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26.04.08 / Es grünt so grün in Donegal / Wandern zwischen den »Tränen Gottes« in Nordwest-Irland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-08 vom 26. April 2008

Es grünt so grün in Donegal
Wandern zwischen den »Tränen Gottes« in Nordwest-Irland
von Cornelia Höhling

Die Bewohner von Tara sind abergläubisch. Als in dem kleinen Ort nordwestlich von Dublin zwei alte Bäume einer neuen Straße weichen sollten, hagelte es Proteste. Schließlich seien die Bäume Heimstatt der Elfen, Feen und Kobolde. Beim Fällen des ersten Baumes verunglückte ein Arbeiter. Daraufhin wurde die Straßenführung verändert und der zweite Baum nicht mehr angerührt.

In Irland sind Mythen und Legenden lebendig. Sie berichten von der keltischen Vergangenheit. Dabei spielten Geister schon immer eine Rolle. Wenn dichter Morgennebel die Klippen von „Slieve League“ (Grauer Berg) im Nordwesten der Insel umwabert, wird nachvollziehbar, daß bis heute viele Iren an sie glauben. Fast 600 Meter stürzen die höchsten Seeklippen Europas oberhalb der Donegal-Bucht in den Atlantik. Den Pfad herauf soll im 6. Jahrhundert ein Mönch angelegt und an seinem Ende eine kleine Kirche gebaut haben.

Der etwa zweistündige Aufstieg vom Parkplatz bei Teelin bringt auch die Gäste aus Dresden ins Schwitzen. Die Mühe habe sich gelohnt, meint die Frau noch ganz außer Atem. Der Blick sei faszinierend, herrlich die Weite und alles so üppig grün. „Es gibt offensichtlich wirklich über 40 Grüntöne in Irland, wie der Reiseführer schreibt“, sagt sie. Ansonsten sei das Buch veraltet. Von Belfast kommend, hätten sie keine Grenzzäune oder Polizeiposten gesehen und nichts, was an den Konflikt in Nordirland erinnert. „Wir fühlen uns völlig sicher“, bekräftigt auch ihr Mann. Nur Schutzhütten fehlten, weil einen immer wieder Schauer überraschten.

Während das Meer in der Tiefe rhythmisch an den Felsen brandet, erzählt John McGrory, der Wanderführer, die Legende vom Apostel Patrick. Mitte des 5. Jahrhunderts missionierte der spätere Nationalheilige vor allem in Nord- und Westirland. Der St. Patricks Day am 17. März ist irischer Nationalfeiertag, das dreiblättrige Kleeblatt, eines seiner Attribute, heute irisches Nationalsymbol.

Doch als der Heilige auf den Klippen die Geister aus vorchristlicher Zeit vertreiben wollte, scheiterte er. Der Legende nach soll er gesagt haben, da müsse ein stärkerer kommen als er. Und der kam. Es war sein Jünger Columbkille, an dem der Ort Glencolumbkille unten im Tal und der gleichnamige Wanderweg erinnern.

Seit 1967 gibt hier ein Folk Museum Einblick in das entbehrungsreiche Leben der Bewohner der Grafschaft Donegal mit heute etwa 140000 Einwohnern.

In der Stadt Donegal leben rund 4000 Menschen. Markant sind die Reste der alten Burg, die auf einem Felsvorsprung am Fluß Eske steht. Eske heißt Fisch auf Gälisch, was zwar alle in der Schule lernen. Aber weitgehend hat sich in Irland Englisch gegen die alte Sprache durchgesetzt. In der Grafschaft Donegal liegt die größte „Gaeltacht-Region“, ein Landstrich, in dem Gälisch noch im Alltag gesprochen und das keltische Erbe gepflegt wird. So kann man es hier in den Pubs der malerischen Fischerdörfer hören, wenn man bei einem frisch gezapften Guinness und traditioneller Tanzmusik den Tag ausklingen läßt.

Donegal ist einzigartig. Der rauhen Schönheit wegen gilt das Gebiet für viele als attraktivster und grünster Teil der „grünen Insel“. Die kontrastreiche Landschaft mit saftig grünen Wiesen, glitzernden Seen, Flüssen und Flachmooren, wo der Torf zum Trocknen aufgeschichtet ist, machen es zu einem Wanderparadies für Individualisten und Romantiker. An den tief eingeschnittenen Meeresbuchten liegen traumhafte Badestellen.

Mit dem Glenveagh Nationalpark wurde ein Teil dieser Naturlandschaft unter Schutz gestellt. Durch Naturlehrpfade sind die 10000 Hektar Seen und Täler, eingerahmt von den Derryveagh-Bergen mit einem kleinen Schloß mittendrin, den Besuchern zugänglich gemacht.

Auf dem Dunwiley-Wanderweg taucht unerwartet die Ruine einer Kirche auf. „Die Kirche war protestantisch“, sagt John, „hier inmitten einer rein katholischen Gegend.“ Es geht vorbei an Besitzungen der Familie Guinness. 1759 legte Arthur Guinness den Grundstein für eine der weltgrößten Brauereien. Das beliebte dunkle Gebräu mit der weißen Schaumkrone wird inzwischen in 150 Ländern genossen, aber nirgends schmeckt es so wie in Irland selbst.

Der Bluestack Wanderweg, nach einer markanten Bergkette mit Gipfeln bis über 600 Meter benannt, führt seit 1999 von West nach Ost. Die unberührte Abgeschiedenheit, die in weiten Teilen erhalten geblieben ist, gilt noch als Geheimtip. Schottische Schafe mit schwarzem Kopf begleiten den Wanderer. Am Wege immer wieder Fuchsienbüsche mit roten Blüten, die „Tränen Gottes“ genannt werden, weiß John. „Die Bewohner, deren Häuser mit derartigen Hecken umgeben waren, blieben nie lange“, erzählt er. Die Armut trieb sie fort. Auch fünf Geschwister Johns wanderten in den 80er Jahren in die USA aus, wo es Arbeit gab. Der 43jährige Reiseführer, der seinen Lebensunterhalt hauptsächlich als Polizist verdient, hat acht Brüder und zwei Schwestern. Kürzlich kamen drei zurück, erzählt er – ein Zeichen für den wirtschaftlichen Aufschwung in Irland.


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