifen aus BVG-Mitarbeitern und Polizei vor Jahren aus Kostengründen abgeschafft.

Polizei und Innensenator Erhart Körting (SPD) ziehen sich aus der Affäre. Es sei Sache der BVG, in Zügen und auf Bahnhöfen für Sicherheit zu sorgen. Die Dis-kussion ist alt, immer wieder hatten auch in anderen Bundesländern Verkehrsbetriebe mit dem Gedanken gespielt, sogenanntes „Präsenzpersonal“ patroulieren zu lassen. Doch was sollen diese Mitarbeiter tun? Selbst ein Sicherheitsdienst hat keine Polizeigewalt, doch die ist von Nöten, um der Lage Herr zu werden. Der Berliner Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann stellt klar: „Sicherheit im öffentlichen Raum, auch bei der BVG, ist Aufgabe der Polizei. Wir dürfen die BVG nicht mit dem Problem allein lassen.“ Doch statt aufzustocken wird zusammengestrichen. Der Berliner Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP),  bringt es auf den Punkt: Die ganze Stadt verfüge über nicht einmal 16000 Schutz- und Kriminalpolizisten. „So viel hatte früher allein West-Berlin.“ Mit dem Abbau der einst 49 Polizeiabschnitte auf derzeit 41 und künftig 36 „geht ein Rückzug aus der Fläche einher“, klagt Eberhard Schönberg.

Foto: Rücksichtslos: Auch auf Wehrlose wird eingetreten.

 

Zeitzeugen

Muhlis A. – Besser bekannt als Münchner Serienstraftäter „Mehmet“. Auf sein Konto gingen mit 14 Jahren bereits 63 Straftaten. 1998 wurde der 14jährige in die Türkei abgeschoben. Im Jahr 2002 durfte er wieder nach Deutschland einreisen, wurde 2005 erneut straffällig. Er flüchtete in die Türkei, wo er bis heute lebt.

Manuel G. – Der damals 17jährige Intensivtäter überfiel im Jahr 2006 im Hamburger Stadteil Wilhelmsburg einen 21jährigen. Zuvor hatte die Jugendbehörde Manuel  durch Wohngruppen und geschlossenen Unterbringungen gezerrt. Später bekam er eine eigene Wohnung, blieb ohne Betreuung. Nachdem er erneut straffällig geworden war, machte die Hamburger Jugendbehörde Schlagzeilen. Manuel G. wurde mit einem Taxi für 2700 Euro in ein Heim nach Brandenburg abgeschoben.

Mike Tyson – Mike Tyson wurde 1986 im Alter von 20 Jahren der jüngste Schwergewichtsweltmeister. Der Boxer war schon als Kind ein „schwieriger Fall“. Mit zwölf Jahren landete er in einem Heim für schwer erziehbare Kinder in New York. Erst nachdem Tyson seine Schulnoten drastisch hatte verbessern können, nahm ihn Profiboxer Bobby Stewart unter seine Fittiche. Später wechselte er zu dem Trainer Teddy Atlas, dessen Nichte er sexuell belästigte. 1987 wurde er wegen einer weiteren sexuellen Belästigung und Körperverletzung angeklagt. 1992 wurde er wegen Vergewaltigung zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Serkan A. – Der Münchner U-Bahn-Schläger (20) schlug mit seinem Kumpel Spiridon L. (18) einen Rentner brutal zusammen. Der mehrfach Vorbestrafte soll zum Zeitpunkt der Tat unter Drogeneinfluß gestanden haben, aufgrund einer Haaranalyse wurde Heroinkonsum festgestellt. Der Türke hat nun Angst vor einer Abschiebung.

Crashkid Dennis – Der Hamburger hielt seit 1992 das Land in Atem. 1000 Autoaufbrüche gehen auf sein Konto. Alle Erziehungsversuche scheiterten. Dennis floh, stahl wieder Autos. 1999, während einer Resozialisierungsmaßnahme in Polen, wurde er erneut straffällig. Ein polnisches Gericht verurteilte ihn zu sechs Jahren Haft.


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