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22.03.08 / Mätresse ohne Macht / Wilhelmine von Lichtenau

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-08 vom 22. März 2008

Mätresse ohne Macht
Wilhelmine von Lichtenau

Sie war die dunkle Gegenseite zur preußischen Kronprinzessin und späteren Königin Luise: Wilhelmine von Lichtenau. Die Mätresse des Schwiegervaters der tugendhaften Monarchin mußte vor allem nach dem Tod ihres Gönners König Friedrich Wilhelm II. zahlreiche Verleumdungen und Spott über sich ergehen lassen. Dabei war es zu der damaligen Zeit nichts Ungewöhnliches, daß Monarchen sich Geliebte zulegten. Die Mätressen französischer Absolutisten erlangten Weltruhm, und auch die Gespielinnen August des Starken hatten Ruhm und Einfluß – solange sie im „Amt“ waren.

Die Mätresse von Friedrich Wilhelm II. mußte zwar auch immer um ihre Position kämpfen, doch der König war ihr stets ergeben, wenn auch nicht treu.

Doch welchen Einfluß gewährte der Monarch seiner Dauergeliebten, die er entdeckte, als sie noch ein kleines Mädchen war? Alfred P. Hagemann geht in seiner Dissertation „Wilhelmine von Lichtenau – Von der Mätresse zur Mäzenin“ der Frage nach, inwieweit die 1753 geborene Tochter des Waldhornisten Elias Enke Einfluß auf die Kunst nehmen durfte.

In einem sehr lesbaren Abschnitt geht der Autor auf den Lebensweg der bürgerlichen Diderica Wilhelmina Friderica Bernhardina Enke ein, die nur durch ihre Beziehung zu dem Monarchen, der ihr schon als Mädchen eine umfassende Allgemeinbildung zukommen ließ, an einen Adelstitel kam. Hagemann erläutert, wie Friedrich Wilhelm II., damals noch Kronprinz, den Lehrplan für das Mädchen erstellte, sie nach seinem Bildungsideal formte, sich jedoch nie von ihr in seine politischen Entscheidungen reinreden ließ.

Immer wieder zog es den Mo-narchen zu seiner Mätresse, auch als er eine Ehefrau zu seiner Linken neben seiner Königin hatte – ein Skandal –, speiste er regelmäßig mit der inzwischen in einer

Scheinehe lebenden Wilhelmine und den gemeinsamen Kindern, von denen die meisten jedoch nicht über das Kleinkindalter hinauskamen. Auch der Lieblingssohn Alexander starb mit sieben Jahren. Dies war besonders für Wilhelmine ein weitreichender Verlust, da sie zu dem Zeitpunkt nicht mehr Geliebte, sondern nur noch Vertraute des Königs war, die mit dem Tod des Sohnes auch eine wichtige Verbindung zu Friedrich Wilhelm II. verlor.

Nicht nur beim Bau des Grabes durfte Wilhelmine künstlerisch tätig werden, auch die Ausgestaltung der verschiedenen Wohnsitze durfte die ehemalige Mätresse nach ihren Wünschen gestalten. Und da es sich bei „Wilhelmine von Lichtenau – Von der Mätresse zur Mäzenin“ um eine Dissertation handelt, geht der Autor mit einer detailversessen Gründlichkeit vor, wenn er die verschiedenen Gestaltungswünsche der königlichen Vertrauten aufführt. Das meiste ist allerdings nicht spektakulär, da eigentlich fast jeder bei der Gestaltung seiner Zimmer tätig wird. Da Wilhelmine von Lichtenau auch nur eine relativ kurze Zeit bei Hofe toleriert wurde, konnte sie auch kaum Einfluß auf das gesellschaftliche Leben nehmen. Auch die Tatsache, daß sie, um beim König etwas zu erreichen, den Geist ihres toten Sohnes heraufbeschwören mußte, zeigt schon, wie verzweifelt sie und wie gering ihre Macht bei Hofe war.           R. Bellano

Alfred P. Hagemann: „Wilhelmine von Lichtenau – Von der Mätresse zur Mäzenin“, Böhlau, Köln 2007, geb., 326 Seiten, 49,90 Euro


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