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29.03.08 / Vom Lyck-See inspiriert / »Wasserwelten«: Erzählungen von Siegfried Lenz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-08 vom 29. März 2008

Vom Lyck-See inspiriert
»Wasserwelten«: Erzählungen von Siegfried Lenz

Man wird nicht fehlgehen in der Annahme, daß Siegfried Lenz, seit der Nachkriegszeit einer der renommiertesten deutschen Schriftsteller, bisher von einem eher kleinen Teil des interessierten Publikums als Erzähler mit einer ausgesprochenen Neigung zu maritimen Themen eingeordnet wird. Doch ist der Friedenspreisträger des Jahres 1988 tatsächlich auch ein Schriftsteller des Meeres. Jetzt hat der Marebuchverlag in Zusammenarbeit mit dem Literaturfachmann Hanjo Kesting eine Sammlung mit ausgewählten Erzählungen und Texten von Siegfried Lenz unter dem Titel „Wasserwelten“ herausgebracht. Auch Unveröffentlichtes wurde bei dieser Auswahl berücksichtigt. In seinem Vorwort berichtet der Herausgeber Kesting, daß sich der 1926 in Lyck geborene Autor bereits seit seiner Kindheit stark zu den „Wasserwelten“ hingezogen fühlt: „Den Lyck-See in Masuren befuhr er als Junge mit dem Boot und dem Binsenfloß, dort lernte er, bevor er lesen lernte, das Schwimmen, Tauchen und Fischen ...“ Nicht zufällig hat Siegfried Lenz nach dem Krieg in Hamburg seine zweite Heimat gefunden.

Wenn das Meer, die Häfen und die norddeutschen Küstenlandschaft die Szenerie bilden, so besteht das Personal naturgemäß aus den Menschen, die am Wasser wohnen und in dieser Lebenswelt arbeiten. Es sind unter anderem Fischer, Angler, Taucher, Matrosen und Schauerleute. Eine der sieben Abteilungen des Buches ist dem Bereich „Fluß und Hafen“ gewidmet. Am Ende der Erzählung „Der Hafen ist voller Geheimnisse“ spürt man die Faszination, die sowohl vom Schauplatz selbst ausgeht, als auch die des Erzählers: „Schau, das ist der Hafen: Geh hinab und sieh. Geh durch seine Labyrinthe und Wünsche, durch seine Magie und durch seine Maßlosigkeit, und einem Staunen wird ein anderes folgen: Der Hafen ist voller Geheimnisse …“

Vermutlich wird dieses Lesebuch nicht nur den zahlreichen Liebhabern der maritimen Literatur Freude bereiten. Ist doch das Verfahren, Auszüge aus den Werken beliebter Schriftsteller unter speziellen Gesichtspunkten zusammenzustellen, erfahrungsgemäß erfolgsträchtig, weil derartige Sammlungen zum Kurzlesen einladen. Für alle diejenigen aber, die bisher noch keine Bekanntschaft mit dem Werk von Siegfried Lenz gemacht haben oder seine Romane und Erzählungen seit ihrem Deutschunterricht nicht mehr zur Hand genommen haben, bietet diese Anthologie eine schöne Gelegenheit zum Kennenlernen. 

Nicht selten trifft man auf Selbsterlebtes und Kurioses. In der Abteilung „Vom Fischen und Tauchen“ erfährt der Leser, daß Lenz früher einmal selbst ein leidenschaftlicher Angler und Taucher war. Vermutlich bestanden jedoch anfänglich Hemmschwellen, und daher beruhigte der Bewunderer des Captain Ahab sein schlechtes Gewissen den stummen Mitgeschöpfen gegenüber, denen er nach dem Leben trachtete, indem er sich vorhielt: „Und mit den Schmerzen ist’s nicht so schlimm, mit den Schmerzen für den Fisch. Das hat Büchner belegt, Georg Büchner, der seine Antrittsvorlesung über das Nervensystem der Fische hielt, und die Praxis des Anglers hat es oft bestätigt.“ Dasselbe betraf dementsprechend auch die von ihm unter Wasser harpunierten Fische: „Der Pfeil schlug in das weiße Etwas, und ich stieß, die Leine und den Pfeil und die Beute hinter mir herziehend, nach oben, weil ich kaum noch Luft hatte ... Überlegen und wortlos zeigte ich auf die straffe Schnur. Meine Frau holte sie ein, und plötzlich hörte ich sie sagen: ‚Das ist doch die ‚Times‘.‘“ D. J. 

Siegfried Lenz: „Wasserwelten“, Marebuchverlag, Hamburg 2007, geb., 351 Seiten, 20,60 Euro


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