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03.05.08 / Das Aquarell ist autonom geworden / Arbeiten der »Brücke«-Künstler machen in einer Ausstellung im Ernst-Barlach-Haus das Erlebnis Farbe sichtbar

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-08 vom 03. Mai 2008

Das Aquarell ist autonom geworden
Arbeiten der »Brücke«-Künstler machen in einer Ausstellung im Ernst-Barlach-Haus das Erlebnis Farbe sichtbar
von Helga Steinberg

Sie lernten sich auf der Technischen Hochschule in Dresden kennen. Die gemeinsame Begeisterung für die Malerei hatte die vier Studenten zusammengeführt. 1905 gründeten Karl Schmidt-Rottluff, Erich Heckel, Fritz Bleyl und Ernst Ludwig Kirchner die Künstlergemeinschaft „Brücke“. Schon bald stießen gleichgesinnte Maler zu ihnen, so Max Pechstein und Otto Mueller. 1906 kam Emil Nolde hinzu, der allerdings die Gruppe nach kurzer Zeit wieder verließ. Gemeinsam diskutierte man über Kunst, gemeinsam zog man mit Pinsel, Farbe und Skizzenblock  in die nähere Umgebung und malte direkt vor der Natur. Dabei entdeckten sie die Technik des Aquarells neu und setzten mit ihren Arbeiten Maßstäbe.

„Die ,Brücke‘-Künstler befreien das Medium endgültig von der untergeordneten kolorierenden Funktion und steigern es zu einem eigenständigen Erlebnis von Form und Farbe“, schreibt Magdalena M. Moeller, Direktorin des Berliner „Brücke“-Museums, im Katalog zur Ausstellung „Erlebnis Farbe“, die derzeit im Hamburger Ernst-Barlach-Haus gezeigt wird. „Die Ausdrucksmittel werden revolutioniert. Vor allem dank der Kontrastwirkung zum weißen Papiergrund gelingt die Intensivierung des Ausdrucks noch überzeugender als im Ölbild. Die Farbe führt ein kraftvoll-strahlendes Eigenleben, die Form wird in spontaner emotionsgeladener Weise festgehalten. Die Aquarelle der ,Brücke‘ gehören zu dem Kostbarsten, was die deutsche Kunst im 20. Jahrhundert hervorgebracht hat.“  Und es ist im Laufe des Lebens der „Brücke“-Künstler eine große Zahl von Aquarellen entstanden. Auch davon kann man sich auf der Ausstellung überzeugen, denn die Auswahl hört nicht mit dem Jahr 1913 auf, als die Künstlergemeinschaft auseinanderbrach und jeder seinen eigenen Weg in der Kunst suchte. Neben den frühen Arbeiten ist auch das spätere Aquarellschaffen der Hauptvertreter der Gruppe zu sehen. So sind Entwicklungen auszumachen, aber auch Beständigkeiten im Werk.

Daß Farbe nicht nur grell und agressiv sein muß, zeigen die späten Blätter von Karl Schmidt-Rottluff. Aber auch Erich Heckels Aquarelle, die sich durch große Harmonie auszeichnen, werden in seinem Spätwerk „zurückhaltender und toniger“ (Moeller). Max Pechstein, für den Farbe eine ganz herausragende Bedeutung hatte, entwickelte schon früh einen „leidenschaftlich-expressiven Stil“.

Allen aber ist eines gemein: Sie haben dem Aquarell eine eigene Position in der Kunst gegeben. Gleichrangig steht es nun neben den Gemälden, ist längst nicht mehr nur bescheidene Vorstufe zu einer größeren Arbeit oder flüchtige Skizze, die man bald vergessen hat. Das Aquarell ist durch die „Brücke“-Künstler autonom geworden, wie die Kuratorin der Ausstellung, Christi-ane Remm vom Berliner „Brücke-Museum“, feststellte.

Die Ausstellung „Erlebnis Farbe“ im Ernst-Barlach-Haus, Baron-Voght-Straße 50 a, Jenischpark, 22609 Hamburg, ist dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr zu sehen, Eintritt 6 / 4 Euro, Katalog Hirmer Verlag 29,90 Euro, bis 27. Juli.

Foto: Karl Schmidt-Rottluff: Lebasee mit Revekol (Aquarell, 1934)


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