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10.05.08 / Basisdemokratie auf bayrisch / Die Freien Wähler auf dem Weg in den Münchner Landtag

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-08 vom 10. Mai 2008

Basisdemokratie auf bayrisch
Die Freien Wähler auf dem Weg in den Münchner Landtag
von H.-J. Mahlitz

Bayerische Verhältnisse, das steht seit Jahrzehnten für klare Mehrheiten und politische Stabilität. Am 11. Dezember 1962 konnte Alfons Goppel erstmals in München eine Staatsregierung ohne Koalitionspartner bilden, Beginn einer mittlerweile 45jährigen Alleinherrschaft, die dem weiß-blauen Freistaat insgesamt gut bekommen ist.

Aber auch im Lande von Laptop und Lederhose gilt: Jede Medaille hat ihre Kehrseite. Bayerische Verhältnisse, das steht auch für Parteienfilz und Arroganz der Macht.

Wie es sich anfühlt, wenn der Stimmzettel zum Denkzettel wird, haben die Christsozialen auf kommunaler Ebene bereits schmerzlich zu spüren bekommen. Reihenweise wurden sie aus Rathäusern und Landratsämtern verjagt. Bei den jüngsten Kommunalwahlen stürzte die CSU landesweit in jene 40-Prozent-Region ab, die nördlich des Weißwurst-Äquators als glanzvoller Sieg, zwischen Spessart und Karwendel aber als Katastrophe gilt. Und es sind nicht die etablierten Oppositionsparteien, die Beck-stein, Huber und Co. das Fürchten lehren. Ein ganz anderes Gespenst geht um im Bayernland. Es heißt „Freie Wähler“ und besagt, daß immer mehr Wähler so frei sind, sich von ewiger Einparteien-Allmacht zu befreien.

Völlig neu ist das „Gespenst“ freilich nicht. Ein Landesverband „Freie Wähler“ existiert bereits seit über drei Jahrzehnten. 28 Jahre lang war Mitgründer Armin Grein Vorsitzender, 2006 wurde er von dem heute 38jährigen Landwirt Hubert Aiwanger abgelöst.

Auf Kommunalebene haben die Freien Wähler sich inzwischen an die 20-Prozent-Marke herangetastet, schicken sich an, die SPD als zweitstärkste Kraft im Lande abzulösen und stellen heute 800 Bürgermeister und 15 Landräte. Bei Landtagswahlen treten sie nunmehr zum dritten Mal an. Nach 3,7 und vier Prozent haben sie beste Aussichten, diesmal die Fünfpro-zenthürde zu nehmen; Umfragen sehen sie derzeit bei sechs bis neun Prozent, Tendenz steigend.

Skeptiker sehen in diesen Erfolgen bereits den Anfang vom Ende der Freien Wähler. Sie fürchten, wer sich einmal als „ganz normale“ Partei etabliere, gehöre dann eben zum „Establishment“ im Sinne der 68er, unterliege den üblichen Verschleiß- und Dekadenzerscheinungen, verliere die Bürger- und Wählernähe, sei letztlich von den übrigen Parteien nicht mehr unterscheidbar und werde so Teil des Systems, das man eigentlich doch bekämpfen, zumindest aber verändern wollte.

FW-Chef Aiwanger sind diese Gefahren sehr wohl bewußt. Er kennt auch die vielen schlechten Beispiele von typischen Protestparteien, die, erst einmal in die politische Verantwortung genommen, meist sehr schnell an sich selber gescheitert sind. Daher betont er vehement: Wir sind keine Protestpartei! Aber was dann?

Der Landwirt aus Niederbayern sieht sich und seine in 900 Orts- und Kreisverbänden organisierten 40000 Weggefährten als „bewährte bürgerliche Kraft der Mitte“. Womit er nicht unrecht hat. Die Freien Wähler stellen über 20 Prozent der bayerischen Landräte und sogar 40 Prozent der insgesamt 2056 haupt- und ehrenamtlichen Bürgermeister; nach „politisch unerfahren“ sieht das nicht aus.

Aber reicht die zweifellos große kommunalpolitische Kompetenz, um auch in der Landespolitik mitmischen zu können? Davon sind die Freien Wähler fest überzeugt. In ihren Leitlinien, die sie auf der letzten Landesversammlung in Nürnberg beschlossen haben und mit denen sie nun in den Wahlkampf gehen, konzentrieren sie sich auf die Themen Bildung, Familie, Arbeit. Dabei setzen sie ganz bewußt auf ihre langjährigen Erfahrungen in Gemeinden und Kreisen, vorrangig also im ländlichen Raum, aber auch in Großstädten, indem sie Dezentralisierung und Regionalisierung zum Kernmotiv erheben. Die Landespolitik, so ihr Anspruch, müsse wieder bürgernah gestaltet werden. Was in München – und letztlich auch in Berlin und in Brüssel – entschieden werde, müsse vorrangig an den Interessen der Menschen vor Ort orientiert sein und dürfe nicht über deren Köpfe hinweg gestaltet werden.

Das klingt alles recht gut, und wenn es sich tatsächlich umsetzen läßt, bahnt sich hier eine völlig neue Form von Basisdemokratie an. Die Chancen stehen gut, denn anders als so manche parteipolitische Eintagsfliege der Vergangenheit haben Bayerns Freie Wähler sich längst in politischer Verantwortung bewährt. Und da die CSU mit ihrer neuen Führungsriege an der Schwelle der absoluten Mehrheit dahinschwächelt, wird sie im Herbst vielleicht froh sein, sich auf einen stabilen bürgerlichen Koalitionspartner stützen zu können. Den wertkonservativen Stammwählern kann eine solche Entwick-lung nur recht sein – Freie Wähler statt Nichtwählen, das ist doch mal endlich eine echte Alternative.


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