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22.03.08 / Komplizierte Machtstrukturen lähmen / Sieg der »Konservativen« und dennoch ein Dämpfer für den Präsidenten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-08 vom 22. März 2008

Komplizierte Machtstrukturen lähmen
Sieg der »Konservativen« und dennoch ein Dämpfer für den Präsidenten
von R. G. Kerschhofer

Bei den Wahlen vom 7. März haben nach vorläufigem Ergebnis die „Konservativen“ ihre Mehrheit gehalten – ebenso aber haben die „Reformer“ zugelegt. Es ist daher nicht nur zu klären, was dieses Ergebnis bedeutet, sondern auch, was es nicht bedeutet. Denn die gängigen Etikettierungen sind ebenso fragwürdig wie der Schluß von Funktionsbezeichnungen und Titeln auf die damit verbundene reale Macht.

Mit Sicherheit waren die Wahlen kein Referendum über die Außenpolitik von Mahmud Ahmadinedschad. Denn so gut wie alle Iraner stimmen darin überein, daß der Iran, ein Staat mit über 75 Millionen Einwohnern, eine Regionalmacht ist und wie jedes andere Land ein Recht auf sein eigenes Atom-Programm und seine Rüstungsindustrie hat. Die Sanktionen werden als Unrecht empfunden – und stärken den Präsidenten. Mit Genugtuung registriert wurde auch, daß der US-Oberkommandant im Nahen Osten Admiral Fallon, ein Gegner der Konfrontation mit dem Iran, kürzlich sein Amt niederlegte.

Die Haltung der Iraner hat mit ihrem Geschichtsbewußtsein zu tun, in dem auch das vorislamische Persien eine wichtige Rolle spielt.

Eine besonders starke Nachwirkung haben aber die direkten Eingriffe der Großmächte – zunächst Großbritanniens und Rußlands beziehungsweise der Sowjetunion und später der USA: Ohne den von den USA gelenkten Putsch gegen den demokratisch gewählten Ministerpräsidenten Mossadegh 1953 wäre es wohl nie zur islamischen Revolution 1979 gekommen.

Bei innenpolitischer Wertung der Wahlen muß man sich ebenfalls von der meist tendenziösen Berichterstattung lösen und das reale Machtgefüge betrachten: Staatsoberhaupt und höchste Autorität ist der auf Lebenszeit gewählte Nachfolger von Revolutionsführer Ajatollah Chomeini, der 68jährige Ajatollah Chamenei, der auch die obersten Richter ernennt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist. Der Staatspräsident ist de facto nur Regierungschef – bei allen wichtigen Fragen braucht (und hat) Ahmadinedschad das Einverständnis von Chamenei.

Vom Volk gewählt wird der Staatspräsident (alle vier Jahre), der 86köpfige „Expertenrat“ (alle acht Jahre) und das 290köpfige Parlament (alle vier Jahre). Die Kandidaten für all diese Ämter – und auch alle Gesetze – müssen aber vom „Wächterrat“ genehmigt werden. Der Wächterrat ist eine Art Verfassungsgericht und setzt sich aus sechs vom Parlament bestimmten Juristen und sechs von Chamenei ernannten Geistlichen zusammen. Der Nachfolger von Chamenei wird eines Tages vom Expertenrat gewählt werden, und dessen Vorsitzender Rafsandschani, der bei den Präsidentenwahlen 2005 zwar gegen Ahmadinedschad unterlag, ist de facto mächtiger als dieser – schließlich ist er auch einer der reichsten Männer des Landes.

Es liegt am System, daß von ursprünglich 7600 Bewerbern ein Viertel wegen „mangelnder islamischer Gesinnung“ bei den Wahlen nicht kandidieren durfte. Abgelehnt wurde übrigens auch ein Enkel des verstorbenen Ajatollah Chomeini. Da sich um jeden Parlamentssitz im Durchschnitt 15 Kandidaten und im Wahlkreis Teheran sogar 28 Kandidaten bewarben und da die Wahlwerbung sehr eingeschränkt war, hatten es die Wähler nicht leicht, die Kandidaten ihrer Wahl auf dem Stimmzettel zu finden. Trotzdem war die Wahlbeteiligung mit mindestens 60 Prozent deutlich höher als 2004 (50 Prozent).

Ahmadinedschad hat seine Anhänger vor allem in der Generation der Teilnehmer am Irak-Krieg 1980 bis 1988. Er wurde 2005 als Advokat der Armen gewählt, konnte aber deren Erwartungen nur unzureichend erfüllen. Daher gibt es nun innerhalb der „Konservativen“, die auf persisch „Prinzipienfeste“ heißen, eine leichte Verschiebung von den „Ultrakonservativen“ zu den „Gemäßigten“.

Was das praktisch bedeutet, läßt sich noch nicht  abschätzen, denn gegen die Hauptprobleme – hohe Inflationsrate und hohe Arbeitslosigkeit – würden nur Wirtschaftsreformen mit Strukturänderungen helfen. Die islamische Revolution ist aber nur eine nationale Bewegung und scheut sich vor Eingriffen in Eigentumsverhältnisse, wie das einst Mossadegh vorhatte. Die komplizierten Machtstrukturen fördern zudem Korruption und lähmen Initiativen – ganz abgesehen von der religiösen Zwangsbeglückung, die auf zunehmenden Widerstand stößt. Und so nützen die Sanktionen, die zu einer sichtbaren Überalterung technischer Anlagen geführt haben, dem Re-gime auch in anderer Weise: Sie dienen als halbwegs glaubhafte Ausrede für die hausgemachten Probleme.

Foto: Auf dem Weg zur Abstimmung: Iranerin macht von ihrem Wahlrecht Gebrauch.


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