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03.05.08 / Mobilisierung mißlungen / Tempelhof-Begehren zeigt: Berlins CDU ist noch immer nicht in den Ostteil vorgedrungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-08 vom 03. Mai 2008

Mobilisierung mißlungen
Tempelhof-Begehren zeigt: Berlins CDU ist noch immer nicht in den Ostteil vorgedrungen
von Markus Schleusener

Über 60 Prozent der Berliner haben sich für den Flughafen Tempelhof ausgesprochen und damit dem Berliner Senat einen Denkzettel verpaßt. Die Stimmen kamen – wie erwartet – aus den ehemaligem Westbezirken der Stadt: Tempelhof-Schöneberg (70 Prozent), Steglitz-Zehlendorf (73), Reinickendorf (77), Neukölln (74), Spandau (75), Charlottenburg-Wilmersdorf (71).

Der Osten stimmte gegen den Flughafen. Spitzenwerte erreichten die Flughafengegner vor allem in Pankow (65 Prozent), Marzahn-Hellersdorf (65) und Lichtenberg (69) – allerdings bei deutlich niedrigerer Wahlbeteiligung.

Die insgesamt niedrige Beteiligung (36 Prozent) war es, die zum Scheitern des Volksbegehrens geführt hat. Das Ergebnis ist zwar eindeutig, jedoch hat das Volksbegehren die Schwelle zur Wirksamkeit verfehlt. Laut Gesetz hätten 25 Prozent der Berliner „Ja“ stimmen müssen. Sie hätten außerdem die Mehrheit unter den Teilnehmern am Begehren stellen müssen. Letzteres war zwar der Fall. Aber es waren nur 21,7 Prozent aller Wahlberechtigten, die das „Ja“ angekreuzt haben. Das Volksbegehren gilt damit offiziell als gescheitert.

Die niedrige Wahlbeteiligung, das räumten selbst Flughafengegner ein, sei auch deshalb zustande gekommen, weil der Senat vorher an der Endgültigkeit des Schließungsbeschlusses keinen Zweifel hatte aufkommen lassen. „Da haben sich viele gefragt, warum sie überhaupt dahinlatschen sollen, wenn der Flughafen so oder so zugemacht wird“, beklagte sich eine Hörerin des Radiosenders Star FM am Morgen nach der Abstimmung.

Den Flughafenbefürwortern blieb nur, allein das Erreichen des Quorums als „psychologisch bedeutsam“ zu bezeichnen. Politisch dagegen nicht. Klaus Wowereit hatte vorher klargemacht, daß er das Ergebnis ignorieren würde, wenn es nicht seinen Vorstellungen entspreche.

Oppositionsführer Friedbert Pflüger (CDU) spielt seine Niederlage herunter. Wegen der Haltung des Regierenden Bürgermeisters, der die Abstimmung notfalls ignorieren wollte, sei es auch gar nicht wichtig, ob das Quorum erreicht worden sei oder nicht. Auf die erreichten 60 Prozent verweisend forderte er vor etwa 250 Flughafenbefürwortern: „Herr Wowereit, nehmen Sie dieses Votum ernst.“

Pflüger und die Initiatoren kündigten an, den Widerstand gegen die Schließung des Flughafens fortzusetzen. Doch dieses „Wir machen weiter“ kann nicht verdecken, daß es den Tempelhof-Freunden nicht gelungen war, die Berliner in beiden Teilen der Stadt zu mobilisieren – trotz des enormen propagandistischen Aufwands wie zu einer Bundestagswahl. Dies ist auch eine Niederlage für Pflüger selbst. Offensichtlich haben er und seine Berliner CDU noch immer keinen durchgreifenden Zugang zu den Menschen im Ostteil der Stadt gefunden.

Noch am Abend der Abstimmung verschärften die Flughafengegner ihre Kampagne. Bis dato waren es vor allem die staatlichen Rundfunksender des RBB, die gegen den Flughafen zu Felde gezogen sind. In ihrem Fahrwasser segelten die eher linken Tageszeitungen.

Auf der anderen Seite stand die Springerpresse („Bild-Berlin“, „BZ“, „Morgenpost“, „Welt“), die sich heftig für Tempelhof ins Zeug gelegt hatten. Jeden Tag eine neue Überschrift mit Tempelhof-Bezug. Jeden Tag Hinweise, wo das Wahllokal zu finden sei. Jeden Tag Prominente, die sich für den Weiterbetrieb aussprachen. Es war ein echter Zeitungskrieg.

Die privaten Rundfunksender waren ebenfalls eher pro Tempelhof, sie verdienten schließlich auch viel Geld mit der Ausstrahlung der Werbespots der Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof (ICAT).

Allen voran RTL. Doch die Luxemburger kippten bereits am Tag der Abstimmung um. Auf dem zur Sendergruppe gehörigen TV-Kanal n-tv wurde berichtet, daß der Abstimmungsausgang sowieso keine Bedeutung habe, da Tempelhof in jedem Fall geschlossen werde. Abends verkündete der RTL-Radiosender in der Stadt die Nachricht: „Nur 22 Prozent Ja-Stimmen für Tempelhof.“ In der Kürze ging die Nachricht verloren, daß von den Abstimmungsteilnehmern über 60 Prozent ja gesagt hatten. Aber die Nachrichtenredaktion verkürzte die Zählweise so, daß es aussah, als hätten fast 80 Prozent gegen Tempelhof votiert.

Innerhalb der rot-roten Regierungskoalition war es zuvor zu erheblichen Verwirrungen gekommen, weil auch die Linkspartei mit einem anderen Ausgang gerechnet hatte. Ex-Wirtschaftssenator Gregor Gysi hatte vor der Abstimmung erklärt, der Senat müsse das Ergebnis der Volksabstimmung in jedem Falle akzeptieren, auch wenn die Tempelhof-Befürworter gewönnen. Die Nachricht erreichte Klaus Wowereit bei einem Besuch in Paris. Der Regierende rief seinen Stellvertreter, den Wirtschaftssenator Harald Wolf (ebenfalls Linkspartei), umgehend an. Wolf war gerade in Moskau zu Gesprächen. Er mußte jetzt Gysi anrufen, um ihn wieder auf Linie zu bringen. Ausgerechnet aus Moskau!

Gysi widerrief seine Aussage noch am gleichen Nachmittag.

Foto: Zu einseitig auf West-Berliner Befindlichkeiten gesetzt? Der Parlamen­tarische Geschäftsführer der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus, Frank Henkel, mit einem der Pro-Tempelhof-Plakate, mit denen die Flughafen-Befürworter die Berliner gewinnen wollten.


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