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15.03.08 / Spanien wählte rot / Sozialisten unter José Luis Rodríguez Zapatero siegen, doch sind sie die richtige Wahl für die Krise?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-08 vom 15. März 2008

Spanien wählte rot
Sozialisten unter José Luis Rodríguez Zapatero siegen, doch sind sie die richtige Wahl für die Krise?
von Hans Heckel

In Spanien ist alles anders, ganz besonders als in den germanischen Ländern Mittel- und Nordeuropas. In Skandinavien herrscht seit jeher ein hohes Maß an Kompromißbereitschaft unter den großen Parteien links wie rechts, die Niederländer versuchen gerade, ihr jahrzehntelanges Konsensmodell durch die harten Zeiten ethnisch-religiöser Konflikte zu retten. Und in Deutschland, da sehnen sich viele Bürger geradezu danach, daß sich Union und SPD wieder einmal deutlicher voneinander unterscheiden mögen.

Auf der iberischen Halbinsel hingegen gingen mit den jüngsten Parlamentswahlen vier Jahre härtester Grabenkämpfe zwischen der oppositionellen konservativen Volkspartei (PP) und den regierenden Sozialisten (PSOE) zu Ende. Spanische wie ausländische Beobachter sahen sich auf ungute Weise an die unheilvolle Tradition der „zwei Spanien“ erinnert. Es ist die düstere Erinnerung an den Bürgerkrieg von 1936 bis 1939, die ihre Schatten bis in die Gegenwart wirft. PP und PSOE sind die Erben der beiden Parteien, die damals blutig übereinander herfielen.

Nur wer diesen Hintergrund einbezieht, kann die ungewöhnliche Polarisierung im spanischen Parteiensystem nachvollziehen. Eine Mitte-Partei wie die der deutschen Liberalen existiert nicht. Die vielen Kleinparteien im Madrider Parlament sind fast ausschließlich regionalistische Gruppierungen der Katalanen, Basken, Galicier, Kanaren etc.

Die relativ starke Stellung der Regionalisten erleichtert allerdings die (in Deutschland so schwierige) Regierungsbildung bei ungeklärten Mehrheitsverhältnissen. Auch vor vier Jahren verfehlten die vergangenen Sonntag erneut siegreichen Sozialisten die absolute Mehrheit. Dennoch konnte ihr Chef José Luis Rodríguez Zapatero schon damals eine sozialistische Alleinregierung bilden, die er nun fortzusetzen gedenkt. Seine Steigbügelhalter fand er bei den diversen Regionalparteien.

Die sind aber nicht umsonst zu haben. Insbesondere Basken und katalanische Linksnationalisten traktierten den Regierungschef mit teilweise unerfüllbaren Forderungen nach Sonderrechten, deren Endziel nur allzu offensichtlich auf die gänzliche Abspaltung ihrer Heimat von Spanien war. Rodríguez Zapateros zuweilen recht geschmeidige Reaktion auf die Vorstöße aus dem iberischen Norden prangerten die Konservativen unter Oppositionschef Mariano Rajoy als Gefahr für die Einheit Spaniens an.

Die konservative Strategie ging offenkundig nicht auf, ebenso wenig wie ihr in Massendemonstrationen manifestierter Schulterschluß mit dem katholischen Klerus gegen sozialistische Gesellschaftsreformen wie Homo-Ehe oder erleichterte Abtreibung. Zwar wuchs der Anteil der Volkspartei von 37,7 auf 40,1 Prozent, doch die Sozialisten konnten ihre Vormacht mit einem leichten Anstieg von 42,6 auf 43,7 Prozent halten. Der Zuwachs beider Parteien ging auf Kosten der Regionalisten, die kräftig Federn lassen mußten. Am schlimmsten traf es die katalanischen Linksnationalisten der „Republikanischen Linken Kataloniens“ (ERC). Ihr Stimmenanteil wurde landesweit mehr als hal-biert, in der Landeshauptstadt Barcelona sackten sie gar von 14,1 auf 6,6 Prozent ab.

Damit scheint die Taktik des sozialistischen Ministerpräsidenten gegen die Fliehkräfte an den Rändern Spaniens aufgegangen zu sein, womit er nebenbei die Befürchtungen der Konservativen nun erst recht als grundlos hinstellen kann: Indem er den um mehr Eigenständigkeit ringenden Regionen entgegenkam, entzog er den Separatisten einen Großteil ihrer Wähler.

Bei denen ist die Enttäuschung beträchtlich. Noch ist nicht abzusehen, welche Lehren sie aus der Schlappe ziehen werden – noch radikalere Forderungen an Madrid stellen oder den Traum von Unabhängigkeit, den offensichtlich weniger Landsleute mittträumen als erhofft, hintanstellen.

Trotz seines guten Abschneidens werden die kommenden vier Jahre für Rodríguez Zapatero schwerer sein als die vergangenen. 2004 übernahm er ein Land im Boom, mit Überschuß im Haushalt und sinkender Arbeitslosigkeit. Nun stottert die Wirtschaft, die Arbeitslosigkeit steigt, und über dem Land zieht eine Immobilien- und Kreditkrise herauf, die in Struktur und Ausmaßen jener in den USA fatal ähnelt. Dabei wirken manche Hinterlassenschaften des Booms als besondere Last: Seit Jahren leben Millionen Spanier über ihre Verhältnisse. Schon 2006 errechneten spanische Statistiker, daß 47 Prozent der Haushalte mit ihrem monatlichen Einkommen nicht auskommen. Im Vertrauen auf eine dauerhaft blühende Konjunktur wurde auf Pump konsumiert und in Eigenheime investiert. Davon profitierte eine gigantische Bauwirtschaft, die wesentlich zum spanischen Jobwunder beigetragen hat.

Nun häufen sich angesichts der einbrechenden Baukonjunktur die Entlassungen. Gleichzeitig steigen Häuslebauern in großer Zahl die Kreditzinsen über den Kopf.

Die Zeiten eines in der spanischen Geschichte beispiellosen Aufschwungs, der wesentlich auf die Regierungszeit von Rodríguez Zapateros konservativem Vorgänger José María Aznar (1996–2004) zurückgeht, nähern sich ihrem Ende.

Für Freudensprünge, die der sonst nordspanisch-zurückhaltende Ministerpräsident am Wahlabend vollführte, wird er in den kommenden vier Jahren kaum Anlässe finden.

Foto: Erst scheinbar stärken, dann schwächen: Spaniens Ministerpräsident spielte ein gefährliches Spiel mit Katalanen, Basken und Kanaren.


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