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05.04.08 / Die Piraten sind los / Immer mehr Schiffe in asiatischen und afrikanischen Gewässern werden gekapert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-08 vom 05. April 2008

Die Piraten sind los
Immer mehr Schiffe in asiatischen und afrikanischen Gewässern werden gekapert
von Joachim Feyerabend

Unter massivem Einsatz ihrer Kriegsschiffe war es den Ländern entlang der großen Seehandelsrouten gelungen, bis 2006 die Zahl der Seeräuberattacken auf Handelsschiffe und Privatjachten spürbar zu verringern. Doch es war offenbar nur ein kurzfristiger Erfolg: In den ersten neun Monaten 2007 häuften sich die Piratenüberfälle wieder, Tendenz danach: weiter steigend.

Offiziell verzeichnete die malaysische Agentur gegen Piraterie in Kuala Lumpur allein 198 Überfälle – im der Vergleichszeit des Vorjahres waren es 174. Auffallend ist, so das „Internationale Maritime Büro“ in London, die immer modernere Ausrüstung der Banditen mit Schnellbooten, von Hochtechnologie-Waffen bis zu Granatwerfern und elektronischen Navigationsinstrumenten. Auch die Reichweite der modernen Seediebe hat sich auf über 200 Meilen vor der Küste vergrößert. Vorbei also die Zeiten, wo die Piraten nur in küstennahen Nadelöhren wie der Straße von Malakka zwischen Malaysia und dem indonesischen Sumatra zu fürchten waren, die auch die großen deutschen Ostasienfahrer  durchkreuzen müssen.

Allein die materiellen Verluste gehen jährlich in die Milliarden. Dazu sind Hunderte Todesopfer zu beklagen und, noch mehr, zum Teil schwer Verwundete. Ganze Schiffe werden entführt und nur gegen hohe Lösegelder zurückgegeben, wie im August die mehrere Monate vor der 3700 Kilometer langen Küste Somalias verschwundene dänische „Danica White“. Für 1,5 Millionen US-Dollar „kaufte“ der Reeder im August 2007 sein Schiff zähneknirschend zurück. Wegen der als Geiseln festgehaltenen Schiffsbesatzung legte sogar die Gewerkschaft etwas dazu. In diesem völlig rechtlosen afrikanischen Staat sind derzeit noch weitere vier gekaperte Frachtschiffe versteckt. Bizarr: Keines der (auch deutschen) Kriegsschiffe am Horn von Afrika traut sich, die Hoheitsgewässer Somalias zu verletzen.

Der offiziell von der Anti-Piraterie-Agentur erteilte Rat, die gefährlichen Gewässer im Abstand von 200 Meilen zu passieren, gibt längst keine Gewähr mehr für Sicherheit. Erst vor kurzem wurde ein Frachtschiff 240 Meilen vor dem kenianischen Hafen Mombasa angegriffen, ein anderes 180 Meilen vor der selben Küste. Die Piraten informieren sich genau über solche Sicherheitsempfehlungen wie den zum Abstandhalten von der Küste und erweitern ihren Radius entsprechend.

Die Kaperbanden machen mittlerweile selbst vor großen Tankern nicht mehr halt. Denn deren heutige Besatzungen sind dank Technik verschwindend klein. Und sogar noble Kreuzfahrtschiffe werden aufs Korn genommen, so etwa die „Seaborn Spirit“ Ende 2005 vor Somalia. 30 Bewaffnete wollten den Luxusdampfer von zwei Booten aus mit Wurfankern und Strickleitern entern. Der geistesgegenwärtige Kapitän Sven Pedersen setzte eine „Akustik-Kanone“ ein. Die Angreifer hörten heftigen Gefechtslärm und flohen. Die rund 300 Passagiere bemerkten so gut wie nichts, und das Schiff änderte seinen Kurs auf die Seychellen, statt wie ursprünglich geplant die küstennahe Route nach Mombasa zu nehmen.

Längst wird in Fachkreisen auch vor möglichen terroristischen Gefahren gewarnt, seit der Plan der militanten, fernöstlichen Islamisten-Bande „Gruppe 272“ aufflog, einen Tanker zu entführen und in der Straße von Malakka in die Luft zu jagen.

Manchmal tauchen die verschwundenen Frachter oder Jachten unter anderem Namen und mit neuer Flagge wieder auf. So wurde etwa der Zuckertransporter „Anna Sierra“ auf seinem Weg von Thailand nach Manila von Schnellbooten und 30 Maskierten gekapert und später als „Artic Sea“ wiederentdeckt. Nur der mangelhaften Rechtschreibung der neuen Reeder (richtig hätte es heißen müssen: „Arctic Sea“, sie vergaßen das erste „c“) ist die Auffindung der umfrisierten Beute zu verdanken.

Gefahrenpunkte sind nach wie vor das Rote Meer, der Golf von Aden, die gesamte ostafrikanische Küste vom Horn von Afrika bis Tansania, in Westafrika die Gewässer vor Nigeria, Indiens Südspitze bis in den Golf von Bengalen sowie natürlich Südostasien nahe Singapur rund um die Straße von Malakka und in die Sulusee zwischen Borneo und den Philippinen, wo ganze Sippen ausschließlich von Piraterie leben. Aber auch im Pazifik ist mittlerweile Vorsicht geboten. Überfälle wurden aus Papua-Neuguinea und von den Salomonen gemeldet. Die Karibik, Peru, Kolumbien, Venezuela und Panama markieren die Gefahrenherde in amerikanischen Gewässern. Und hier sind sehr oft Privatjachten die Opfer. Insgesamt sind seit 1996 weltweit über 80 private Boote jedweder Größe überfallen worden und weitere 20 blieben bis heute verschollen.

Mit der neuerlichen Zunahme 2007 wurden manche Hoffnungen gedämpft. Denn trotz Einsatzes von Kriegsschiffen, vermehrten Polizeipatrouillen, immer neuen Sicherheitskonferenzen und internationalen Abkommen, trotz fliegender, unbemannter Aufklärungsdrohnen über den am meisten gebeutelten Seegebieten und Satellitenüberwachung – die Piraten sind weiterhin allgegenwärtig und lassen sich manchmal nicht einmal mehr von inzwischen auf vielen Frachtern installierten Elektrozäunen mit 9000 Volt an der Reling abschrecken. Zum Teil schießen sie, wie im Fall des Kreuzfahrtschiffes „Seaborn Spirit“ mit Granatwerfern neuester Bauart zunächst Löcher in die Bordwand und erzwingen sich so den nötigen Respekt.

Foto: Erwischt: Indonesisches Militär befreit einen entführten Tanker.

 

Zeitzeugen

Felix Graf von Luckner – Er ging als Idealtyp des ritterlichen Freibeuters in die Weltgeschichte ein. 1916 und 1917 brachte der Kaperfahrer 16 feindliche Schiffe auf und versenkte um die 20. Bei allen Aktionen zusammen kam nur ein einziger gegnerischer Seemann ums Leben. Der spätere Seeoffizier Luckner (1881–1966) büxte schon mit 16 von Zuhause aus, um auf einem russischen Segler anzuheuern.

Klaus Störtebeker – Wie Luckner hatte auch der legendäre Störtebeker (um 1360–1401) als Freibeuter begonnen, im Dienste des schwedischen Königs. Später ging er jedoch als Pirat auf eigene Rechnung auf Beutefahrt und wurde zur Plage der Hansestädte. Von einer hamburgischen Flotte wurde er 1401 in der Nordsee gestellt und auf dem Hamburger Grasbrook am Elbstrand geköpft.

Blackbeard – Die Karriere vom Freibeuter (im Dienste Londons) zum Seeräuber absolvierte auch der bekannteste Pirat der Karibik, dessen bürgerlicher Name Edward Teach oder Thatch lautete. Käpt’n „Blackbeard“ (um 1680–1718) war der durch seine angebliche Grausamkeit berüchtigste Piratenführer seiner Epoche. Überwältigt wurden er und sein Schiff, als der schwer Drogensüchtige im damals britischen Charleston, Süd Carolina, lediglich eine Schachtel Laudanum für sich und Medizin für seine Mannschaft forderte. Blackbeard starb im Kampf mit britischen Soldaten.

Ghalib Andang – Als „Commander Robot“ entführte der philippinische, islamistische Pirat im April 2000 22 Touristen in der Sulu-See, darunter die deutsche Familie Wallert. Als letzter kam Sohn Marc Wallert nach vier Monaten als Geisel wieder frei. Das Drama öffnete vielen die Augen, daß Piraterie in der Realität nichts Romantisches an sich hat.

Jack Sparrow – Trotz allem hat das Genre nichts an Reiz eingebüßt. Der Kino-Hit „Fluch der Karibik“ widerlegte 2003 alle Unkenrufe, daß die Zeit des großen Piratenfilms lange vorbei sei. Schauspieler Johnny Depp in der Rolle des wirren Piraten Jack Sparrow lockte weltweit Millionen Menschen in die zu Recht gelobte Abenteuer-Komödie.


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