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10.05.08 / Ost-Deutsch (65): richten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-08 vom 10. Mai 2008

Ost-Deutsch (65):
richten
von Wolf Oschlies

Erbauet ragt der schwarze Block, / Wir richten scharf und herzlich“, sangen ab 1901 die „Elf Scharfrichter“, das legendäre Münchner Kabarett. „Der Papa wird’s schon richten“, spöttelten 1959 Helmut Qualtinger und Georg Bronner in einem Chanson, das den Wiener Nepotismus aufs Korn nahm. Zweimal „richten“ – zwei Bedeutungen.

Das althochdeutsche Verb „rihten“ bedeutete begradigen, bis heute im militärischen Kommando „Richt’ euch“ hörbar, zudem in Ableitungen (an-, auf-, ab-, ein-, zurichten) frequent. Daneben gibt es „richten, Richter, hinrichten“ als juristisches Wortfeld und das eher süddeutsche „etwas (sich) richten“, legal oder nicht. Und alle Wortverwendungen kennen auch unsere östlichen Nachbarn.

„Doufam, ze nikdo nikoho strilet nebude, ani rychtovat“, heißt es tschechisch: Ich hoffe, daß keiner jemanden erschießt oder richtet. Tschechen können auch „po strese rychtovat vhodnou anténu“, auf dem Dach die passende Antenne ausrichten, „rychtovat snidani“, ein Frühstück anrichten, sich „v prostredku salu volne rychtovat“, mitten im Saal frei einrichten. Ähnlich klingen sorbisch „nekoho zrychtowac“, jemanden herrichten, zur Schnecke machen, und polnisch „rychtowac caly sprzet“, das ganze Zubehör herrichten. Dieses findet sich im litauischen „riktavoti“ wieder, unterschieden von „rikuoti“, aufs Ziel ausrichten.

Generell ist das Verb im moder-nen Tschechisch und Polnisch seit dem 19. Jahrhundert auf dem Rückzug. In Übergangsdialekten, etwa im tschechisch-polnischen Teschen-Gebiet, hält es sich mit zahlreichen Präfigierungen und Bedeutungen: „Czy mozes mi zrychtowac bicykiel?“ (Kannst du das Fahrrad herrichten?) „Przi-rychtuj juz wieczerze, bo my som glodni“ (richte endlich das Abendessen her, wir sind hung-rig), „Dziywczynta sie wyrychto-waly“ (die Mädchen haben sich fein hergerichtet), „orychtowac do porzadku“ (etwas zur Ordnung ausrichten, aufräumen).

Bei Südslawen wird’s bunter. Slowenen wissen, daß jemand „ni mogel zrihtati Open aira“, kein Open air ausrichten, aber „rihtati kseft“, ein Geschäft richten, sein Eigeninteresse durchsetzen konnte. Genauso ist es im benachbarten Kroatien, wo mancher „nekak zrihtati“ kann, etwas irgendwie richten, in der Regel mit vielen Geldscheinen.


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