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03.05.08 / Blütenzauber und Fachwerkpracht / Das Alte Land vor den Toren Hamburgs läßt sich am besten mit dem Rad erfahren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-08 vom 03. Mai 2008

Blütenzauber und Fachwerkpracht
Das Alte Land vor den Toren Hamburgs läßt sich am besten mit dem Rad erfahren
von Elke Gersmann

In diesen Tagen erfüllt emsiges Summen die Luft. Die Kirschblüten haben sich zu ihrer vollen Pracht entfaltet. Und der betörende Duft ruft die Bienenvölker zur Arbeit. Auch mehrere Millionen Apfelbäume stehen schon in den Startlöchern, doch sie lassen den Kirschen den Vortritt. Man macht sich eben keine Konkurrenz um die Gunst von Bienen und Besuchern. Denn auch diese lassen sich in Scharen von der Obstblüte im Alten Land anlocken.

Das Alte Land ist das größte zusammenhängende Obstanbaugebiet Deutschlands. Es läge direkt vor den Toren Hamburgs, heißt es immer wieder. Das stimmt nur teilweise, denn drei Orte des Alten Landes gehören sogar zur Hansestadt: Francop, Neuenfelde und Cranz. Daß man sich in oder in der Nähe einer Großstadt befindet, ist jedoch schnell vergessen. Denn Hektik sucht man hier vergebens.

Die Region zwischen den beiden Hansestädten Hamburg und Stade hat ihren Namen übrigens nicht deshalb, weil sie besonders alt ist. Er geht vielmehr auf die niederländischen Siedler zurück, die einige Erfahrung mit dem Entwässern und dem Deichbau hatten: Wo heute vor allem Apfelbäume blühen, befand sich vor 900 Jahren eine unwirtliche Sumpflandschaft. Das neu gewonnene Land wurde Olland genannt – und über die Jahrhunderte zum Alten Land.

Der Boden war stets fruchtbar und bescherte den Bauern einigen Reichtum, der heute noch zu bewundern ist: Die prachtvollen Altländer Bauernhäuser geben diesem Landstrich ein ganz besonderes Gesicht. Die älteren unter ihnen stammen noch aus dem 17. Jahrhundert – und sehen aus, als wären sie gerade erbaut worden. Gekrönt von einem Reetdach, leuchten die verzierten Giebel und das Fachwerk in strahlendem Weiß, die Backsteine bilden Muster, die vor Blitzeinschlag oder dem bösen Blick schützen sollten. Eine auffällige Besonderheit an jedem Haus ist eine reich mit Ornamenten und frommen Sprüchen bemalte Tür, die sich ursprünglich nur von innen öffnen ließ. Durch diese Brauttür zog die junge Ehefrau in das Bauernhaus – und irgendwann auch wieder hinaus. Dann aber „mit den Füßen voran“, wie man auf einer der vielen Führungen durch das Alte Land erfahren kann.

Erfahren, übrigens, sollte man sich diesen historischen Land-strich an der Elbe auf jeden Fall – und zwar gemächlich mit dem Rad. Denn dann ist man ganz nah dran an dessen Schönheit. Idyllische Nebenflüsse schlängeln sich durch Obstgärten und Ortschaften hin zum großen Strom. Wie die Lühe zum Beispiel. Auf dem Elbe-Radweg geht es von ihrer Mündung auf dem Lühedeich in Richtung Steinkirchen. Auf der einen Seite schweift der Blick hinunter zum Fluß, auf Stege und Boote, auf der anderen Seite ziehen Fachwerkhäuser und Bauerngärten vorbei. Es dauert nicht lange, dann ist eines der beliebtesten Fotomotive im Alten Land erreicht: die Hogendiekbrücke. Weiß leuchtend ragt die Holz-Klappbrücke über den Fluß und erinnert an die Holländer, die hier einst das Land urbar machten.

Steinkirchen selbst hat einen schönen historischen Ortskern mit Kopfsteinplaster, das die Radfahrer ordentlich durchrüttelt. Bekannt ist es jedoch durch die

St.-Martini-et-Nicolai-Kirche mit ihrem hölzernen Glockenturm. Dort steht eine der wertvollsten Orgeln des Alten Landes, die vom bekannten Orgelbauer Arp Schnitger Mitte des 17. Jahrhunderts erbaut wurde. Weiter geht es über Mittelnkirchen, das sich beiderseits des Deiches entlangzuschlängeln scheint, bis nach Jork, wo einige der schönsten Altländer Bauernhäuser stehen.

Wer viel radfährt, hat irgendwann Hunger. Und auch wenn von so manchem Norddeutschland als kulinarische Wüste bezeichnet wird – hier im Alten Land ist davon nichts zu spüren. Produkte und traditionelle Gerichte aus der Region stehen auf den meisten Speisekarten, ein bißchen modernisiert, aber ohne viel Schnickschnack.

Hungern muß hier niemand: Auf den meisten Bauernhöfen gibt es ein Hofcafé, und an einladenden Restaurants mangelt es auch nicht.

Nicht fehlen dürfen auf der Speisekarte die Altländer Hochzeitssuppe und natürlich der Apfelkuchen. Denn um das knackige Obst dreht sich im Alten Land fast alles. Und so mancher Besucher wurde hier vollends zum Apfel-Fan. Den Obstbauern soll es recht sein. So wie Ina Pape und ihrem Mann, beides alteingesessene Altländer, wie sie selbst sagt. Sie verkaufen nicht nur Äpfel, bei ihnen kann man auch die Patenschaft für einen Baum übernehmen. Und ihn im Herbst dann selbst abernten.

„Wir haben Paten aus der Umgebung, aber auch aus Frankfurt oder dem Ruhrgebiet“, erzählt die Obstbäuerin. Doch ganz gleich, woher sie kommen, die meisten sind bei der Ernte auf dem Obsthof in Grünendeich immer wieder gern dabei.


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