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19.04.08 / Wer war IM Schubert? / Ein ehemaliger Stasi-Spitzel will nicht beim Namen genannt werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-08 vom 19. April 2008

Wer war IM Schubert?
Ein ehemaliger Stasi-Spitzel will nicht beim Namen genannt werden
von Mariano Albrecht

Eine kleine Ausstellung im Vogtländischen Reichenbach (Sachsen) macht große Schlagzeilen. Es geht um die Aufarbeitung von jüngster deutscher Geschichte. „Christliches Handeln in der DDR“, ein Thema, bei dem man an einem nicht vorbeikommt: der Stasi und ihrem Überwachungs- und Unterdrückungsapparat. Schicksale von Opfern und jetzt auch Tätern dringen an die Öffentlichkeit. Der Inoffizielle Mitarbeiter (IM) der Staatssicherheit, Deckname „Schubert“, hatte kurz nach der Eröffnung der Ausstellung in Reichenbach dafür gesorgt, daß sein Name in der Ausstellung nicht genannt werden darf. Ein Gericht in Zwickau erließ zunächst einmal eine Einstweilige Verfügung zu seinem Schutz. Ob diese Entscheidung im Hauptverfahren weiter Bestand haben wird, muß sich noch zeigen.

Da die Aussteller auf die Nennung offenbar nicht verzichten wollten, wurde die Ausstellung in Reichenbach geschlossen. „Die Stasi macht wieder mobil – wehret den Anfängen!“ empören sich Bürger und Politiker.

In der bereits seit dem Jahr 2005 in 13 deutschen Städten gezeigten Ausstellung, die von Religionsschülern des Clara-Wieck-Gymnasiums Zwickau gemeinsam mit dem Pfarrer i. R. Edmund Käbisch erarbeitet wurde, findet sich der Klarname von IM Schubert. Genannt wird der Reichenbacher in einem Vortrag und einer Dokumentation über die systematische Bespitzelung von Kirchenmitgliedern, teilweise mit schweren Folgen für die Opfer. Auch Pfarrer Käbisch stand im Visier von „Schubert“.

Der Stasizuträger sieht seine Persönlichkeitsrechte verletzt und geht nun juristisch gegen die Nennung seines Namens vor. Am 6. März erwirkte „Schubert“ per Gericht eine Einstweilige Verfügung gegen die Nennung seines Klarnamens. Bis zu 250000 Euro Ordnungsgeld drohen Käbisch und seinen Schülern, sollte der Name in der Ausstellung auftauchen.

Haben Täter des SED-Regimes ein Recht auf Schutz ihrer Persönlichkeit? Spielt es für die Dokumentation von Unrecht eine Rolle, ob die Klarnamen, auch von unteren Chargen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden?

Bis zur Ausstellungseröffnung in der Heimatstadt des IM hatte dieser sich nicht dafür interessiert, vermutlich wußte er nicht einmal, daß er in der Ausstellung auftaucht. Im Stasiunterlagengesetz (StUg) heißt es dazu: „Für die Forschung zum Zwecke der politischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes oder der Herrschaftsmechanismen der ehemaligen DDR sowie für Zwecke der politischen Bildung stellt der Bundesbeauftragte folgende Unterlagen zur Verfügung: „Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über: Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes, soweit es sich nicht um Tätigkeiten für den Staatssicherheitsdienst vor Vollendung des 18. Lebensjahres gehandelt hat.“ Allerdings schränkt der Gesetzestext ein: „Unterlagen mit personenbezogenen Informationen dürfen nur zur Verfügung gestellt werden, soweit durch deren Verwendung keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen der dort genannten Personen beeinträchtigt werden.“ Schuberts Anwalt Thomas Höllrich, er sitzt für die Linkspartei im Stadtparlament von Reichenbach, befürchtet ein „Pogrom“ gegen seinen Mandanten. Höllrich spricht von möglicher Lynchjustiz, räumt jedoch ein, daß es dazu in der Vergangenheit nicht kam. Der Firma der Frau seines Mandanten seien zwei Aufträge gekündigt worden, ob dies in direktem Zusammenhang mit der IM-Tätigkeit ihres Mannes zu tun hat, bleibt Mutmaßung, ist aber nicht auszuschließen.

Späte Rache der Verfolgten? Wohl kaum, denn die kennen den Namen des Mannes, der sie in  Schwierigkeiten brachte, einige von ihnen ins Gefängnis, schon lange aus ihren Stasiakten. Jeder Bürger, über den die Staatssicherheit Informationen gesammelt hatte, kann auch die Herausgabe der Klarnamen von Informanten und hauptamtlichen Stasi-Leuten beantragen. Für alle anderen dürften die Klarnamen von „irgendwelchen“ IM eher uninteressant sein. Der von IM Schubert ist schon lange im Internet recherchierbar. In der Freien Enzyklopädie „Wikipedia“ war bis vor wenigen Tagen zu erfahren, wer „Schubert“ war, mittlerweile ist der Beitrag gelöscht. Auch Fernsehsendungen wie das ARD-Magazin „Kontraste“ hatten recherchiert und den Namen im Umfeld der Berichterstattung über „Schuberts“ Vorgehen gegen die Ausstellung preisgegeben. War es vor Schuberts Rummel um seinen Namen noch umstritten, ob ein umfängliches Recht auf Persönlichkeitsschutz in der Öffentlichkeit besteht, so macht ihn die aktuelle Berichterstattung um den Vorgang erst Recht zu einer „Person des Zeitgeschehens“, für die nur begrenzt Schutzansprüche bestehen.

Anwalt Höllrich dürfte Gewinner in der Angelegenheit sein, denn es gab kaum eine Medienmeldung, in der er nicht zu Wort kam. Die Opfer des IM Schubert haben auch ihren Weg gefunden, um nicht als reine Verlierer dazustehen. In einem unbeantworteten Brief an „Schubert“ heißt es: „Nunmehr sorgst Du selbst dafür, Erinnerungen wachzurütteln: Wir entnehmen zwar der durch Deinen Anwalt erwirkten Einstweiligen Verfügung, daß Du nicht willst, daß wir uns an Dich erinnern. Doch das Gegenteil ist eingetreten: Viele erinnern sich jetzt wieder an Dich.“ Das vorläufig letzte Wort wird am 22. April gesprochen, dann wird das Gericht entscheiden.


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