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19.04.08 / Humanität im Krieg ist möglich / Bis zur Kapitulation behandelten die Westalliierten gefangene Wehrmachtsangehörige korrekt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-08 vom 19. April 2008

Humanität im Krieg ist möglich
Bis zur Kapitulation behandelten die Westalliierten gefangene Wehrmachtsangehörige korrekt
von Hans-Joachim von Leesen

In heutigen Darstellungen des Zweiten Weltkrieges vermißt man weitgehend die Hinweise, daß der Krieg – vor allem dort, wo sich Gegner mit annähernd gleichen Wertvorstellungen gegenüberstanden – überwiegend ritterlich und nach den Grundsätzen des internationalen Kriegsvölkerrechts geführt wurde. So ist es den allermeisten unbekannt, daß zwischen dem Deutschen Reich auf der einen sowie Großbritannien und den USA auf der anderen Seite in bemerkenswertem Umfang schwerverwundete Kriegsgefangene ausgetauscht wurden. Die juristische Grundlage war die sowohl vom Vereinigten Königreich als auch von der Weimarer Republik, nicht jedoch von der Sowjetunion unterzeichnete Genfer Konvention aus dem Jahre 1929 über die Behandlung von Kriegsgefangenen. Die vereinbarten Regeln beruhten auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Darüber hinaus hatten das Deutsche Reich und Großbritannien nach Kriegsausbruch 1939 zusätzliche Vereinbarungen getroffen, die unter anderem festlegten, gemäß welchem Wechselkurs die Soldaten in ausländischer Gefangenschaft zu besolden seien und welchen Umfang der Postverkehr zwischen den Gefangenen und ihren Angehörigen in der Heimat haben sollte.

Die Einhaltung der Regeln oblag den Schutzmächten. Unter Schutzmächten versteht man Staaten, die nach dem Ausbruch eines Krieges von den kriegführenden Parteien mit deren Interessenvertretung betraut werden, da die Kriegführenden keine diplomatischen Vertretungen mehr unterhielten. In Großbritannien war die Schutzmacht des Deutschen Reiches die neutrale Schweiz, die auch in Deutschland als Schutzmacht Großbritanniens fungierte. Sie entsandte beispielsweise Delegierte in Kriegsgefangenenlager und stellte Mediziner zur Verfügung, die über eine vorzeitige Entlassung und über den Heimtrans­port von schwerkranken oder schwerverwundeten Kriegsgefangenen zu entscheiden hatten. Diese humanitären Regelungen funktionierten zwischen Großbritannien und den USA sowie dem Deutschen Reich bis zum 8. Mai 1945 im großen und ganzen gut. Stellten die Delegierten bei ihren Kontrollen der Kriegsgefangenenlager Mängel fest, drangen sie auf deren Beseitigung oder meldeten sie weiter an das Land, aus dem die Gefangenen stammten. Das konnte dann gegebenenfalls Sanktionen oder sogar Repressalien verhängen. So lag es im Interesse beider kriegführenden Seiten, das Völkerrecht einzuhalten.

Die vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes sowie von den Schutzmächten zusammengestellte Ärztekommission prüfte sowohl in Großbritannien beziehungsweise den USA als auch im Deutschen Reich, welche Gefangenen die Voraussetzungen für einen Austausch erfüllten. In der Genfer Konvention war vorgesehen, daß Schwerverwundete und Schwerkranke zusammen mit in den Gefangenenlagern nicht mehr benötigtem Ärzten und Sanitätern im Verhältnis eins zu eins ausgetauscht werden. Da in den ersten Kriegsjahren die Westmächte nur über wenige deutsche Gefangene verfügten, kam erst 1943 die erste Austauschaktion zustande. Zunächst ging es um die Auswahl der auszutauschenden Soldaten. Es gab eine Mustervereinbarung zwischen dem Deutschen Reich und Großbritannien, in der 19 Verwundungsarten aufgeführt waren, die einen Kriegsgefangenen zur vorzeitigen Heimkehr berechtigen sollten. Ob solche Voraussetzungen zutrafen, darüber entschied die internationale Ärztekommission. Im September wurden Listen der Auszutauschenden zusammengestellt und Schiffe für den Heimtransport bestimmt. Im schwedischen Göteborg und im spanischen Barcelona sollte der Austausch stattfinden. Man legte gemeinsam die Schiffsrouten fest. Durch Funk sollte ständig Verbindung mit den Austauschschiffen gehalten werden, um sie sicher an ihre Ziele zu bringen.

Am 18. Oktober 1943 wurde endlich gemeldet, zwei deutsche Lazarettschiffe hätten in Barcelona 3876, in Göteborg 831 deutsche Schwerverwundete, Sanitäter und vormals internierte Seeleute der Handelsmarine übernommen, um sie in die Heimat zu bringen. Gleichzeitig seien in Göteborg 4344 britische Schwerverwundete, Sanitäter und Seeleute der Handelsmarine ihrem Heimatland übergeben worden. Die Lazarettschiffe waren deutlich gekennzeichnet und wurden nachts beleuchtet.

In Göteborg wurden die deutschen Schwerverwundeten von einer Delegation des schwedischen Roten Kreuzes, an der Spitze die schwedische Kronprinzessin, begrüßt. Der deutsche Gesandte in Stockholm übermittelte die ersten Grüße der Heimat. Ergriffen sangen die heimgekehrten Verwundeten die deutsche Nationalhymne. Sodann brachten die Lazarettschiffe „Meteor“ und „Rügen“ die Verwundeten, überwiegend Angehörige der Luftwaffe und der Kriegsmarine, nach Stettin, wo sie am 23. Oktober 1943 eintrafen.

Der Empfang, den die Heimat ihren schwerverwundeten Soldaten bereitete, war nach Aussagen mehrerer Beteiligter überwältigend. Tausende Stettiner säumten die Hafenmole, als die Schiffe einliefen. Eine Ehrenkompanie der Wehrmacht salutierte vor den die Schiffe verlassenden verwundeten Kameraden, die teilweise in Rollstühlen und auf Tragen an Land gebracht wurden. Hochrangige Vertreter des Staates begrüßten die Soldaten ebenso wie Hunderte von BDM-Mädchen, welche die Verwundeten mit Blumen überschütteten. Jeder Ausgetauschte bekam einen „Freßkorb“. Die Schwerverwundeten wurden sogleich in Spezialkrankenhäuser und Lazarette eingewiesen, um weiterbehandelt zu werden. Die übrigen erhielten vier Wochen Heimaturlaub.

Kurz darauf wurden weitere 1061 deutsche und 1083 britische Verwundete über Barcelona ausgetauscht. Im selben Jahr konnten noch einmal 90 deutsche Zivilinternierte und 700 deutsche verwundete Kriegsgefangene gegen 900 Briten und Amerikaner ausgetauscht werden. Der vermutlich letzte Transport kam aus den USA. Am 29. Dezember 1944 verließ ein US-amerikanisches Rot-Kreuz-Schiff mit vielen hundert schwerverwundeten deutschen Soldaten New York. Durch die Straße von Gibraltar erreichte das Schiff, weiß gestrichen und mit großen roten Kreuzen versehen, nachts angestrahlt, das Mittelmeer. Es landete in Marseille, wo die Verwundeten in die Eisenbahn umgeladen wurden, die sie zur Schweizer Grenze brachte. Dort wurden sie in Wagen der Schweizer Gebirgsbahn mehr recht als schlecht untergebracht, begleitet von überwiegend hämischen Bemerkungen der bewachenden Schweizer Soldaten. In der Schweiz lebende Deutsche, Angehörige der Auslandsorganisation der NSDAP, versorgten sie unterwegs mit Liebesgaben. In den ersten Januartagen erreichte der Zug Konstanz, wo er den Zügen mit den auszutauschenden britischen, kanadischen und US-amerikanischen Soldaten begegnete. Man grüßte sich kameradschaftlich und tauschte Zigaretten aus – den Deutschen schmeckten die damals in Deutschland üblichen Zigaretten aus Orienttabaken besser als die aus den USA mitgebrachten aus Virginiatabak – und natürlich umgekehrt ebenso. In Konstanz fand genau wie in Stettin die herzliche Begrüßung durch die Heimat statt. Eine Ehrenkompanie war angetreten. Ein Musikkorps spielte, Jungmädchen des Bundes Deutscher Mädchen verteilten Liebesgaben. Die Bevölkerung jubelte ihren Verwundeten zu. Der Zug brachte dann die Verwundeten nach Traunstein, wo sie ausgeladen wurden. Sie wurden neu eingekleidet und nach bayerischer Manier nicht ohne Bier verpflegt, um dann in die heimatlichen Lazarette entlassen zu werden.

Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß die völkerrechtlich korrekte Behandlung der deutschen Kriegsgefangenen schlagartig mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht ein Ende hatte. Da die USA und Großbritannien nicht mehr mit der Gegenseitigkeit rechnen mußten, schoben sie alle rechtlichen Regelungen, die zum Schutze der Kriegsgefangenen vereinbart waren, beiseite. Den Gefangenen wurde der Kriegsgefangenenstatus abgesprochen; sie galten nun als „entwaffnete feindliche Soldaten“, die keinen Anspruch auf den völkerrechtlich zugesagten Schutz genossen. Demzufolge gab man beispielweise den auf den Rheinwiesen zu Zigtausenden zusammengezogenen Gefangenen keine angemessenen Unterkünfte, nur mangelhaftes Essen und häufig nichts zu trinken, so daß sie zu Tausenden starben. Man setzte deutsche Gefangene völkerrechtswidrig zum Minenräumen ein, wobei viele den Tod fanden. Das Deutsche Reich war nicht mehr in der Lage, seine gefangenen Soldaten zu schützen.

Der kleine Ausschnitt aus der Geschichte des Zweiten Weltkrieges zeigt, daß auch der moderne Krieg Möglichkeiten bietet zu humanitären Maßnahmen – aber nur unter der Voraussetzung, daß beide Seiten bereit sind, sich ehrenhaft zu verhalten. Sind diese Voraussetzungen nicht vorhanden, dann entartet der Krieg, wie es nicht nur die Sowjetunion während des Zweiten Weltkrieges unter Beweis stellte, sondern wie es auch zahlreiche Kriege, die seitdem geführt worden sind, bewiesen haben und noch beweisen.

Fotos: Angelsächsische Soldaten in deutscher Kriegefangenschaft: Sie wurden in der Regel korrekt behandelt, und solange es sie gab, galt gleiches für Wehrmachtsangehörige in anglo-amerikanischer Gefangenschaft; Ein in westalliierter Kriegsgefangenschaft gestorbener Wehrmachtsangehöriger wird von seinen Kameraden zu Grabe getragen: Er ist eines der zahllosen Opfer der Praxis der Westalliierten nach dem Sieg, „entwaffnete feindliche Soldaten“ zum Minenräumen einzusetzen.


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