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15.03.08 / Extreme vereint / Kommunisten und Nationalsozialisten im Berliner BVG-Streik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-08 vom 15. März 2008

Extreme vereint
Kommunisten und Nationalsozialisten im Berliner BVG-Streik

Er ist ein schwarzer Fleck in der deutschen Zeitgeschichte. Vor allem die Kommunisten machten in ihrer Geschichtsschreibung gern einen weiten Bogen um ein Ereignis, das so gar nicht zu den Legenden paßt, die Ultralinke über ihren Weg durch die Historie verbreiten: den BVG-Streik von 1932.

Wenn Kommunisten oder ihre Sympathisanten gefragt werden, wie sie sich nach Sowjetterror, Mauer, Stasi oder Schießbefehl noch immer hoch auf den Gaul einer vermeintlichen Moral setzen können, kommt die Antwort wie mit dem Pfeil geschossen: Sie seien es immerhin gewesen, die den „Faschisten“, den Nationalsozialisten also, am konsequentesten und ohne Pause Widerstand geleistet hätten.

Was PAZ-Autor Klaus Rainer Röhl in Erinnerung ruft, läßt diese Legende bersten und macht unzweifelhaft klar, wer in Wahrheit der vorrangige, immerwährende Feind der deutschen Kommunisten vor 1933 war: nicht die Nazis, sondern die freiheitlich-demokratische Ordnung der Weimarer Republik.

„Schulter an Schulter in gemeinsamer Front“ hätten sich braune und rote Streikposten von NSDAP und KPD vor den Arbeitern der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) in jenem November 1932 aufgebaut und gemeinsam agitiert, so eine Meldung der „Internationalen Pressekonferenz“. Es waren die letzten Tage vor der letzten wirklich freien Reichstagswahl. Die Republik war bereits schwer angeschlagen, als sich die Antidemokraten beider Extreme in der Hauptstadt gegen sie zusammenrotteten.

Röhl erzählt zunächst die Vorgeschichte: Nach dem Börsenkrach Ende 1929 ging es mit der deutschen Wirtschaft rasant bergab. Dies traf natürlich auch die damals rund 28000 Arbeiter und Angestellten der BVG. Immer neue Lohnkürzungen, Massenentlassungen und infolgedessen Zusatzschichten für Weiterbeschäftigte zermürbten die Mitarbeiter, deren Durchschnittsgehalt von anfangs 220 auf dann 160 Mark absackte.

Das war die Stunde der Scharfmacher. Die „Nationalsozialistische Betriebsorganisation“ (NSBO) und die kommunistische „Revolutionäre Gewerkschaftsopposition“ (RGO) schlossen sich kurz, unter der aktiven Anleitung ihrer örtlichen Berliner Parteichefs: Joseph Goebbels (NSDAP) und den späteren DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck (KPD). Ihr gemeinsamer Feind: die SPD-nahen Gewerkschaften, die BVG-Leitung und natürlich das gesamte „System“, wie die beiden Parteien ausdrücklich betonten – die Demokratie an sich also.

Bei dem Streik kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, vier Menschen starben. Das Ziel, über die Lahmlegung des öffentlichen Nahverkehrs die Hauptstadt lahmzulegen und so das Fanal zum Sturz der Republik zu geben, wurde indes verfehlt. Am Ende des mehrtätigen gemeinsamen Kampfes gaben sich Rote und Braune gegenseitig die Schuld am Scheitern.

Daß es sich bei dem rot-brauen Schulterschluß keineswegs um einen kurzen Fehltritt gehandelt hat, illustriert Röhl anhand der langen Vorgeschichte, die noch weniger bekannt ist als der denkwürdige Streik selbst. Schon im Frühherbst 1930 waren demnach Agitatoren der Berliner NSBO auf einer kommunistischen Versammlung aufgetaucht und hatten die Genossen von der anderen Seite zu einer gemeinsamen Sitzung am selben Abend eingeladen – die Kommunisten folgten dem anwesenden V-Mann der Polizei zufolge bereitwillig der Offerte.

Auseinandersetzungen bei anschließenden Landtagswahlen ließen die skurrile Partnerschaft zwar erst einmal wieder abkühlen. Doch im Herbst 1932 war es schließlich soweit: Die rot-braune Front stand.

Die aufsehenerregende Episode der deutschen Geschichte lehrt einiges über die Natur totalitärer Bewegungen und ist ein Warnsignal an alle Demokraten, die meinen, sich zur Abwehr des einen Extrems mit den Exponenten des anderen verbünden zu können. Wie die spätere Geschichte „antifaschistischer“ Blöcke, etwa in der SBZ, lehrte, münden solche vergifteten Bündnisse nur darin, die Demokraten später umso leichter ausschalten zu können. Die gleiche Erfahrung hatten Bürgerliche Jahre zuvor gemacht, die sich in die Idee verrannt hatten, die Nazis als Bollwerk gegen den Bolschewismus „benutzen“ zu können. Am Ende waren es die Nazis, dann die Kommunisten, die allein den Sieg davontrugen, während ihre blauäugigen Steigbügelhalter aus der Mitte ein tragisches Ende nahmen.

Solcher Blauäugigkeit vermag die Arbeit von Klaus Rainer Röhl trefflich entgegenzuwirken.      Hans Heckel

Klaus Rainer Röhl: „Die letzten Tage der Republik von Weimar – Kommunisten und Nationalsozialisten im Berliner BVG-Streik von 1932“, Universitas Verlag, Wien 2008, geb., 318 Seiten, 19,90 Euro


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