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26.04.08 / Die Verharmlosung geht weiter / ARD sendete Liebes-Schmonzette im Stasi-Gefängnis und relativiert das DDR-Regime

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-08 vom 26. April 2008

Die Verharmlosung geht weiter
ARD sendete Liebes-Schmonzette im Stasi-Gefängnis und relativiert das DDR-Regime
von Jörg B. Bilke

Wer sich am 16. April im Fernsehen über das Walten und Wirken der „Staatssicherheit“ im SED-Staat 1949/1989 unterrichten wollte, konnte zunächst im ARD-Programm den vom „Mitteldeutschen Fernsehen“ in Leipzig produzierten Spielfilm „12 heißt: Ich liebe dich“ einschalten und sich die ergreifende Geschichte des „guten Menschen vom MfS“ erzählen lassen oder aber anderthalb Stunden später Bettina Renners Dokumentation „In den Fängen der Stasi“ sehen, die knallharte Fakten bot über die menschenverachtenden Praktiken einer kriminellen Organisation.

Die Spielfilmhandlung setzt 1984 ein, als die junge Frau Bettina und ihr Ehemann Bernd in Dresden wegen „staatsfeindlicher Verbindungsaufnahme“ zu einer linken Menschenrechtsgruppe in West-Berlin verhaftet werden. Bettina wird zu mehr als drei Jahren Zuchthaus verurteilt, die sie bis zum letzten Tag im Frauengefängnis Hoheneck im Erzgebirge verbringt, bevor sie in ihre Heimatstadt Dresden zurückkehrt, ohne von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft worden zu sein.

Im Jahr 1997, als sie ihren früheren Vernehmungsoffizier Jan per Telefonbuch sucht und findet, arbeitet sie als sachkundige Führerin durch das Dresdner Bezirksuntersuchungsgefängnis der „Staatssicherheit“, wo sie acht Monate lang vernommen worden war. Ihr Vernehmer, der 1984 Hauptmann war und 1989 als Major beim MfS ausgeschieden ist, arbeitet jetzt in Dresden als Buchhalter in einem Logistikunternehmen. Im Jahr 2006 sollen Bettina und Jan, so steht es in dem Buch von Regina Kaiser und Uwe Karlstedt, geheiratet haben.

Der Film und auch das Buch, das angeblich auf einem authentischen Vorfall beruht, stecken voller Widersprüche und Ungereimtheiten.

Wer selbst Erfahrungen mit dem „Untersuchungsorgan Staatssicherheit“ gemacht hat, wird sich fragen müssen, warum er nie bemerkt hat, daß das eigentlich ein ganz „humanitärer Verein“ war!

Der Vernehmer Jan, von dem man nicht weiß, wie er an die „Staatssicherheit“ geraten ist, tritt als netter, lieber Junge mit einem reinen Unschuldsgesicht auf, dem man nichts Böses zutraut: Der Traummann aller Schwiegermütter!

Die Wirklichkeit sah ganz anders aus: Offiziere und Wachmannschaften der „Staatssicherheit“ verrichteten ihren Dienst immer in Uniform. Sie saßen bereits am Schreibtisch, wenn der Untersuchungshäftling vom „Läufer“ hereingeführt wurde, nicht umgekehrt, wie in diesem Film.

Der Häftling saß nicht neben dem Vernehmer am Tisch, sondern auf einem Hocker, drei Meter vom Tisch entfernt. Der Hocker war am Boden festgenietet, damit er nicht als Wurfgeschoß benutzt werden konnte. Der Vernehmer brachte auch niemals einen Häftling, dem schlecht geworden war, fürsorglich zurück in die Zelle, dafür war der „Läufer“ zuständig. Und auch das Vernehmungsprotokoll wurde nicht eigenhändig vom vernehmenden Offizier auf der Schreibmaschine geschrieben, das wäre Zeitverschwendung gewesen, das besorgten die Sekretärinnen bis zum nächsten Morgen.

Niemals drehte der Vernehmer dem Häftling den Rücken zu und verließ zuerst den Raum wie in diesem Film. Und vor allem: Kein Häftling kannte den Namen des Vernehmungsoffiziers.

Der meldete sich am Telefon, wenn er während des Verhörs angerufen wurde, immer mit einer Nummer, meiner in Leipzig immer mit „3/5“, was „dritter Stock, fünftes Zimmer“ hieß. Seinen Klarnamen habe ich erst 1993 in meiner Akte gefunden.

Und dann die Knutschszene im Vernehmungszimmer bei unverschlossener Tür. Hauptmann Jan, der Bettina für drei Jahre nach Hoheneck bringt, fragt die vor ihm sitzende „Staatsfeindin“, ob sie sich vorstellen könne, ihn zu lieben. Und dann sitzen sie einander gegenüber am Tisch, küssen und streicheln sich. Jedem, der bei der Stasi gesessen hat, muß sich beim Anblick dieser wirklichkeitsfremden Szene der Magen umdrehen.

Nichts an diesem Film stimmt. Geläuterte MfS-Offiziere gab es nicht, jedenfalls nicht vor dem Mauerfall. In der Wirklichkeit wurden verhaftete Ehepaare gegeneinander ausgespielt, indem jedem Partner eingeredet wurde, der andere hätte außereheliche Beziehungen. Da wurden Müttern Tonbandaufnahmen mit dem Stimmen ihrer schreienden Kinder vorgespielt, da wurden in konspirativen Wohnungen, Erich Loest hat ein Hörspiel darüber geschrieben, Frauen von MfS-Offizieren vergewaltigt.

Dieser Film ist eine seichte Schmonzette ohne Wirklichkeitsbezug, der lediglich dazu dient, die menschenfeindlichen Aktivitäten der „Staatssicherheit“ zu verharmlosen. Die halbstündige Dokumentation danach, die nur auf Druck der Häftlingsverbände ausgestrahlt wurde, war bedeutend wirklichkeitsnäher!

Foto: Verharmlosender Spielfilm in der ARD: Bettina (Claudia Michelsen) wird von Mitarbeitern der Staatssicherheit ins Gefängnis gebracht.


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