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03.05.08 / Dunkle Wolken über Ankara / Droht der Türkei Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-08 vom 03. Mai 2008

Dunkle Wolken über Ankara
Droht der Türkei Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen?
von Ernst Kulcsar

Noch hat die Hauptreisezeit nicht begonnen, da wird schon die Türkei von VIP-Reisenden heimgesucht. Sie kommen meistens aus Brüssel, und ihnen steht der Sinn nicht nach sonnengebräunten, in knappe Bikinis gepreßten Mannequins, sondern darauf, wie sie einen Karren von der Wand losbekommen könnten, wo ihn die Türken hinmanövriert haben. Diese Reisenden sind Manuel Barroso, Chef der EU-Kommission, und EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn.

„Mit den Wölfen muß man heulen“, so die alte Volksweisheit. Heute heißt das: „Beuge dich dem Fraktionszwang und der Political correctness.“ Im Einklang mit diesen Vorgaben haben viele Staaten Europas und die EU insgesamt den Türken eine Aufnahme in die Gemeinschaft versprochen und dies Vorhaben so lange hintertrieben, bis nicht einmal Aladin mit seiner Wunderlampe daran glaubt. Trotzdem tun alle so, als stünde die Aufnahme kurz bevor, auf ein paar Jährchen sollte es nun auch nicht mehr ankommen. Man hat ein Konstrukt aus Fallstricken und Minenfeldern aufgebaut, und jetzt ist ausgerechnet die Regierungspartei Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) und Parteichef Erdogan dabei, das Kartenhaus einstürzen zu lassen.

Dies Zusammenkrachen könnte die Aktion des türkischen Generalstaatsanwalts bewirken, welcher der AKP Angriffe auf das säkulare System der Türkei zur Last legt. Mehr noch: das türkische Verfassungsgericht in Ankara hat seinen Antrag genehmigt, ein Verbot der AK-Partei zu prüfen. Der Partei wird vorgeworfen, die strikte Trennung von Staat und Religion zu untergraben –  eine Todsünde in den Augen türkischer Militärs. Zudem droht 71 Spitzenfunktionären, darunter sogar dem Ministerpräsidenten Erdogan, ein politisches Betätigungsverbot für die nächsten fünf Jahre.

Was zunächst wie eine rein türkische Angelegenheit aussah, entpuppte sich für die EU-Kommission als diplomatisch vermintes Gelände. Zwar drohte die EU-Kommission mit Konsequenzen für den Beitrittsprozeß, denn ein Parteiverbot sei nur zu rechtfertigen, wenn die Partei zur Anwendung von Gewalt aufrufe oder selbst Gewalt als politisches Mittel nutze, und das sei bei der AKP nicht der Fall. Aber gerade hier beginnt der Augenblick, wo man mit den Wölfen heulen muß. Man weiß eigentlich nicht so recht, wie es die AKP und ihre Mitglieder mit der Gewalt halten.  Und wie schnell eine Partei ihre Prinzipien über Bord werfen kann, führte uns jüngst auch unsere SPD vor. Und auch die AKP selbst, die das Kopftuchverbot an türkischen Universitäten per ordre de mufti aufgehoben hat.

Der türkische Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk erklärte Ende April in Rumänien, daß nationalistische Gruppierungen ihn massiv bedrängt hätten, nachdem er 2005 harsche Kritik am Völkermord an Armeniern  und der Unterdrückung der Kurden geübt hatte. Er mußte aus dem Land fliehen und nach seiner Wiederkehr wurde gegen ihn ein Verfahren wegen „Beleidigung der Türkei und ihrer nationalen Identität“ angestrengt. Auf massiven internationalen Druck wurde das Verfahren dann wegen „Formfehlern“ eingestellt.

Barroso und Olli Rehn sind in der Zwickmühle, denn in Ankara demonstrierten rund 25000 Menschen für den Erhalt des laizistischen Staates und drückten damit ihre Unterstützung für das Verbotsverfahren der AKP und gegen Barroso aus, der jetzt mitten im Regen stand, denn, so der Stellvertretende Fraktionschef der Sozialdemokraten in der EU, der Österreicher Swoboda: „Sollte es tatsächlich zu einem Verbot kommen, müssen die Verhandlungen mit der Türkei zumindest unterbrochen werden. Ein Land, das so nachlässig mit den Prinzipien der Demokratie umgeht, kann vom Grundsatz her kein Mitglied der EU sein.“ Der Chef der CDU/CSU im Europaparlament, Werner Langer, sieht „Zweifel an der demokratischen Reife der Türkei untermauert“.

Wie zum Beweis flogen Mitte April im türkischen Parlament die Fäuste, es kam zu einer wüsten Prügelei, als ein parteiloser Abgeordneter die AKP und Premier Erdogan wegen „Verschwendung“ anprangerte. Die türkische Zeitung „Vardan“ nannte das eine "große Schande".


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