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26.04.08 / Alte Liebe und junge Sticheleien / Österreich und Ungarn sind einander nach der Wende nicht unbedingt näher gekommen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-08 vom 26. April 2008

Alte Liebe und junge Sticheleien
Österreich und Ungarn sind einander nach der Wende nicht unbedingt näher gekommen
von R. G. Kerschhofer

Die Zeiten, da Österreich und Ungarn durch einen Bindestrich verbunden beziehungsweise getrennt waren, sind zwar lange vorbei, doch sie haben bis heute ihre Nachwirkungen. Die wechselseitig hohen Sympathiewerte können nicht darüber hinwegtäuschen, daß Österreicher die Ungarn oft als nicht ganz seriös einstufen und daß die an sich äußerst selbstkritischen Ungarn bei Kritik von außen ziemlich empfindlich sind, vor allem aber nicht „die Zweiten“ sein wollen.

Es ist daher verständlich, daß bei der gemeinsamen Regierungssitzung der beiden Länder Ende November in Budapest – der zweiten ihrer Art, die erste hatte ein Jahr davor in Wien stattgefunden – die harten Nüsse gar nicht erst angefaßt wurden. Die Sitzung hatte auch deswegen einen eher operettenhaften Charakter, weil sie in jenem Saal des Budapester Parlamentsgebäudes stattfand, wo einst über die gemeinsame Außen-, Finanz- und Militärpolitik der Doppelmonarchie debattiert wurde. Ein gemütlicher Betriebsausflug also.

Als demütigend empfinden die Ungarn, daß Österreich den Assistenzeinsatz des Bundesheeres an der Ostgrenze auch nach Erweiterung des Schengen-Raumes Ende vorigen Jahres beibehalten hat. Dieser Einsatz war nach dem Ende des Eisernen Vorhanges eingeführt worden, um Gendarmerie und Grenzwache bei der Verhinderung illegaler Grenzübertritte zu unterstützen – ein für Rekruten oft emotional belastender Einsatz, der sogar zu Selbstmorden führte.

Da die Landesregierungen Niederösterreichs und des Burgenlands mit Blick auf Lokalwahlen auf Beibehaltung des Einsatzes bestanden, kam eine Kompromiß-Lösung zustande, die durchaus an „Kakanien“ (von „k.k.“ – „kaiserlich-königlich“) erinnert: Die Soldaten wurden ein paar Kilometer zurückverlegt, haben dort aber keine exekutiven Befugnisse mehr.

Nun entfallen zwar die Kontrollen an Grenzübergängen, aber abgesehen davon, daß sie während der Fußball-EM wieder vollumfänglich gelten werden, und abgesehen von der Schleierfahndung gibt es andere Irritationen: Die noch aus alter Zeit stammenden Lokalstraßen – das Burgenland war bis 1918 ein Teil Ungarns – sind an der früheren Grenze in einem erbärmlichen Zustand, und manche burgenländische Bürgermeister haben obendrein Fahrverbotstafeln aufstellen lassen.

Zum Thema Grenzüberwachung gehören auch technische Kontrollen an Fahrzeugen aus dem Osten. Da werden von der österreichischen Polizei immer wieder wahre Schrottmühlen aus dem Verkehr gezogen, darunter auch ungarische. Eine typisch „kakanische“ Reaktion: Die ungarische Polizei kontrolliert die Prüfplaketten österreichischer Fahrzeuge und verweigert die Weiterfahrt, wenn der jeweils von der Erstzulassung berechnete Stichtag vorbei ist. Dies obwohl die Plaketten in Österreich bis vier Monate nach dem Stichtag gültig sind.

Für teils begründeten, teils weniger begründeten Ärger sorgt auch die „Umwelt“. Einig waren sich einst österreichische und ungarische Umweltschützer bei der Verhinderung des Donau-Kraftwerks Nagymaros, wo sie einen für Ungarn, für Österreich und für die Donau-Schiffahrt kostspieligen Sieg errangen. Derzeit sind sie eifrig unterwegs gegen eine in der burgenländischen Gemeinde Heiligenkreuz geplante Müllverbrennungsanlage. Sie würde angeblich ungarische Heilbäder gefährden.

Ein Art Katz-und-Maus-Spiel gibt es auch um Abwässer auf der Raab, einem in der Steiermark entspringenden Nebenfluß der Donau. Experten stehen gegen Experten, und auch wenn zwei Lederfabriken längst strenge Auflagen befolgen, kommt es immer wieder zu Schaumbildung – und die Ungarn schäumen.

Die härteste Nuß ist derzeit wohl die von dem österreichischen Erdöl- und Erdgaskonzern OMV angestrebte Übernahme des ungarischen Konkurrenten MOL. Während bei Klein- und Mittelbetrieben Zusammenschlüsse und Übernahmen problemlos über die Bühne gehen und durchwegs Vorteile für ungarische Arbeitnehmer bringen, steht im Fall OMV-MOL für die Ungarn einiges an nationalem Prestige auf dem Spiel. Oder zumindest versucht die unpopuläre ungarische Regierung mit der nationalen Karte von ihren Problemen abzulenken. Das eigentlich Betrübliche daran: In dieser bilateralen Angelegenheit werden EU-Wettbewerbshüter das letzte Wort haben – wenn nicht vielleicht gar ein russischer Oligarch zugunsten der Ungarn eingreift.


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