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05.04.08 / Rotes Glas und schwarzer Rauch / Johann Kunckels Goldrubin-Glas wurde zu einem preußischen Exportschlager

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-08 vom 05. April 2008

Rotes Glas und schwarzer Rauch
Johann Kunckels Goldrubin-Glas wurde zu einem preußischen Exportschlager
von Karel Chemnitz

Mißtrauisch beobachtete man die Rauchwolken über der heutigen Pfaueninsel. Bislang war das abgelegene Eiland im Berliner Wannsee kaum beachtet worden. Nun machte sich Unruhe breit. Sogar ein Anflug von Angst. Immer wieder trieb der Wind übel riechende Dämpfe ans Ufer. Vielleicht war doch etwas dran an den nie enden wollenden Gerüchten von Schwarzer Magie? Es waren die 80er Jahre des 18. Jahrhunderts. Das Mittelalter lag nicht so lange zurück. Aberglaube war noch immer allgegenwärtig. Allerdings ließ sich der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm immer wieder zur Insel rudern, um seinem Glasmeister bei der Arbeit zusehen.

Meister Johann Kunckel stammte aus einer alten Glasmacher-Familie. Sein Vater arbeitete im Ort Hütten bei Rendsburg im Herzogtum Schleswig. Dort ist Johann Kunckel um 1630 geboren. Eine Universität hat er wohl nicht besucht. Die Hohe Schule des Johann Kunckel hieß Holland. Auf einer mehrjährigen Reise machte er sich mit der venezianisch-niederländischen Glastechnik vertraut, beschäftigte sich mit Glasmalerei und erlernte die Fayence-Herstellung. Zeitgenossen beschreiben ihn als „eines Glaskünstlers Sohn und war unter ihnen erzogen, auch von Jugend auf in dieser und allerley anderen Feuerkünsten geübet ...“. Sein Ruf als Glasspezialist war so gut, daß ihn Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen an die Elbe berief.

In Dresden entwickelt und produziert Kunckel einzigartig schöne Gläser und genießt so das Wohlwollen des Kurfürsten. Das ruft Neider und Intriganten auf den Plan. Für die ist Alchemie noch immer künstlich-magische Goldmacherei. Kunckel ist daran nicht unschuldig. Er soll schon versucht haben, aus 50 Pfund Quecksilber reines Gold herzustellen. In Dresden stellt man sogar die Lohnzahlungen ein. Das Hauptargument: Könnte er Gold machen, dann brauche er kein Geld, könne er aber solches nicht, wozu solle man ihm dann Geld geben?

Solche Fragen waren Anno dazumal gar nicht aus der Luft gegriffen. Überall in Europa riefen Fürsten Alchimisten an ihre Höfe. Diese – eine Mischung aus Gelehrten, Künstlern und Handwerkern, nicht selten auch Betrüger – sollten aus unedlen Stoffen Gold und Silber herstellen. Der Hintergrund ist nachvollziehbar. Immer mehr setzte sich die moderne Geldwirtschaft gegenüber der mittelalterlichen Naturalwirtschaft durch. Und für gutes und wertbeständiges Geld brauchte man viel Edelmetall. Ebenso wie für eine aufwendige Hofhaltung.

Kunckel siedelt über ins Brandenburgische. Da schreibt man das Jahr 1677. Kunckel gewinnt endgültig das Vertrauen von Kurfürst Friedrich Wilhelm, als er einen adligen Betrüger entlarvt. Ein Baron wollte dem Fürsten für eine horrende Summe eine Rezeptur zum Goldmachen verkaufen. Erst arbeitet Meister Kunckel in der Hütte in Drewitz und übernimmt dann die neue Manufaktur in Potsdam. Sein Goldrubin-Glas erlangt sprichwörtlichen Ruhm und wird zu einem preußischen Exportschlager. Auch in Zechlin und am Grimnitz-See bei Joachimsthal produziert man dieses Luxusgut. Kunckels wissenschaftliche Veröffentlichungen sind europaweit gefragt. Der alternde Kurfürst revanchiert sich: Wir haben „unserem geheimden Kammerdiener und lieben Getreuen Johann Kunckeln den sogenannten Kaninchenwerden bei Potsdam Erb- und Eigentümlich geschenket.“ Dort betreibt der Meister einen Versuchsofen. Hinterlassenschaften wurden bei Ausgrabungen gefunden. Vollständige Gläser aus Kunckels Händen haben offenbar die Zeitenläufe nicht überstanden. Mit fürstlicher Hilfe kann der Rubinglas-Meister in der Berliner Klosterstraße ein Haus und in Prenden bei Bernau das Gut Dreißighufen kaufen.

1688 mit dem Tod des Kurfürsten beginnt der gesellschaftliche Absturz. Vorgeworfen werden Kunkel Unterschlagung und Verschwendung. Vor allem die hohen Ausgaben kann der Hüttenmeister nicht belegen. Vor Gericht verteidigt sich Kunckel ungeschickt: „Der hochselige Herr Kurfürst war ein Liebhaber von seltenen und kuriosen Dingen und freute sich, wenn etwas zu stande gebracht wurde, was schön und zierlich war. Was diese genützt hat, diese Frage kann ich nicht beantworten.“ Am Ende wurde der Angeklagte zur Rückzahlung verurteilt.

Zum Prozeß kommen ein Brandanschlag und der Konkurs eines Bergwerk-Unternehmens in Werningerode. Sogar ein Haftbefehl wird kurzzeitig erlassen. Da erreicht ihn eine Einladung an den schwedischen Hof. Kunckel reist nach Stockholm. Karl XI. ernennt ihn zum Königlichen Bergrat und erhebt ihn in den Ritterstand. Nunmehr darf Kunckel seinem Namen ein „von Löwenstern“ hinzusetzen. Nach Brandenburg zurückgekehrt, kann er auch als frischgebackener Adliger nie mehr an den Ruhm vergangener Jahre anknüpfen. Das Kammergericht war allerdings zu dem Urteil gekommen, keine strafbaren Handlungen sind „seiner seiten begangen, und er sich mit dergleichen Chimischen oeprationen selbst mit ruinieret und dahero zum armen Man geworden“.

Vom einstigen Reichtum ist nur das Schulden belastete Gutshaus Dreißighufen geblieben. Kunckel muß sich mit dem Ruin abgefunden haben. Auf Dreißigacker nutzt er die Zeit für weitere Forschungen: „Da mir Holtz und Kohlen nicht viel kosten, und ich bin in der derstelle daselbst allein, als gestehe ich in einem Jahr mehr als kaum zehn anderen erfahren zu haben.“

Am 20. März vor 305 Jahren ist er gestorben. Möglicherweise auf einer Reise. Ein Grabmal hat man nicht gefunden. Auf der Pfaueninsel im Wannsee erinnert ein Stein an den Erfinder des preußischen Rubinglases.

Foto: Johann Kunckel: Das Porträt von Lucas a Lhibenau von Wehrd trägt die Devise „Die Wahrheit ist mein Ziel, Die guten Künst mein Spiel“.


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