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22.03.08 / Ausbeutung wird alltäglich / Immer öfter erhalten Arbeitnehmer Hungerlöhne, doch der Ruf nach mehr Staatshilfe ist keine Lösung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-08 vom 22. März 2008

Ausbeutung wird alltäglich
Immer öfter erhalten Arbeitnehmer Hungerlöhne, doch der Ruf nach mehr Staatshilfe ist keine Lösung
von Rebecca Bellano

Also, das nächste Mal wähle ich die Linke“, die Stimme der 20jährigen ist von einer Mischung aus Wut und Frust bestimmt. Es ist jetzt die zweite Arbeitsstelle, bei der sie eine Nebentätigkeit anfangen wollte und bei der man sie immer wieder nur zum Probearbeiten bestellt hat. Nach zwei Nachmittagen und insgesamt zehn Stunden als Bedienung in einem kleinen Café drückte ihr die Chefin fünf Euro in die Hand und meinte, daß sie nächsten Donnerstag zum dritten Probearbeiten wieder kommen könne. Fünf Euro für zehn Stunden? Das entspricht einem Stundenlohn von 0,50 Cent! Na immerhin, beim letzten Mal im Fitness-Studio gab es nach acht Stunden Probearbeiten nichts, so der die Verzweiflung überdeckende Galgenhumor.

Dieser Fall aus dem von Arbeitslosigkeit dominierten schleswig-holsteinischen Neumünster ist nur einer von vielen und zeigt, daß vor allem in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit die Ausbeutung von Arbeitnehmern immer kaltblütigere Formen annimmt. Der Europäische Gewerkschaftbund warnt vor einer millionenfachen Verelendung europäischer Arbeitnehmer und führt dabei das scheinbar reiche Deutschland als Negativbeispiel an. Während Niedriglohn-Arbeiter in West-Deutschland immerhin 6,86 Euro die Stunde bekämen, erhielten sie in den neuen Bundesländern sogar nur 4,86 Euro. Der deutsche Niedriglohnsektor umfasse 22 Prozent aller Beschäftigten und käme damit gleich hinter Großbritannien und den USA mit jeweils 25 Prozent. All dies schwäche die Kaufkraft im Land, so daß auch in Zukunft das deutsche Wachstum nur auf dem Export basiere.

Daß der Stundenlohn häufig noch unter den genannten Beträgen liegt, macht schon die Tatsache deutlich, daß es sich um Durchschnittslöhne handelt. Vergangene Woche machte das Polit-Magazin „Monitor“ darauf aufmerksam, daß für junge Mitarbeiter und Auszubildende vor allem im Gaststättengewerbe 16 Stunden-Tage an der Tagesordnung und Sieben-Tage-Wochen keine Seltenheit seien. Viele Jugendliche stünden vor dem Zusammenbruch, hätten aber Angst, keine andere Lehr- beziehungsweise Arbeitsstelle zu finden. Politik und Arbeitgeber würden hingegen leugnen, daß es Probleme gibt. Eine derartige Gleichgültigkeit von Seiten der Politiker führt wiederum bei den Betroffenen und ihren Familien wie Freunden zu dem Gedanken, daß in Deutschland etwas schiefläuft. Auf ihrer Suche nach Hilfe stoßen dann immer mehr auf die Linkspartei, die mehr Lohngerechtigkeit und vor allem mehr soziale Unterstützung vom Staat verspricht.

Doch was sich so gut und fair anhört, kann keine Lösung sein. Schon jetzt, so die Aussage einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, würde jeder vierte 18- bis 64jährige seinen Lebensunterhalt ganz oder teilweise mit staatlicher Hilfe bestreiten. Würde man noch die Rentner hinzurechnen, dann gäbe es genauso viele Empfänger staatlicher Leistungen wie Erwerbstätige. Und schon jetzt ächzen die Erwerbstätigen unter den Abgaben, die sie in Form von indirekten und direkten Steuern sowie Sozialabgaben zu erbringen haben. Auch ihre Löhne, selbst bei Bruttostundenlöhnen von Facharbeitern in Höhe von 25 Euro, schmilzen aufgrund starker Preiserhöhungen für Energie, Lebensmittel und staatlicher Abgaben wie Eis in der Sonne. Zwar klagt die OECD darüber, daß vor allem Durchschnitts- und Geringverdiener von den Steuer- und Abgabensenkungen der letzten Jahre kaum profitiert hätten, aber auch die sogenannten Reichen werden so kräftig zur Kasse gebeten, daß das oberste Zehntel der Einkommensbezieher nach wie vor die Hälfte der gesamten Einkommenssteuerlast trägt. Die Nettokaufkraft in Deutschland sinkt auch aufgrund ausgelassener Lohnrundenerhöhungen, und immer mehr Unternehmen fühlen sich sowieso nicht mehr an tarifliche Vereinbarungen gebunden. Vor allem große Konzerne finden Wege, um Löhne zu drücken.

Noch mehr soziale Leistungen des Staates für Niedriglöhner würden aber bedeuten, daß der Staat sich das Geld wieder auch von den anderen Erwerbstätigen holen muß. Da die Gruppe immer kleiner wird und ihre Belastungsgrenzen erreicht sind, ist dies keine Option. Wenn schon jetzt jeder vierte im berufsfähigen Alter staatliche Leistungen wie Hartz IV, Frührente, Bafög oder Wohngeld erhält – Kinder-, Eltern- und Krankengeld wurden nicht berücksichtigt und hätten die Quote noch dramatisch erhöht –, dann ist es keineswegs seriös mit Versprechungen auf mehr staatliche Hilfen auf Wählerfang zu gehen. Stattdessen sollten Politiker aller Parteien aufhören, die Augen vor den Problemen der Arbeitnehmer zu verschließen und überlegen, wie man die immer vielfältiger werdenden Formen der Ausbeutung durch Handwerksbetriebe, mittelständische Unternehmen wie Großkonzerne unterbinden kann. Wer nichts gegen Ausbeutung von Arbeitnehmern unternimmt, toleriert diese indirekt, nur wer offen anklagt und juristisch bestraft, macht deutlich, daß die Gesellschaft ein derartig asoziales Verhalten nicht hinnimmt, und verhindert so die Nachahmung und das sich Ausbreiten von Ausbeutung. Staatliche Umverteilung hingegen bietet keine Lösung, sondern schafft nur neue Probleme.

Foto: Gastronomie: Schwarzarbeit und Niedriglöhne bestimmen die Branche, doch der Staat schaut nur zu.


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