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19.04.08 / Ein »Ungenügend« für Merkel / Die versprochene Rentenerhöhung ist zwar gerecht für die Senioren, wirft aber viele Probleme auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-08 vom 19. April 2008

Ein »Ungenügend« für Merkel
Die versprochene Rentenerhöhung ist zwar gerecht für die Senioren, wirft aber viele Probleme auf
von Rebecca Bellano

Wenn ich mir die Reformbilanz der Regierung Merkel heute ansehe, dann fällt mir nur ein Wort ein: ungenügend!“ Diese unerwartet harte Kritik erhielt Angela Merkel vor kurzem von Josef Schlarmann, dem Vorsitzenden der CDU / CSU-Mittelstandsvereinigung. Der Anlaß, der Josef Schlarmann zur einer derart scharfen Formulierung bewegte, war die von der Bundeskanzlerin und CDU-Chefin mit getragene beabsichtigte Rentenerhöhung von 1,1 Prozent. „Ich stehe 100prozentig hinter dieser Rentenerhöhung. Sie ist mit 1,1 Prozent nach drei Nullrunden wahrlich nicht überzogen, sondern verantwortbar“, so die Kanzlerin.

Angesichts der Tatsache, daß bei vielen der aktuell abgeschlossenen Tarifverhandlungen Lohnerhöhungen von je nach Branche fünf bis neun Prozent für die Arbeitnehmer erzielt wurden, erscheinen 1,1 Prozent für die Rentner nur mehr als gerecht. Diese Menschen haben ihr Leben lang gearbeitet und da sind die paar Euro pro Rentner mehr angesichts der derzeitigen Preiserhöhungen für Lebensmittel und Energie doch nur gerecht. Allerdings orientieren sich Rentenerhöhungen immer an der Lohnentwicklung des Vorjahres und da sah es für die Arbeitnehmer düster aus. Auch sie mußten schon Nullrunden hinnehmen.

Politik müsse sich „an Grundsätzen orientieren und berechenbar sein“ und dürfe nicht zur „Politik der Gefälligkeiten“ verkommen, klagt der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk. Die von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) in Abstimmung mit Angela Merkel in Aussicht gestellte Rentenerhöhung erfolgte ohne vorherige Absprache mit dem Kabinett. Dies ist insoweit selbstherrlich, weil bei dieser Erhöhung der schon zu Zeiten von Rot-Grün beschlossene Riester-Faktor für zwei Jahre außer Kraft gesetzt würde. Zwar sind die Altersbezüge weiter an die Lohnent-wicklung gekoppelt, doch der Riester-Faktor sieht vor, daß die jährliche Rentenanhebung um 0,6 Prozentpunkte niedriger ausfällt als der Anstieg der Nettolöhne im Vorjahr, um so die Folgen der immer älter werdenden Gesellschaft nicht nur auf die Schultern der Arbeitnehmer, sondern auch der Senioren zu verteilen. Nun will die Bundesregierung die Schultern der Alten vorerst entlasten, was die Jungen gut 20 Milliarden Euro kosten wird, denn da die geplante Rentenerhöhung dauerhaft gilt, erhöht sich so die Basisrente für alle folgenden Jahrzehnte.

„Ich fürchte, wir sehen gerade die Vorboten einer Rentnerdemokratie“, meldete sich der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog anläßlich der Debatte zu Wort. „Die Älteren werden immer mehr, und alle Parteien nehmen überproportional Rücksicht auf sie. Das könnte am Ende in die Richtung gehen, daß die Älteren die Jüngeren ausplündern.“

Hiervor warnen auch zahlreiche Unions-Politiker. Doch je näher der Termin der Abstimmung im Bundestag rückt, desto leiser werden ihre Stimmen. Zwar rumort es in den Reihen der CDU / CSU immer noch, da viele den für 2011 geplanten ausgeglichenen Haushalt dann für noch unrealistischer halten. Doch der Schuldenberg muß von den kommenden Generationen abgezahlt werden, und da diese bei den Wahlen immer weniger Gewicht haben, zählen sie nicht. Argumente, wie jene, daß immer weniger Beitragszahler für immer mehr Rentner aufkommen müssen und diese dann aufgrund einer längeren Lebenserwartung durchschnittlich 17 Jahre Rente beziehen – vor 30 Jahren waren es elf Jahre –, zählen nicht. Die Große Koalition verschiebt genau wie ihre Vorgänger-Regierungen das Rentenproblem in die Zukunft, in der mögliche Lösungen dann noch schmerzhafter werden, aber dann sind die jetzigen Machthaber ja nicht mehr im Amt. Hoffen sie jedenfalls, dabei wurde das Problem inzwischen so lange vor sich hergeschoben, daß die ersten Auswirkungen schon bald zum Tragen kommen.

Bis jetzt haben sich nur die unter 40jährigen davor gefürchtet, daß für sie bei ihrem Renteneintritt im Alter von 67 Jahren nur noch eine Grundsicherung übrigbleiben wird. Eine aktuelle Studie hat aber ergeben, daß nun vor ihnen schon andere in den zweifelhaften Genuß dieser Grundsicherung kommen werden.

Vor allem viele Bewohner der neuen Bundesländer haben aufgrund langer Arbeitslosigkeit kaum ausreichende Versorgungsansprüche erwerben können. Auch sogenannte Mini-Jobber und Menschen mit einem Stundenlohn unter 7,50 Euro hatten kaum die Möglichkeit, gesetzliche Rentenansprüche im ausreichenden Maß zu erlangen geschwiege denn, privat vorzusorgen.

Die Analyse des Finanzministers von Sachsen-Anhalt, Jens Bullerjahn, und des Sozialministers von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, hat ergeben, daß die Durchschnittsrente der in den Jahren 1957 bis 1961 geborenen Männer bei 820 Euro liegen wird. Zum Vergleich: Männer, die zwischen 1942 und 1946 geboren sind, würden 967 Euro erhalten. Für Frauen ergab die Analyse einen Rückgang von 820 auf 690 Euro.

Die Devise „Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben“, die die Kriegsgeneration am eigenen Leib erfahren hat, erlebt also in nicht allzu ferner Zukunft eine unerfreuliche Neuauflage.

Foto: „Ich stehe 100prozentig hinter der Rentenerhöhung“: Angela Merkel setzt sich für die Senioren ein.


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