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26.04.08 / RAF und kein Ende / Ehemaliger Terrorist kommt aus der Haft und trifft auf alte Freunde

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-08 vom 26. April 2008

RAF und kein Ende
Ehemaliger Terrorist kommt aus der Haft und trifft auf alte Freunde

Es ist selten, einen Roman zu lesen, bei dem der Autor sich eines Themas annimmt, das vor ihm noch keiner bearbeitet hat. Der deutsche Autor Bernhard Schlink hat ein hochaktuelles Thema entdeckt, das rein aus Zeitgründen noch keiner vor ihm hat bearbeiten können.

Was wäre, wenn der Terrorist Christian Klar aus dem Gefängnis freikommt? Wie sehen seine erste Tage in Freiheit aus, wie ist seine Einstellung zum Leben? Schlinks Terrorist heißt zwar nicht Christian, sondern Jörg, doch Parallelen sind vorhanden. Allerdings ist der RAF-Terrorist aus dem Roman schon früh Waise geworden und von seiner älteren Schwester Christiane aufgezogen worden. Diese holt den fast 60jährigen nach über 20 Jahren Haft aus dem Gefängnis ab und fährt mit ihm sofort in einen alten Gutshof in Mecklenburg, um dort weit weg von jeder Art von Presserummel zu sein. Damit der ehemalige Häftling sich wohl fühlt, hat die ältere Schwester mehrere Freunde aus alter Zeit eingeladen. Alle waren einst Anhänger der linksextremen Ideologie, doch während sie nur debattierten, wandte sich Jörg von ihnen ab, um seinen „Kampf“ gegen den Staat zu führen.

Im Magazin „Spiegel“ ist Bernhard Schlinks neuer Roman „Das Wochenende“ nicht gut weggekommen. Man wirft dem Autor vor, zu sehr in Klischees zu verfallen. Konservative Kreise hingegen dürften sich bei den zahlreichen Seitenhieben auf Linksideologen und Linksextremisten ins Fäustchen lachen. So wird im Roman überlegt, ob Jörg als Bühnenbildner einen Job beim Theater bekommen könnte. Ähnliches war für Christian Klar angedacht. Auch haben die ehemaligen Freunde des Terroristen im Roman ähnliche Berufswege gewählt wie die des echten Terroristen Klar. Eine Lehrerin, ein linker Journalist, ein Anwalt, eine Pastorin und ein Zahntechniker. Letzter jedoch hat sich schon früh von der Gruppe abgewandt und stellt daher jetzt auch eine Menge unangenehme Fragen. Wie es denn im Gefängnis gewesen sei und welches Gefühl Jörg bei den Morden gehabt habe, all das will Ulrich wissen und stößt auf blankes Entsetzen. Wie man denn so was fragen könne, der arme Jörg, so die anderen. Doch Ulrich läßt nicht locker. „Ihr tut, als hätte Jörg einen Aussatz, über den man nicht reden darf. Warum soll ich ihn nicht nach seinem Leben fragen? Er hat es sich ausgesucht.“

Christianes Vorstellung vom netten Beisammensein erweist sich als Trugschluß. Die Spannungen in der Gruppe werden immer größer und bald wird offenbar, daß es noch offene Rechnungen gibt. Wer hat Jörg damals an die Polizei verraten? Diese Frage ist bis heute ungeklärt. Auch stößt Jörg immer wieder auf den Unwillen seiner Gäste, wenn er seine ideologisch völlig verdrehte Weltsicht kundtut. Schuldgefühle bezüglich der vier Opfer seiner Taten hat er nicht, sie seien eben „Kollateralschäden“ im Krieg gegen den Staat gewesen. Bei derartigen Aussagen fehlt selbst der Pastorin jegliches Verständnis.

Bernhard Schlinks Kammerspiel liest sich äußerst spannend. Die inzwischen bürgerlich gewordenen Freunde können ihr Befremden über den ehemaligen Freund nicht überwinden. Ein angereister junger Linksaktivist, der Jörg schon im Gefängnis besucht hat, versucht ihn nun für seine Ziele als Zugpferd einzuspannen. Außerdem taucht noch der Sohn des Terroristen auf und ist voller Vorwürfe und voller Mitleid für die Familien der Opfer.

Leider überfrachtet der Autor den Roman ein wenig, da er noch einen extra Handlungsstrang um die Lehrerin und eine Dreiecksgeschichte zwischen Christiane, Jörg und dem linken Journalisten einbaut. Außerdem ist das Ende zu versöhnlich geraten. Doch das sind nur kleine Wermutstropfen bei einem sonst kurzweiligen und hochaktuellen Lesestoff.            R. Bellano

Bernhard Schlink: „Das Wochen-ende“, Diogenes, Zürich 2008, geb., 224 Seiten, 18,90 Euro


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