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26.04.08 / Carla del Ponte packt aus / Ehemalige Haager Chefanklägerin klagt das Establishment an

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-08 vom 26. April 2008

Carla del Ponte packt aus
Ehemalige Haager Chefanklägerin klagt das Establishment an
von Wolf Oschlies

Wen wundert es, daß Diplomaten, Generäle, Beamte, die einmal im Kosovo tätig waren, oft erst nach Jobwechsel oder Pensionierung ihre ehrliche Meinung über die dortigen Zustände aussprechen – verschärft durch den lange aufgestauten Groll über verordnete Maulkörbe. Dann kommt Klartext heraus, etwa in Buch „La caccia – Io e i criminali di guerra“ („Die Jagd – Ich und die Kriegsverbrecher“), das dieser Tage in Italien und der Schweiz in den Handel gelangt.   

Verfaßt hat das 412seitige Werk die Schweizerin Carla del Ponte, die von September 1999 bis zum 31. Dezember 2007 Chefanklägerin des Haager Kriegsverbrecher-Tribunals (ICTY) war. Frau del Ponte war eine umstrittene Juristin: eitel, stur, rasch bei Anklagen, bürokratisch umständlich bei der Prozeßführung, politisch erpreßbar.

Seit Jahresbeginn 2008 amtiert sie als Schweizer Botschafterin in Argentinien und ihr jetziges Buch hat im Berner Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten alle Alarmglocken schrillen lassen. In Mailand ereilte Carla del Ponte ein Redeverbot der Schweizer Regierung. Die Begründung lieferte der Berner Pressesprecher Jeannerat: Del Pontes Buch „enthält Passagen, die für einen Vertreter der Schweiz unzulässig sind“. War del Ponte als „Vertreter der Schweiz“ in Den Haag?

„Sicher hätte ich meine Arbeit besser machen können“, schreibt sie und beklagt die „Gummiwände“, auf die sie überall stieß: In den USA, Frankreich und England war sie „persona non grata“, der Vatikan verweigerte ihr über seinen Außenminister Giovanni Lajolo jegliche Hilfe, desgleichen CIA-Chef George Tenet, der ihr ins Gesicht sagte: „Deine Ansichten sind mir scheißegal.“ Serbien und Kroatien blockierten sie und im Kosovo sorgte die UCK dafür, daß sie keine Zeugen für Verbrechen und Verbrecher fand. Wie zum Hohn sprach das Haager Tribunal Ramush Haradinaj frei, den vermutlich schlimmsten Verbrecher aus UCK-Reihen. 

„Serben sind Hurensöhne, Kroaten sind niederträchtige Hurensöhne“, zitiert del Ponte einen kanadischen Tribunalskollegen in ihrem Buch, und weil sie auch generell kein Blatt vor den Mund nahm, hat sie derzeit ungezählte Politiker aus Westeuropa und dem Balkan gegen sich. Es ist das Wehgeschrei von Ertappten – in diversen Außenministerien, wo man die Suche nach Kriegsverbrechern wie den Serben Karadzic und Mladic verhinderte, im Vatikan, der den Kroaten half, den Kriegsverbrecher General Ante Gotovina zu verbergen. Und vor allem im Kosovo, dessen Spitzenpolitiker Hashim Thaci del Ponte eines unglaublichen Verbrechens beschuldigte. Im Sommer 1999 bekam Carla del Ponte Informationen, daß im nordalbanischen Ort Burell im Auftrag Thacis eine Spezialklinik arbeitete, wo mindestens 300 junge Serben und Roma getötet worden waren, deren Organe die UCK über ein Netz von Helfern an Kliniken in Westeuropa verkaufte. Die UN-Verwaltung des Kosovo unter den Franzosen Bernard Kouchner verhinderte damals Untersuchungen des Tribunals, das erst 2003 den Ort besuchen konnte, dort auch Spuren der Verbrechen fand, aber keine Zeugen auftrieb. Jetzt soll das anders werden: Gestützt auf del Pontes Buch verlangte das russische Außenministerium Aufklärung vom Haag, während beim Belgrader Bezirksgericht Ende März eine gerichtliche Untersuchung begonnen hat.


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