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03.05.08 / Nahöstliches Verwirrspiel / Syrisch-israelische Annäherungsversuche und seltsame Querschüsse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-08 vom 03. Mai 2008

Nahöstliches Verwirrspiel
Syrisch-israelische Annäherungsversuche und seltsame Querschüsse
von R. G. Kerschhofer

Das Verwirrspiel um Frieden im Nahen Osten wurde vorige Woche durch Erklärungen, „Enthüllungen“ und Gewaltakte weiter verkompliziert: Der syrische Präsident Al-Asad bestätigte gegenüber der in Katar erscheinenden Tageszeitung „Al-Watan“, daß sich die Türkei seit April 2007 um einen Separatfrieden zwischen Syrien und Israel bemüht. Am selben Tag berichteten israelische Zeitungen groß über einen Vorfall, der die israelisch-amerikanischen Beziehungen „zu belasten drohe“: In den USA wurde ein jüdischer US-Bürger wegen Militär-Spionage für Israel verhaftet.

Tags darauf wurde in Washington ausgewählten US-Abgeordneten CIA-Material vorgeführt, das ein syrisches Atomwaffen-Programm belegen soll. Bei dem von Israel nie offiziell bestätigten Luftangriff am 6. September 2007 sei im Osten Syriens ein mit nordkoreanischer Hilfe in Bau befindlicher Reaktor zerstört worden, der zur Herstellung von Atombomben hätte dienen sollen. Und während sich Ägypten – ungeachtet der israelisch-palästinensischen Scharmützel – um eine Entspannung in Gaza bemüht, hat Israel ein Hamas-Angebot für einen sechsmonatigen Waffenstillstand strikt abgelehnt.

Wer will nun Frieden und wer will Verhandlungen torpedieren? Theoretisch müßten alle Länder, allen voran Israel, von einem Frieden profitieren – die Frage ist nur, von welchem Frieden. Es ist ziemlich klar, daß bei nachhaltiger Entspannung die materielle Unterstützung für die Konfliktparteien, wieder primär für Israel, drastisch schrumpfen würde und daß der Wegfall von Feindbildern auch gravierende Auswirkungen auf die jeweilige Innenpolitik hätte.

Dazu kommt, daß „Friedensstifter“ ihre eigenen Ziele verfolgen: Mit dem „Annapolis-Prozeß“ trachtet US-Präsident Bush, vom Fiasko einer Politik abzulenken, die auch die Chancen des republikanischen Präsidentschaftskandidaten McCain beeinträchtigt. Der türkische Ministerpräsident Erdogan wiederum ist sich bei Operationen im eigenen „Hinterhof“, also in den einst osmanischen Gebieten, der Sympathien aller Türken sicher, und Vermittlungserfolge im Ausland helfen die Unterdrückung von Minderheiten im Inland zu verschleiern. Und der ägyptische Präsident Mubarak hofft, von sozialen Spannungen abzulenken.

Syrien und Nordkorea dementieren natürlich, daß die umstrittene Anlage ein Atomreaktor gewesen sei. Doch die Skepsis gegenüber „CIA-Beweisen“ ist heute selbst im Westen groß: Satelliten-Bilder sollen die Ähnlichkeit mit einem Reaktor in Nordkorea belegen, und angeblich gibt es Video-Aufnahmen, auf denen „Nordkoreaner“ zu sehen sind. Warum aber hat Syrien, wie spätere Bilder zeigen, die zerstörten Gebäude komplett abgerissen? Das scheint verdächtig. Umgekehrt entbehrt ein syrisches Atomprogramm aller Logik, denn jeder Einsatz von Atomwaffen gegen Israel würde auch die in Nachbarschaft liegende syrische Hauptstadt Damaskus in Mitleidenschaft ziehen. Von israelischer Vergeltung ganz zu schweigen.

Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) in Wien wirft Israel und den USA vor, „Beweise“ zurückgehalten und somit die IAEO an ihrer völkerrechtlich vorgesehenen Aufgabe gehindert zu haben, verdächtige Anlagen zu inspizieren. Daß die „Enthüllungen“ jetzt erst erfolgten, heißt einerseits, daß die USA den Druck auf Nordkorea wieder verstärken wollen, und andererseits, daß von Bushs „Achse des Bösen“ im Falle einer Aufwertung Syriens nur noch der Iran übrig bliebe. Wenig erstaunlich, daß westlichen Medien auch „Geheimdienstberichte“ zugespielt wurden, denen zufolge Syrien dabei sei, die libanesische Hisbollah mit Boden-Luft-Raketen auszustatten. Mit russischen.

Sicher ist, daß ein Frieden mit Syrien das Ende für den israelischen Ministerpräsidenten Olmert bedeuten würde, denn Syrien könnte nur zustimmen, wenn Israel die völkerrechtswidrig annektierten Golan-Höhen bis ans Ufer des Sees Genezareth zurück-gibt. Das aber ist für den Likud-Block und andere Radikale undenkbar und würde außerdem die Wasser-Problematik neu aufrollen: Die Israelis beanspruchen derzeit das Zehn- bis 20fache dessen, was sie Jordaniern und Palästinensern zubilligen.

Aber auch Al-Asad hätte ein existentielles Problem: Ein Kompromiß mit Israel ginge zu Lasten der Hisbollah und der Palästinenser sowie der Beziehungen zum Iran. Das säkulare syrische Regime, das sich auf die pseudo-schiitische Minderheit der Alawiten stützt, käme dann voll in die Schußlinie von Nationalisten und Fundamentalisten.

Foto: Ständiger Brennpunkt: Zu viele Interessen verhindern in Nahost eine Einigung.


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