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15.03.08 / Ost-Deutsch (57): Übermensch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-08 vom 15. März 2008

Ost-Deutsch (57):
Übermensch
von Wolf Oschlies

Als Wladimir Putin im August 1999 Premier Rußlands wurde, war sein Ruf bei den Deutschen makellos. Moskauer Blätter durchforsteten den deutschsprachigen Blätterwald und präsentierten das Ergebnis unter dem lakonischen Titel „Obermensch“. Im Deutschen gibt es das Wort nicht, aber im Russischen paßt es so schön zu anderen Lehnwörtern, von „ober-oficer“ bis „oberton“, und war ein (ironisches) Kompliment für Putin. Die Ironie steckte in der Verfremdung des deutschen Originals „Übermensch“, bei Russen klanglich angepaßt als „Ubermensch“ oder „Jubermensch“.

Dazu assoziierte jeder Nietzsches Zarathustra („Ich lehre euch den Übermenschen“), dabei haben viele den Begriff vor ihm gebraucht, oft unernst wie Goethe: „Kaum bist du sicher vor dem gröbsten Trug / So glaubst du dich schon Übermensch genug“. Er ist ja eine unglückliche Substantivierung: Wer „übermenschliche“ Gaben oder Kräfte hat, kann kein Mensch sein, wie Überschall kein Schall ist. Wer es anders meint, war für Fontane nur ein lachhafter „Untermenschen“.

Nietzsches Gedankengut war im frühen 20. Jahrhundert bei russischen Emigranten als „Ober- und Untermensch“-Ideologie populär, heute huldigen ihm unbegabte Neoromantiker wie der Maler Aleksandr Rekunenko, der seine Bilder „Obermensch“ oder „Ubermensch“ betitelt. Im Zweiten Weltkrieg bekamen Ukrainer von Deutschen eine rassistische Doktrin zu spüren, die sie bis heute in Erinnerung haben: „Jubermensch pischaetsja same tim, sto untermenschi nasivajut pidlotoju“ (der Übermensch erhebt sich, wenn niedrige Untermenschen benannt werden). Bei Russen ist „jubermensch“ heute eine ironische Bezeichnung für arrogante Politiker, in der Literatur gar für unangenehme Mitmenschen generell: „Sto takoj jubermensch kak Vy delaet sredi nas“, fragt Ilja Kormilzew in einer seiner drastischen Komödien: Was macht  ein Übermensch wie Sie bei uns? Manche stört diese Wortwahl, denn „kakoe tschuvstvo moshet ispytivat’ jubermensch k untermenschu“ (was empfindet ein Übermensch zu einem Untermenschen). Das sehen Bulgaren gelassener, zum Beispiel beim modernen Fußballgerangel: „Ti si untermensch, a as sam jubermensch“ (Du bist Untermensch, aber ich bin Übermensch).


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