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26.04.08 / Das Mahnmal bröckelt / Holocaust-Stelen nach wenigen Jahren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-08 vom 26. April 2008

Das Mahnmal bröckelt
Holocaust-Stelen nach wenigen Jahren von Rissen zerfurcht: Wer zahlt die Reparatur?
von Markus Schleusener

Judith und Walter Hersh aus Wyoming wundern sich schon ein bißchen über die vielen Risse. Die beiden Berlin-Touristen haben gehört, daß das Holocaust-Mahnmal am Potsdamer Platz in Berlin „ganz neu“ sein solle. Wie kommt es dann, daß die Betonstelen so kaputt sind? „Amazing“, murmelt die Amerikanerin. Erstaunlich.

Auch die Experten rätseln. Die Risse an den Betonstelen der gigantischen Anlage neben dem Brandenburger Tor kämen durch den hohen Temperaturunterschied zustande, lautet ihre Erklärung. Zwischen der Sonnen- und Schattenseite sei dieser so groß, daß es Materialspannungen gebe, die an den meisten Stelen diese Risse verursacht haben.

Offiziell wurden sie im vergangenen Sommer festgestellt. Aufmerksame Besucher hatten die ersten Risse jedoch schon Monate vorher bemerkt. Etwa 1900 der 2711 Betonkuben sollen mittlerweile brüchig sein.

Es gibt kleine, haarfeine Risse in den innen hohlen Betonstelen, aber auch große. Letztere sind mehrere Millimeter breit. Manchmal fehlt auch schon ein Stückchen. Eines aber haben sie alle gemeinsam: Sie verlaufen immer in der Mitte parallel zur langen Seiten des Vierecks.

Die 50 desolatesten Objekte werden jetzt repariert. Öffentlichkeitswirksam wurden in der zweiten Aprilwoche blaue Planen aufgezogen, um die Stelen vor weiteren Beschädigungen – insbesondere vor einsickerndem Wasser – zu schützen. Wenn es noch einmal Frost geben sollte (so wie in Bayern in der vergangenen Woche), dann könnte gefrierende Nässe noch stärkere Schäden anrichten, so die Vermutung der Denkmalleitung. Merkwürdigerweise waren die Planen nach einer Woche wieder verschwunden, obwohl es weiterhin sehr regnerisch war.

Die Sanierung der riesigen Betonquader soll mit einem Spezialharz erfolgen, das in die Risse gespritzt wird. Eine Methode, die indes nur bei kleineren Schäden erfolgversprechend ist. Und selbst wenn es klappt – es hört sich ziemlich nach Flickwerk an, was jetzt getan wird, um die Schäden zu beseitigen.

Wie konnte es dazu kommen, daß bei einem Prestigeprojekt dieser Größe (Kosten für den Steuerzahler: 27 Millionen Euro) solche Fehler unterlaufen? Über zehn Jahre haben alleine die Vorbereitungen gedauert, bis im Jahr 2000 der erste symbolische Spatenstich erfolgen konnte. Fünf Jahre vergingen bis zur Einweihung. Und jetzt kostet das Mahnmal noch einmal zwei Millionen – pro Jahr. Und trotzdem geht es kaputt.

Vor fünf Jahren kam der Bau ins Stocken, weil sich herausstellte, daß eine Tochterfirma der Degussa AG mit der Herstellung eines Anti-Graffiti-Schutzmittels beauftragt worden war. Eine Degussa-Tochter habe im Zweiten Weltkrieg Zyklon B hergestellt, empörten sich Kritiker. Die Mahnmalinitiatorin Lea Rosh wollte daraufhin Degussa als Lieferanten verhindern. Dann kam heraus, daß die Essener Firma auch noch Bestandteile für den Beton geliefert hatte. Alle bereits aufgestellten Stelen hätten dann also abgeräumt werden müssen. Das ging dem Denkmalverein dann doch zu weit. Er folgte Frau Rosh nicht mehr in ihrem Feldzug gegen Degussa, sondern arbeitete auch auf Druck des Architekten Peter Eisenman weiter mit den Essenern zusammen.

Rückblickend betrachtet stellt sich die Frage, wieso sich die Organisatoren mit solchen Detailfragen beschäftigt haben – statt sich um das richtige Material zu kümmern. Es muß doch möglich sein, Beton zu verwenden, der nach drei Jahren noch nicht rissig ist. Die ganze Angelegenheit ist jedenfalls weder für die Firma noch für den Verein ein Gütesiegel.

Die ersten 50 Stelen werden jetzt „verarztet“. Wenn klar ist, ob diese Therapie etwas taugt, dann sollen alle Schäden auf diese Art behoben werden. Die Kosten in Höhe von mindestens 100000 Euro übernimmt die Baufirma Hermann Geithner Söhne GmbH und Co. KG. Sie hatte die Stelen errichtet.

Auch für die weiteren Kosten wird die Firma aufkommen müssen. So sieht es jedenfalls Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Der CDU-Politiker ist auch Vorsitzender des Stiftungsvorstandes und Mitglied des Kuratoriums des Mahnmalvereins.

Er gibt sich zuversichtlich, daß der deutsche Steuerzahler von weiteren Kosten verschont bleiben wird: „Die Stiftung ist dabei, die Haftungsfragen zu klären. Sie ist der aus meiner Sicht berechtigten Auffassung, daß die verantwortliche Baufirma in Regreß zu nehmen ist.“

Foto: Schutzhauben sollen den Verfall bremsen: Sorgenkind Holocaust-Mahnmal


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