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05.04.08 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-08 vom 05. April 2008

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

als Kinder spielten wir „Stille Post“. Da saßen wir wie die Spatzen in einer Reihe und raunten uns ein Wort oder einen Satz zu, vom ersten Kind vorgegeben und dann weiter geflüstert, ganz schnell und möglichst genuschelt, damit das Endprodukt – vom letzten Kind laut verkündet – ganz anders lautete. Das erregte dann größte Heiterkeit. Manchmal muß ich an dieses Spiel denken, wenn ich Berichte bekomme, die schon in das Reich der „Familiensaga“ gehen. Denn was da von Generation zu Generation überliefert wurde, hat schon auf den ersten Blick kaum etwas mit dem Vorgang gemein, der am Anfang des Suchvorgangs steht – um einen solchen handelt es sich ja fast immer, wenn das Schreiben auf meinem Schreibtisch landet. Die „stille Familienpost“ aus Urgroßmutters Zeiten kommt nur in Bruchstücken bei den Nachfahren an, die sich für die Geschichten interessieren, die da einmal vor Jahr und Tag geschehen sind. Zumeist in einem Land, in dem man nicht mehr an Ort und Stelle nachforschen kann wie in unserer Heimat Ostpreußen.

Es ist so vieles verloren, was diese Geschichten aufhellen könnte. Manches wurde wohl verschwiegen, bewußt oder unbewußt, auch unwissentlich verfälscht. Und vieles verklärt. Vor allem dann, wenn es keine greifbaren Relikte wie Fotos, Dokumente, Briefe und andere Aufzeichnungen gibt, keine Fixpunkte, an die man sich halten kann. Da muß man schon viel Gespür mitbringen, besonders dann, wenn es sich um Ereignisse handelt, in die sich bisher ahnungslose Verwandte der betreffenden Familie plötzlich eingebunden sehen. Keine leichte Aufgabe, die viel Fingerspitzengefühl verlangt. Dies erklärt auch, daß die Veröffentlichung mancher Wünsche mitunter auf sich warten läßt, weil sie erst nach Absprachen mit den Einsendern und möglichst sorgfältigem Recherchieren erfolgen kann.

Als Musterbeispiel kann die Geschichte der Familie „Becker“ gelten – schon lange im Westen ansässig, aber mit Wurzeln im nördlichen Ostpreußen. Wie bei der „Stillen Post“ wurde die rätselhafte Herkunft des Großvaters von Herrn Karl-Heinz Becker, der mir diese in einem langen Schreiben schildert, von Generation zu Generation weitergegeben und entwickelte sich so zu einer echten Familien-Saga mit geradezu dramatischen Effekten und vielen Fragen. Sie beginnt bei dem Urgroßvater aus der väterlichen Linie – eigentlich sind es zwei, denn Großvater Rudolf, *18. März 1865 in Ballethen, war unehelich geboren und vier Monate nach der Geburt von einem Schuhmacher adoptiert worden, dessen Name auch der Urenkel trägt: Becker. Der leibliche Vater soll Förster gewesen sein. Um die Mutter des Kindes ranken sich tragische Geschichten. Sie soll die jüngste Tochter eines adeligen Gutsbesitzers gewesen sein, eine junge Baroneß, die ihr Kind einem Tagelöhner übergeben hatte mit der Bitte, eine Pflegefamilie für den Säugling zu suchen. Sie wollte das Kind später wieder abholen. Dazu ist es aber nie gekommen. Die junge Frau soll in ein Kloster gebracht worden sein – so das Gerücht. Realer scheint da schon das tragische Ende des Försters zu sein: Man soll ihn später im Wald bei Ballethen erschossen aufgefunden und ihn auch dort begraben haben. Die weitere Familiengeschichte ist dann weniger dramatisch. Die Familie Becker zog den Jungen auf, vermutlich hatte sie auch leibliche Kinder. Ihr Wohnort ist nicht bekannt, wahrscheinlich lebten die Beckers in der Nähe von Ballethen, denn Rudolf, der Adoptivsohn, heiratete Amalia Haase, *24. Juni 1868, aus dem nahen Darkehmen. Die Familie könnte aber auch in Wiepeningken, Kreis Insterburg, gelebt haben, denn dort wurden die Kinder des jungen Paares geboren: Magdalena, * 1898, und Kurt Walter, * 1901, der Vater von Karl-Heinz Becker. Nur drei Jahre später zog die junge Familie nach „oberwärts“ – wie man damals in Ostpreußen sagte, als viele junge Menschen in das Rhein-Ruhr-Gebiet gingen, weil sie dort ein besseres Auskommen sahen. Die Familie lebte von nun an in Gelsenkirchen. Über die ostpreußische Herkunft wurde anscheinend wenig gesprochen, es dürfte auch kaum eine Verbindung zu der in der Heimat verbliebenen Verwandtschaft bestanden haben. Und diese suchen nun die Nachfahren des Rudolf Becker, denn Karl-Heinz Becker und seine Schwester möchten Licht in das Dunkel der väterlichen Familiengeschichte bringen. Gibt es Nachkommen der Familien Becker aus oder um Ballethen und Haase aus Darkehmen? Wer kann über diese Familien etwas sagen. Interessant wäre auch zu erfahren, ob sich ehemalige Bewohner von Ballethen und Umgebung an den Tod des Försters erinnern. Ein Mord blieb doch früher lange am Ort des Geschehens unvergessen. Der Name der Baroneß ist nur unvollkommen überliefert, ich möchte hier keine irreführenden Vermutungen anstellen, wie ich überhaupt nur mit Vorbehalt diese Familien-Saga weitergebe. (Karl-Heinz Becker, Günther-Wagner-Allee 15, 30177 Hannover, Telefon 05 11 / 3 94 76 69.)

Ein Pflegekind war auch Herr Günter Salewski – aber er hat weit weniger Anhaltspunkte für seine Familienforschung als Herr Becker, eigentlich so gut wie keine. Deshalb habe ich auch, als ich seinen Brief las, den Kopf geschüttelt: Da kann selbst unsere Ostpreußische Familie nicht helfen. Aber dann habe ich seine Zeilen immer wieder gelesen, und dabei wurden mir die Probleme bewußt, die diesen Mann zeitlebens belastet haben. Und ich dachte, daß es doch vielleicht gut für ihn wäre, wenn er spürte, daß sich endlich jemand seiner Fragen annehmen würde, gleich, ob eine Lösung zustande käme oder nicht. Günter Salewski, * 1938 in Königsberg, hat seinen Vater nie gekannt, die unverheiratete Mutter Margot Salewski hatte nach der Geburt enttäuscht die Verbindung gelöst. Sie gab ihren Sohn in Pflege, der mit dieser Familie 1944 zuerst nach Kalkfelde, dann nach Meißen kam. Durch die Kriegs- und Nachkriegswirren und den Mauerbau verlor er die Verbindung zur Mutter, die in der Nähe von Oldenburg lebte. Er hat also nie Elternliebe erfahren, wurde auch nicht adoptiert. Nun sind die leibliche Mutter wie die Pflegemutter verstorben, auch andere Verwandte, die ihm helfen könnten, leben nicht mehr oder sind nicht bekannt. Denn der Sohn möchte etwas über seinen Vater erfahren, von dem er lediglich weiß, daß dieser Richard Marquardt (oder ähnlich) hieß und als Berufssoldat in den Jahren 1937/38 in Königsberg stationiert war. Herr Salewski hatte sich nach dem Mauerfall an die Deutsche Dienststelle (WAST) gewandt, aber von dort – vor allem wegen fehlender Personalien – eine abschlägige Antwort erhalten. Er bekam lediglich einen Auszug über Truppenverbände als allgemeine Übersicht. Damit kann er natürlich nichts anfangen. Deshalb wendet er sich jetzt an uns mit der Bitte auf Hinweise für seine Suche nach Informationen über seinen Vater. Vielleicht können ihm da vor allem Leser, die sich mit der Geschichte der Wehrmacht – speziell der in Königsberg stationierten Truppenverbände – befassen, Informationen geben. Es könnte auch sein, daß noch ehemalige Kameraden von Richard Marquardt leben und sich an ihn erinnern – auch damit wäre dem Sohn schon geholfen. Irgendwie möchte er eine greifbare Vaterfigur aus dem Dunkel seiner Herkunft auftauchen sehen, auch wenn sein Erzeuger nicht mehr leben sollte, was ja wahrscheinlich ist. (Günter Salewski, Questenberger Weg 12 A, 01662 Meißen, Telefon 0 35 21 / 73 41 96.)

Um einen nicht ehelichen Sohn geht es auch in der nächsten Frage, allerdings wird er nicht gesucht, denn er lebt nicht mehr, aber um seine Hinterlassenschaft. Er hieß Hans-Joachim Neumann und kam am 12. April 1935 in Königsberg zur Welt. Seine ledige Mutter Ella Frieda Neumann, * 9. Dezember 1905 in Königsberg, verstarb schon kurz nach der Geburt am 30. April 1935. Über ihren nun elternlosen Sohn wurde eine Vormundschaft beim damaligen Amtsgericht Königsberg geführt. Das Kind ist dann 1937 von den Eheleuten Hermann Robert Thieme und Hedwig Thieme geborene Koch adoptiert worden und nahm somit deren Namen an. Hans-Joachim Thieme verstarb vor einigen Jahren kinderlos. Gesucht werden nun Verwandte aus der mütterlichen Linie. Ella Frieda Neumann war die Tochter des Buchhalters Otto Friedrich Wilhelm Neumann und seiner Ehefrau Lisbeth Charlotte Neumann geborene Ritter. Zur Zeit der Geburt ihrer Tochter – 1905 – wohnte die Familie in Königsberg, Moltkestraße 12. Ella Neumann war 1935 in der Tragheimer Pulverstraße 51 gemeldet. Es ist nicht anzunehmen, daß dies auch die Wohnung ihrer Eltern war, denn die Tochter war ja bereits 30 Jahre alt und als Kontoristin berufstätig. Es ist unbekannt, ob sie noch Geschwister hatte und ob es noch weitere Verwandtschaft gab, also Geschwister von Vater Otto Neumann oder Mutter Lisbeth geborene Ritter, oder Kinder von diesen. Nachkommen dieser Familien werden nun dringend gesucht. Alle bisherigen Bemühungen, diese zu finden – auch durch eine Erbensuchanzeige im Ostpreußenblatt – blieben bisher ohne Erfolg. Jetzt ist unsere Ostpreußische Familie gefragt. Schon Hinweise von ehemaligen Bekannten oder Nachbarn könnten weiterhelfen. Zuschriften bitte an Erbenermittlung Alfred Wolf – Sybille Wolf-Mohr, Postfach 61, 76471 Iffezheim, Telefon (0 72 29) 3 05 60, Fax (0 72 29) 32 72 oder www.wolf-mohr.de. Bitte bei Antwort das Zeichen 102-26 AW/Schu angeben.

Ein Wiedersehen soll es geben im Mai im Berlin – wohl beim großen Ostpreußentreffen. Daß es dazu kommt, soll unsere Ostpreußische Familie verhelfen. Herr Gerhard Frydrich und Frau Edith Nadolny geborene Piechotka suchen Kurt Borries aus Lasken, Kreis Sensburg, Post Sorquitten. Nach dem Krieg wohnte die ostpreußische Familie in Ost-Berlin. 1953 hat Kurt Borries geheiratet, das Hochzeitsbild ist noch vorhanden und hilft vielleicht bei der Suche weiter. Gerhard Frydrich hat bis 1952 die Familie dreimal besucht, umgekehrt war Kurt Borries bei der Familie Frydrich in Minzow, Kreis Röbel / Mecklenburg, zu Gast – bis die Mauer fiel und sie sich aus den Augen verloren. Leider konnten die Suchenden bisher nie erfahren, wohin Kurt Borries und seine Schwester Christel verzogen sind – sie hoffen, die alten Freunde nun durch unsere Familie zu finden. Christel und ihre Mutter waren wie die Familie Frydrich 1945 bis 1947 in Dänemark interniert, aus dieser Zeit stammt die Freundschaft, die nun hoffentlich wieder aufgefrischt werden kann. (Bitte melden bei Edith Nadolny, Telefon 0 40 / 6 78 68 06, Gerhard Fryd­rich, Telefon 0 40 / 6 78 45 69.)

Aus den Augen verloren hat auch Herr Oswald Maßner aus Barßel seinen Freund Peter Lauter aus Allenstein, mit dem er die schwersten Jahre seines Lebens im Gefängnis in Wartenburg / Ostpreußen verbracht hatte. Sie waren als politische Gefangene in einer Zelle untergebracht, daraus entstand eine besonders enge Verbindung. Peter Lauter, * etwa 1941/43, war schon 1959 inhaftiert worden, Oswald Maßner, * 1939, kam 1965 nach Wartenburg, wo auch der ehemalige Gauleiter Koch einsaß. Als sie 1969 entlassen wurden, ging jeder seinen eigenen Weg – wohin der seines Freundes führte, ist Herrn Maßner nicht bekannt. Alle Bemühungen, Peter Lauter zu finden, blieben ergebnislos. Nun hofft er, daß er seinen Schicksalsgefährten durch unsere Familie wiederfindet oder jedenfalls Näheres über sein weiteres Schick­sal erfahren kann. (Oswald Maßner, Dohlen 4, 26678 Barßel, Telefon / Fax 0 44 99 / 79 61.)

Der Bericht von Klaus D. Voss „Späte Hilfe für die Opfer“ in Nr. 12 hat eine unerwartet hohe Resonanz gefunden. Daß die Uniklinik Hamburg-Eppendorf die Langzeitbelastung durch Flucht und Vertreibung erforschen will und deshalb über unsere Zeitung interessierte Vertriebene bittet, sich als Teilnehmer für dieses groß angelegte Forschungsprojekt zu melden, hat eine Riesenwelle in Bewegung gesetzt. Es kam zu Problemen mit dem Mail-Account, so daß sich der von dieser Reaktion völlig überraschte Projektleiter Dr. Christoph Muhtz gezwungen sah, noch eine weitere E-Mail-Adresse einzurichten. Meldungen können jetzt über folgende Mail-Adressen erfolgen: vertriebenenprojekt@ uke.uni-hamburg.de und vertriebenprojekt@ uke.uni-hamburg.de. Näheres entnehmen Sie bitte dem oben genannten Bericht im Ostpreußenblatt in Folge 12 der PAZ vom 22. März 2008

Eure Ruth Geede

Foto: Kurt Borries 1953 am Tage seiner Hochzeit mit seiner Braut: Der damalige Bräutigam wird gesucht von Edith Nadolny, Telefon (0 40) 6 78 68 06, und Gerhard Fryd­rich, Telefon (0 40) 6 78 45 69.


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