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22.03.08 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-08 vom 22. März 2008

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

und ganz besonders lieber Herr Arno Zillan, weil Sie mir mit Ihrem so heiteren Brief einen guten Anfang für diese „Oster-Familie“ gegeben haben. Stichwort: Mauchen! Denn Sie tragen noch immer die gestrick­ten Pulswärmer, denen wir in Ostpreußen diesen so zärtlich klingenden Namen gaben, obgleich die Dinger manchmal eklig kratzten. Wie Sie haben sich auch andere Landslied durch diesen und andere heimatliche Ausdrücke, die ich in meine kürzlich veröffentlichte Erinnerung an die „Veilchen vom Litauer Wall“ einbrachte, in die Kindheit zurück versetzt gefühlt und sehr liebe Briefe geschrieben. Dafür danke ich wie auch für die vielen Geburtstagsgrüße, über die ich mich sehr gefreut habe.

Und wenn ich mit diesem herzlichen Dank beginne, hat das seinen Grund, denn unsere ganze Kolumne ist eigentlich ein einziges Dankeschön! Wie immer habe ich auch für diese Osterausgabe ein paar Überraschungseier zurückgelegt, und nun will ich sie aus dem Krepsch holen, damit sich alle mitfreuen können. Wie heißt es doch so schön in dem alten Albumvers: „… denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigne Herz zurück!“

Und so wird vielleicht auch Frau Laugallies den Jubelschrei gespürt haben, obgleich diejenige, die ihn ausstieß, im fernen Südafrika lebt, denn so riesengroß war die Freude von Frau Rosemarie Pakleppa, als sie das von der dortigen Postagentur offerierte Päckchen öffnete: Es enthielt nicht nur den geliebten „Worpel“, sondern auch zwei weitere Otto-Boris-Bücher, die Frau Pakleppa bisher nicht kannte. Frau Laugallies hatte sie sofort abgesandt, nachdem sie den Wunsch unserer Landsmännin gelesen hatte – und damit für eine ganz große Überraschung gesorgt. Denn Frau Pakleppa hatte noch gar nichts von der Veröffentlichung gewußt, weil sie in diesem Jahr noch nicht eine Ausgabe der PAZ erhalten hatte! Datum ihres Schreibens: 19. Februar 2008. Ihre Freude ist noch größer, weil ihr junger Freund in Deutschland auch vier Boris-Bücher aufgestöbert hat und weitere Hinweise aus unserm Leserkreis kamen. „In meinen wildesten Träumen hatte ich es nicht erwartet. Da sehen Sie mal, was Ihr Artikel alles ins Rollen gebracht hat“, schreibt Frau Pakleppa und meint, daß ich damit wieder meinen Ruf als „Supermutter“ unter Beweis gestellt hätte. Kann man nur sein, wenn man solche Super-Familie hat!

Und das bestätigt auch Frau Ute Eichler gleich im ersten Satz ihres Dankesbriefes: „Nun habe auch ich erlebt, welche Hilfsbereitschaft in der Ostpreußischen Familie steckt. Telefonisch, schriftlich und per E-Post kamen Hinweise und Angebote!“ Und auch die reale Erfüllung ihres Hauptwunsches, denn sie erhielt die fehlende Briefverschlußmarke (auch diese genaue Bezeichnung hat sie durch Zuschrift erfahren) mit dem ostpreußischen Trachtenpaar von Herrn Reinhard Penner aus Kiel. Und dazu noch einen ganzen Schatz von diesen Marken und sogar komplette Bögen! Auch Frau Karla Weyland, die mit ihren – speziell auf Ostpreußen zugeschnittenen – philatelistischen Vorträgen schon manches Seminar bereichert hat, bot ihr Hilfe an, und von der „durch-und-durch-Ostpreußin“ Frieda Pietrass erhielt sie eine spezielle Trachtenkarte.

Zu der zweiten von Frau Eichler gestellten Frage nach dem Gestalter der – wie sich nun herausstellte, irrtümlich so beschrifteten – Künstlerpostkarte „Flüchtlingstreck im Februar 1945“ bekam auch sie viele Zuschriften, die alle bestätigten, was schon durch die ersten Briefe und Mails aufgeklärt wurde: Es handelt sich um einen geordneten Treck der Wolhyniendeutschen im Rahmen der Umsiedlung in den Warthegau im Herbst 1938. Ich habe aufgrund der Fülle von authentischen Beiträgen zu diesem Thema bereits in Folge 9 der PAZ ausführlich berichtet, so daß ich hier nicht mehr weiter darauf eingehen will – außer allen Einsendern meinen Dank für die so rege Beteiligung zu sagen. Es wurden uns auch viele Kopien aus Büchern und anderen Publikationen übermittelt, die noch ein weiteres Bild zeigen, das zweifellos auch aus dem Treck stammt. Offen bleibt nach Frau Eichlers Meinung nur die Frage nach dem Gestalter der Postkarte, aber da schließe ich mich der Meinung von Herrn Gehlhaar an, daß es sich um keine Grafik, sondern eher um die künstlerische Bearbeitung eines Fotos handeln dürfte. Der dritte Wunsch von Frau Eichler nach einem Bild von Allenbruch (Groß Kosuchen), Kreis Lötzen, blieb bisher leider unerfüllt. Aber das wäre ja schon fast zuviel des Guten gewesen!

Ebenso viel Aufmerksamkeit hat das Bild des Josef Engling erregt, das wir in Folge 8 brachten. Herr Czallner hatte die Porträtkarte entdeckt, konnte den Namen aber nicht richtig deuten, meinte aber, daß es sich um einen Schriftsteller handeln müßte. Nein, ein Literat war er nicht, der Josef Engling aus Prossitten, Kreis Rößel, war einer jener Menschen, die man zu den Berufenen zählt und deren tiefe gelebte Gläubigkeit bis heute wirkt, obgleich sein irdisches Leben nur 20 Jahre währte. Der 1898 geborene Sohn eines ermländischen Schneidermeisters bereitete sich schon mit 14 Jahren im Pallottiner Studienheim Schönstatt im heutigen Rheinland-Pfalz auf den Priesterberuf vor. Er war Mitglied der Schönstatt-Bewegung und gilt als einer der stärksten Vertreter der Werktagsheiligkeit. Mit 16 Jahren zum Kriegsdienst einberufen, versuchte er seinen Glauben konkret zu gestalten. Er setzte sein von tiefem Eifer getragenes Apostolat auch an der Front fort, sein Tagebuch enthält bewegende Eintragungen, die seine religiöse und charakterliche Entwicklung widerspiegeln. Josef Engling fiel am 4. Oktober 1918 im Artilleriehagel bei Cambrai und liegt auch dort begraben. Auf Grund seines Heiligkeitstrebens, seines Ringens um Selbsterziehung und Apostolat wird Engling in der Schönstattbewegung als „Vorbild und Patron“ angesehen. In Frankreich wird besonders seine Bedeutung für die Versöhnung der einstigen Kriegsgegner betont. Bereits 1952 wurde seine Seligsprechung eingeleitet. Josef Engling gilt als erster „Heiliger“ der Schönstatt-Bewegung. Soviel aus den vielfältigen Informationen, die mir zugeleitet wurden und für die ich herzlich danke, da sie ein auch mir weitgehend unbekanntes Feld betreffen. Mit diesen wenigen Sätzen ist aber dem Ermländer Josef Engling, für den in der Kirche von Prossitten eine Gedenkstätte eingerichtet wurde, nicht gedient. Wir werden zu gegebener Zeit mehr über diesen außergewöhnlichen Menschen berichten, vielleicht zu seinem katholischen Gedenktag am 4. Oktober.

„Gut Ding will Weile haben, und das Weilchen ist jetzt vier Wochen rum, und vom guten Ding möchte ich Ihnen berichten, ob es wirklich gut war“, beginnt ein Brief von Herrn Helfried Wermbter. Das macht neugierig, und so lesen wir schnell weiter, was unser Landsmann an Reaktionen auf seine Fragen, die sich auf die eigene Familiengeschichte beziehen, zu verzeichnen hat. Da ging es vor allem um den Gedenkstein für den Reg. Baumeister Paul Kühne, der ebenfalls im Ersten Weltkrieg fiel. Herr Wermbter schreibt: „Also, der Gedenkstein brachte doch einige ungeahnte Überraschungen. So haben sich kurz nach der Veröffentlichung zwei Sachkenner auf dem Militaria-Gebiet gemeldet, die übereinstimmend berichteten, daß in der Regimentsgeschichte kein Oberleutnant Kühne verzeichnet ist, gleichwohl gaben sie den Hinweis, Paul Kühne könnte als ,Einjährig Freiwillige‘ in das 5. Garde-Regiment zu Fuß – wie auf dem Gedenkstein verzeichnet – eingetreten sein. Im weiteren Verlauf sei er dann eben durch Ableistung von etlichen Wehrübungen zum Oberleutnant der Reserve befördert worden. Als Quelle für diesen Sachverhalt haben beide Leser der Ostpreußischen Familie das Werk ,Ehrenmal des preußischen Offizierskorps‘ genannt, in dem ein Oberleutnant Kühne der Reserve a. D. als Angehöriger des Res. Inf. Regiments 237 aufgeführt ist. Das Regiment war in Flandern eingesetzt. Während der Kämpfe wurde Paul Kühne am 22. Juli 1915 verwundet und ist dann am 3. September verstorben. Ich habe jetzt die Kriegsgräberfürsorge angeschrieben, um vielleicht noch mehr Klarheit zu erhalten.“ Immerhin ist soviel schon geklärt, denn auf dem Gedenkstein stand „vermißt und gefallen im Weltkrieg 1915“. Zur unbekannten Lage des Gedenksteins erhielt Herr Wermbter einen Anruf, der meine Vermutung bestätigt, daß es sich um eine Schleusenanlage des Masurischen Schifffahrtskanals handeln müßte, der nie vollendet und in Betrieb genommen wurde. Die Anruferin meinte, die Schleuse in Sandhof lokalisieren zu können – aber ohne Gedenkstein. Wahrscheinlich ist der Stein, wenn er überhaupt noch vorhanden ist, längst in diesem einsamen Grenzgebiet eingesunken und überwuchert. Aber immerhin ist Herr Wermbter mit den Hinweisen sehr zufrieden und möchte sich an dieser Stelle herzlich dafür bedanken.

Freude macht auch die Erfüllung einfacher Wünsche, die wir so gerne in die Kategorie „Bunte Nuschtkes“ einreihen, was soviel heißt: allerlei Kleinigkeiten. Da ist die köstliche kleine Geschichte aus seiner Kindheit, an die sich Herr Klaus Hardt so gerne erinnert. Die von den Bowkes, die sich aus Modder ein Dorf mit Kirche bauen. Und die dann, als der gerade vorbei kommende Seelenhirte der Gemeinde sie fragt, ob sie auch einen Pfarrer für die Kirche kneten würden, antworteten: „Ja, wenn vom Dreck noch was übrig bleibt.“ O, da wurde unsere Familie aber fündig! Herr Hardt bekam drei Fassungen zugesandt: Eine hochdeutsche vom Rhein, eine in Platt aus Bremerhaven und die echt ostpreußische als Poem von Robert Johannes! Die echte, die von ihm gesuchte, übermittelte ihm eine 86jährige Leserin aus Hannover. Auch ich bekam eine Version zugesandt, Herr Heino Niehaus hat sie in einer Anekdotensammlung gefunden. Wahrscheinlich handelt es sich um die Urfassung, denn sie wird in deftigem Platt erzählt, aus „Dreck“ wird „Schiet“, aber der Leser wird gleich zu Beginn beschwichtigt: Schiet ist die jedem Niederdeutschen geläufige und durchaus nicht anstößige Bezeichnung für jene Mischung aus Erde und Wasser, die anderswo Dreck heißt! Und so endet auch diese Anekdote anders, denn die Jugen beantworten die Frage des Pfarrers mit der vernichtenden Antwort: „Nee, soveel Schiet hebb wi nich mehr!“

Der Wunsch von Herrn Paul Salewski konnte leider bisher nicht erfüllt werden: Er sucht eine Aufnahme vom „Ostpreußenmarsch“, den Paul Raffel komponiert hat. Es gibt anscheinend keinen Tonträger mit diesem Marsch, von dem Herr Salewski die Klaviernoten besitzt. Nach Auskunft der „Patenschaft für das Ostpreußenlied“ in Wetzlar war der Komponist Volksschullehrer in Groß-Lößau, Kreis Rößel. Er verstarb am 28. Juni 1967. Mehr war leider nicht zu erfahren.

Der Osterhase braucht ja in diesem Jahr nicht durch den Schnee zu hoppeln, auch nicht in unserer „kalten“ Heimat, wie das früher im März oft der Fall war. Allerdings erinnere ich mich aber auch an ein Frühjahr, das in des Wortes wahrer Bedeutung eines war, denn ich fand bereits am 9. März auf dem Litauer Wall in Königsberg das erste Veilchen! Nie vergessen, wie auch nicht die Osterausflüge nach Neuhausen-Tiergarten oder ein Besuch des wunderschönen Tiergartens, in dem nach der Winterruhe das Leben erwachte. Wir hatten auf Wunsch von Frau Ruth Henke im vergangenen Oktober nach dem Schicksal der Tiere gefragt, die zwar bei den Bombenangriffen auf Königsberg im August 1944 fast verschont blieben, aber dann irgendwann und irgendwie starben, getötet, verendet … Frau Henke hat sich gewundert, daß sie hierzu lediglich von einem älteren Leser eine Zuschrift erhielt, einem Königsberger, der während des letzten Kriegswinters als Soldat in seiner Heimatstadt war und dort auch in russische Gefangenschaft geriet. Er sagte, daß die Tiere zuletzt von Wehrmacht und SS erschossen worden seien. Immerhin fanden die Russen noch ein paar Überlebende vor: Elefant, Dachs, Esel, Damhirsch und das Flußpferd „Hans“, das aus sieben Wunden blutete, aber gesund gepflegt wurde und später eines natürlichen Todes starb. Eines hatte die Frage aber doch bewirkt: Einige Leserinnen und Leser erinnerten sich an ihre Besuche im Königsberger Tiergarten, als sie noch kleine „Gnaschels“ waren – so wie Frau Monika Hinkel geborene Jahn, die das Glück hat, noch Fotoalben aus ihrer Kindheit zu besitzen, die Aufnahmen von ihrem Besuch als Fünfjährige im Tiergarten enthalten. Sie übersandte mir einige Abzüge, und sie sollen uns noch einmal in das Tierparadies in der Hufenschlucht führen – ein Osterspaziergang auf den Wegen der Erinnerung.

Eure Ruth Geede

Foto: Königsbergs Tiergarten: Ein schönes Ziel für den Osterspaziergang


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