28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
22.03.08 / Pieck statt Adenauer? / Schwer verdaulich: DDR-nostalgische Sicht auf die deutschen Kriegsheimkehrer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-08 vom 22. März 2008

Pieck statt Adenauer?
Schwer verdaulich: DDR-nostalgische Sicht auf die deutschen Kriegsheimkehrer

Hans Reichelt, Jahrgang 1925, mit kurzzeitiger Unterbrechung 32 Jahre lang im Dienst der DDR-Regierung stehend, unternimmt in „Die deutschen Kriegsheimkehrer – Was hat die DDR für sie getan?“ den unredlichen Versuch, das Verhalten der DDR-Führung gegenüber den aus der Sowjetunion heimkehrenden Kriegsgefangenen schön zu schreiben. Das Verhalten der DDR-Führung gegenüber den Kriegsgefangenen umschreibt Reichelt als „still, selbstlos und erfolgreich“, während andere, und damit meint er Westdeutschland unter Kanzler Adenauer, „tröteten“.

Reichelt sieht als Ursache für die allseits bekannten Bilder des Eintreffens heimkehrender Kriegsgefangener im niedersächsischen Friedland, die der Adenauerstaat als Ergebnis erfolgreicher diplomatischer Verhandlungen für sich verbuchte, die falsche Bescheidenheit der DDR-Administration, die das propagandistische Feld bei diesem Thema sukzessive der Gegenseite überlassen habe. In Wirklichkeit sei es die SED-Führung unter Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl gewesen, die im Hintergrund die Strippen gezogen habe, Adenauer habe dann nur noch die reifen Früchte zu ernten brauchen. Dabei habe er diesen Umstand als diplomatischen Erfolg seiner Moskau-Reise vom Herbst 1955 verkauft, wobei ihm gleichzeitig ein propagandistischer Coup gelungen sei, da die Aufnahmen der Wochenschauen einen tiefen Eindruck bei der BRD-Bevölkerung hinterlassen hätten.

Das ist schwer verdauliche Kost, so konstatiert der verdutzte Leser. Die DDR-Staatsführung als besorgter Anwalt von aus der Sowjet-union heimkehrenden Landsern. Reichelt versucht diese historisch überraschende Erkenntnis mit in seinem Buch eingestreuten Schwarzweiß-Fotos von gutgelaunten deutschen Soldaten, die in Eisenbahnwaggons die Heimreise angetreten hatten, zu untermauern.

Die Wirklichkeit sah leider ganz anders aus. Wer als Wehrmachtssoldat 1941 oder später in die Hände der sowjetischen Solda-

teska beziehungsweise Partisanen geriet, hatte so gut wie keine Überlebenschance. Von den zirka drei Millionen deutschen Kriegsgefangenen und Internierten in Rußland hat nur ein Bruchteil überlebt. Die von Reichelt erwähnte Zahl von zwei Millionen deutschen Überlebenden gehört in das Reich historischer Märchen. Eine unsichere Gewähr, sowjetische Gefangenschaft unter menschlich nicht vorstellbaren katastrophalen Bedingungen (Seuchen, Ernährung, Klima, medizinische Versorgung) zu überleben, bot ab 1943 nach der Stalingrad-Katastrophe die Bereitschaft, sich im „Nationalkomitee Freies Deutschland“ in kommunistischem Sinne umerziehen zu lassen. Oftmals mit der perfiden Verpflichtung, die eigenen Kameraden zu denunzieren und diese somit dem sicheren Tod auszuliefern.

Überhaupt versucht Reichelt in altbekannter SED-Rhetorik, die DDR als das glaubwürdigere und moralisch bessere Deutschland der Nachkriegszeit darzustellen. Die BRD ist für ihn der Hort der Reaktion und steht in der ungebrochenen gesellschaftspolitischen Kontinuität des untergegangenen Nationalsozialismus. 

Wie der Ex-DDR-Minister Reichelt seiner verblichenen DDR emotional noch zugetan ist, belegt die letzte Abbildung des Buches, die eine Szene der herzlichen Verbundenheit von Wilhelm Pieck, dem damaligen Präsidenten der DDR und Vorsitzenden der SED, mit Margot Feist, der späteren Margot Honecker, aus dem Jahre 1949 symbolisiert.

Überhaupt ist Reichelts Machwerk einem größeren Leserkreis nur schwer zumutbar, obwohl er die zeitgemäße Terminologie von Nazideutschland und den Nazisoldaten, die die friedliebende Sowjetunion überfallen hätten, sattsam bemüht. Wie es mit der friedliebenden Sowjetunion de facto im Juni 1941 aussah, ist von historischer Seite sowohl von deutschen als auch von russischen Fachwissenschaftlern in jüngster Zeit überzeugend herausgearbeitet worden. In den Augen Reichelts wäre dies Westpropaganda und Geschichtsrevisionismus der übelsten Sorte.

Zusammenfassend gesagt ist das Buch entbehrlich, sieht man einmal vom interessanten, leider zum Teil unleserlichen politisch-historischen Dokumentenanhang im hinteren Teil des Buches ab.       Jochen Lückoff

Hans Reichelt: „Die deutschen Kriegsheimkehrer – Was hat die DDR für sie getan?“, edition Ost, Berlin 2007, broschiert, 224 Seiten, 14,90 Euro, Best.-Nr.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren