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22.03.08 / Gericht erzwingt Gebetsraum / Schulen müssen muslimischen Schülern die Religionsausübung ermöglichen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-08 vom 22. März 2008

Gericht erzwingt Gebetsraum
Schulen müssen muslimischen Schülern die Religionsausübung ermöglichen
von Markus Schleusener

Das Diesterweg-Gymnasium liegt in Berlin-Wedding, mitten in einem sozialen Brennpunkt mit sehr hohem Ausländeranteil. Derzeit hätten 70 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund „und bald alle“, fürchtet Brigitte Burchardt.

Die Schulleiterin klagte im vergangenen Jahr im „Tagesspiegel“ über den schwindenden Deutschen-Anteil unter den Schülern. Mit den Worten „wir haben wenig Deutsche als Sprachvorbilder, deshalb haben wir das beschlossen“, begründete sie die „verbindlichen Verhaltensregeln“ an ihrer Schule. Am Diesterweg-Gymnasium sollte nur noch Deutsch gesprochen werden, obwohl die Schüler aus 30 Nationen kommen.

Diese Verordnung wurde als Schritt zu einer besseren Integration angesehen. Eine andere Weddinger Schule, die diesen Weg gegangen ist (Hoover-Schule), wurde dafür sogar mit einem Preis ausgezeichnet.

Ein Gerichtsurteil wirft jetzt die Frage auf, ob die Schulleitung ihre klare Haltung für eine Integration durchhalten kann. Das Gymnasium wird nämlich verpflichtet, einem Moslem einen eigenen Gebetsraum einzurichten.

Politiker reagierten über die Parteigrenzen hinweg einmütig: Sie lehnen das Urteil ab. Der Widerstand ist parteiübergreifend. Schulsenator Jürgen Zöllner (SPD) will das Urteil prüfen. Die CDU nannte das Urteil bedenklich. Und selbst Oczan Mutlu von den Grünen, der sich sonst gerne – gefragt oder ungefragt  – als der Ausländerlobbyist im Abgeordnetenhaus aufspielt, sprach von einem „weltfremden Ratschlag“ und von „Gift für die Integration.“ Auch die linke Lehrergewerkschaft GEW äußerte sich ablehnend zu dem Gebetsraum-Urteil.

Die Schulleitung hatte einem Jungen das Beten in der Pause verboten. Das Verwaltungsgericht Berlin ist jedoch der Auffassung, daß er sich auf die im Grundgesetz verbriefte Religionsfreiheit berufen kann.

Die Schule könne dem Schüler durch entsprechende Organisation „ein ungestörtes Beten in einem für andere nicht ohne weiteres zugänglichen Bereich des Schulgeländes ermöglichen“. Zu Deutsch: Dem Schüler steht ein eigener Gebetsraum zu. Den hat er inzwischen wirklich erhalten.

Weiter erklärte das Gericht, daß es das friedliche Zusammenleben an einer Schule erfordere, „daß die Schüler lernen, die religiöse Überzeugung anderer zu tolerieren und zu respektieren“. Die anderen Schüler können also noch etwas von einem gläubigen Moslem lernen, schreibt die „Welt“ über das Urteil.

Religionsfreiheit sei nicht nur durch das „innere Bekenntnis“ gekennzeichnet. Der Junge müsse seinen Glauben auch ausleben dürfen, und die Schule dürfe ihn nicht daran hindern. Die Richter machen die Schule damit zu einem religiösen Ort.

Eine ganz andere Tendenz hatte das sogenannte „Kruzifixurteil“. Durch diesen Richterspruch wurde 1995 ein Teil der bayerischen Volksschulverordnung für ungültig erklärt, nach der in jedem Klassenraum ein Kreuz zu hängen habe. Drei Schüler und ihre gegen das Christentum eingestellten Eltern haben sich damals durchgesetzt. Sie wollten nicht, daß die Kinder gezwungen würden, auf eine Schule zu gehen, auf der in christlichem Sinne auf sie eingewirkt werde. Das Bundesverfassungsgericht hatte geurteilt, daß das Anbringen eines Kreuzes oder Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer staatlichen Pflichtschule gegen das Grundgesetz verstößt. Damals haben die Richter die Religion aus der Schule gedrängt. Das Urteil werten seine Befürworter in Richtung Trennung von Kirche und Staat.

Nun also andersherum: Die Religion kehrt in die Schule zurück. Die Schule muß dem muslimischen Jungen einen entsprechenden Raum zur Verfügung stellen, damit er dort ungehindert seine Gebete verrichten kann.

Fünfmal wollte er übrigens ursprünglich beten, das Tagespensum. Da er sich nicht von morgens bis abends in der Schule aufhält, muß es sich bei dem Kläger um einen ganz besonders eifrigen Gläubigen handeln. Das Gericht hält indes nur ein einziges Gebet pro Schultag für angemessen.

Die Frage kann nur lauten: Was kommt als nächstes? Buddhistische oder hinduistische Gebetsräume? Opfertempel oder heilige Schulwäldchen für Naturreligionen? Und danach muslimische Gebetsräume in Kasernen oder auf dem Arbeitsamt? Müssen auch private Betriebe bald Gebetsräume einrichten? Das Verwaltungsgericht könnte die Büchse der Pandora geöffnet haben.

Foto: Religionsausübung an Schulen, die in Deutschland einklagbar ist, ist zum Beispiel an Schulen in der Türkei unmöglich: Müssen bald auch für die Anhänger anderer Religionen passende Gebetsräume in Schulgebäuden eingerichtet werden?


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