19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
10.05.08 / Eine reine Mogelpackung / Mehr Kindergeld für Kinderreiche, doch unterm Strich bleibt nicht mehr viel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-08 vom 10. Mai 2008

Eine reine Mogelpackung
Mehr Kindergeld für Kinderreiche, doch unterm Strich bleibt nicht mehr viel
von Mariano Albrecht

Die Bundesfamilienministerin will helfen. Rund 35 Milliarden Euro gibt Ursula von der Leyen (CDU) jährlich für die Zahlung von Kindergeld aus. Ob arm, ob reich, jede Familie bekommt Kindergeld in der gleichen Höhe. Das Familieneinkommen spielt beim Kindergeld keine Rolle. 154 Euro zahlt der Staat für das erste bis dritte Kind. Ab dem vierten Kind sind es 179 Euro pro Monat. Ginge es nach der Familienministerin, soll in Zukunft die Kindergeldzahlung noch weiter gestaffelt werden, doch eine Anrechnung von hohen Einkommen soll nicht in Frage kommen. Mit zwei Milliarden Euro mehr im Jahr will von der Leyen nun bereits ab dem dritten Kind mehr Geld in die Familien geben. SPD-Finanzminister Peer Steinbrück hatte von der Leyen für ihren Vorstoß scharf kritisiert und die Ministerin aufgefordert, Vorschläge für die Finanzierung zu machen, doch die Ministerin verteidigt ihre Forderung nach einem höheren Kindergeld ab dem dritten Kind.

Ursula von der Leyen stellt im Deutschlandfunk fest, daß den Deutschen die Drei-, Vier- und Fünfkinderfamilie abhanden kommt. „Schlicht und einfach, weil es schwer wird für diese Familien, aus der Mitte der Gesellschaft nicht in Armut zu rutschen, wenn die Geldkosten, die Kinder mit sich bringen, steigen. Das dritte, vierte Kind heißt größere Wohnung, das Auto muß größer werden, die Waschmaschine läuft häufiger, am Anfang des Schuljahres braucht es eben vier Schulranzen oder viermal den Tuschkasten, das sind alles Fixkosten, die nicht zu vermeiden sind. Andererseits ist es für diese Familien nicht ganz einfach, die Arbeitsleistung, also das, was Vater und Mutter verdienen können, am Markt noch zu steigern.“

Die Lösung liege im Kindergeld, glaubt von der Leyen. Doch ist das Kindergeld geeignet, ein Familieneinkommen in dem Maße zu verbessern, um zum Beispiel die Teilnahme an einer Klassenfahrt oder die Anschaffung von Schulranzen zu ermöglichen, ohne ein Loch in die Haushaltskasse zu reißen?

Ein Beispiel aus Braunschweig: Vom Bruttoeinkommen von 2700 Euro, die Michael P. als Maurer mit Facharbeiterabschluß verdient, bleiben nach allen Abzügen 1900 Euro netto übrig. Seine Frau Bettina verdient auf Basis eines Minijobs 400 Euro in Spät- und Nachtschichten als Kellnerin dazu. Für die drei Kinder bekommt die Familie bisher 154 Euro pro Kind im Monat. Insgesamt stehen dem Haushalt so 2762 Euro zur Verfügung.

Davon bestreitet die Familie die Wohnkosten, Telefon, Versicherung, Fahrkarten für den Nahverkehr. Doch was bleibt für Anschaffungen, Bekleidung, Bildung und zum Leben übrig? Bettina P. rechnet vor:

Nun sind noch 1697 Euro in der Haushaltskasse. 350 Euro müssen die Eheleute noch monatlich für einen Kredit zur Wohnungseinrichtung abzahlen, dafür ist ein Auto nicht mehr drin. Familie P. setzt Prioritäten, die Kinder sollen in ordentlichen Verhältnissen aufwachsen, da ist die Wohnungseinrichtung wichtiger als ein Auto, sagt Bettina P.

Auch die Schulbildung und der Kitaplatz für das jüngste Kind sind ein Kostenfaktor. Von 1347 Euro sind 113 Euro für die fünfstündige Kitabetreuung fällig. In einer Stadt wie Braunschweig ist der Kitaplatz überdurchschnittlich günstig, in Hamburg würde der Kitaplatz 153 Euro kosten. Der älteste Sohn besucht ein Gymnasium mit den Schwerpunkten Musik und Technik, außerschulischer Musikunterricht ist Pflicht und schlägt mit 15 Euro im Monat zu Buche. Hinzu kommen monatlich Büchergeld, Beiträge für den Schulverein und Kosten für den außerschulischen Sportverein. Die fünfköpfige Familie hat jetzt noch 1153 Euro zur freien Verfügung, das sind 230,60 Euro pro Person. Davon müssen die monatlichen Lebensmittel, Waschmittel, Kosmetik und Bekleidung für zwei Erwachsene und drei Kinder finanziert werden. Für Klassenfahrten muß die Familie einen Zuschuß beantragen, sonst wird es eng.

Familie P. ist einer von drei Millionen deutschen Haushalten, der ein drittes oder weiteres Kind hat, und somit von den Wohltaten der Familienministerin profitieren könnten. Doch um wieviel würde sich das verfügbare Einkommen der Familie verbessern?

Dietrich Engels, vom Kölner Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik hat es ausgerechnet. Sollten wirklich zwei Milliarden Euro zugunsten kinderreicher Familien zur Verfügung stehen und würden diese wirklich eins zu eins als Kindergeld zur Auszahlung kommen, würde das unterm Strich vielleicht 56 Euro ausmachen, realistischer wären allerdings 30 Euro, das entspräche zirka einem Euro pro Tag.

Foto: Kostspielig: Eine Großfamilie zu versorgen geht ins Geld.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren