20.04.2024

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10.05.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-08 vom 10. Mai 2008

Erwärmung eingefroren / Warum Klimawarner jetzt vor »Kleiner Eiszeit« warnen, wieso Hitlers Tod geheim bleiben muß, und warum Herr Glietsch so zufrieden ist
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Soviel haben wir gelernt: Wer sich schuldig fühlt an Sachen, für die er gar nichts kann, der ist ein moralisch besserer Mensch. Zumindest fühlt er sich so, und das läßt er alle anderen gern wissen.

Die Pose des unschuldig Schuldtragens übt in der christlich geprägten Welt eine ungeheure Magie aus, die sich mangels Religiosität tief in die praktisch-profane Welt der Politik vorgearbeitet hat.

Unter den politischen Sühnepredigern gibt es allerdings mehr und minder Begabte. Das hängt von ihrem schauspielerischen Talent ab. Es laufen leider ziemliche Stümper herum, denen man die hohle Pose allzu deutlich ansieht. Die sind nur zum Lachen, wenn sie feierlich dröhnend die Last der Welt unterm Scheinwerferlicht oder in ihren von Selbstlob triefenden Memoiren auf ihre schmalen Schultern wuchten.

Manche aber sind richtige Könner. Sie reden vom Hunger in der Welt, von der Vergangenheit, von der Zukunft, von der Gegenwart, von der Umwelt, von den Kindern, den Alten, den Armen, dem Krieg, den Flüchtlingen oder vom Klima und überschütten uns mit Vorwürfen, daß wir Schuld sind und daß alles furchtbar war und gruselig enden wird, und daß wir uns unserer Schuld immer noch nicht wirklich bewußt sind. Dann geht der Klingelbeutel rum.

Uns durchfährt nach solchen Folterreden ein herrlich kribbelndes schlechtes Gewissen und, ebenfalls sehr behaglich, das stolze Gefühl, irgendwie mehr zu ahnen von den Schrecknissen der Welt und unserer Schuld daran als der gemeine Durchschnittspöbel der Konsumknechte ohne Problembewußtsein.

Praktischerweise versorgen uns die Propheten immer mit ein paar handlichen Schlagworten, die es uns ermöglichen, gleich in den Krieg „gegen Dummheit und Ignoranz“ zu ziehen, ohne irgendwelche eigenen Gedanken daran verschwenden zu müssen, was wir da eigentlich tun.

So kämpfen wir seit Jahren gegen das Klima. Dabei nahm die große Schlacht Dimensionen an, die an titanischer Größe dem Ringen der germanischen Götter gegen Fenriswolf und Midgardschlange in nichts mehr nachstand. Eine große deutsche Zeitung öffnete uns vergangenes Jahr die Augen, wie nah die Menschheit schon an jenem Abgrund steht, an dem wir alle von der Erdscheibe herab ins gähnende Nichts des Weltenraums stürzen: 2020 sei alles vorbei, verkocht, verkokelt ­– aus!

Endzeit hat etwas ungemein Erhebendes. Nur eine von vielen Generationen im endlosen Troß der Menschheitsgeschichte zu sein, das kann einen schon ganz schön fertigmachen. So was Mick­riges! Aber die Letzten zu sein, die, die das Licht ausmachen dürfen. Potztausend! Das sticht hervor aus dem trägen Einerlei, das ist was Besonderes.

Entsprechend tief ist die Depression, in die wir fallen, wenn einer kommt und erzählt: Aus die Maus, Untergang wird nichts, geht alles weiter.

Wir hatten an dieser Stelle ja schon vom Tod des Klimatods berichtet. Nun, Tote leben bekanntlich länger – aber nicht ewig, wie sich diese Woche erweisen sollte.

Da ernüchterten uns ausgerechnet die ganz Großen unter den Klimawarnern auf das Taktloseste: Seit zehn Jahren habe es überhaupt keine Erwärmung mehr gegeben, teilten sie uns wie beiläufig mit.

Wie bitte? Hatten sie nicht eben noch jedes Grad über dem Durchschnitt, jedes Hochwasser zwischen Bangladesch, Burkina Faso und Barby an der Elbe zum „ersten Anzeichen der dramatisch fortschreitenden Klimaerwärmung“ erklärt? Und jetzt war da gar nichts?

Nun gut, beruhigen sie uns: Was noch nicht ist, kann ja noch werden. Aber wohl nicht so bald. Erst in 15 Jahren dürften wir den Klimawandel endlich genießen.

So eine Sauerei. 2020 war abgemacht! Und es kommt noch schlimmer: In den nächsten 15 Jahren soll es sogar eher kälter werden als jetzt. Was ist da los? Hat ein Schelm unser kostbares Kohlendioxid geklaut?

Nein, man habe nur die Meeresströmungen falsch eingeschätzt, sagt ein führender Klimawarner. Außerdem seien die Sonnenflecken außerplanmäßig verrutscht, fügt er an und eröffnet uns eine angsteinflößende Aussicht: Die Flecken auf dem Zentralgestirn seien derzeit so angeordnet wie zuletzt am Beginn der „Kleinen Eiszeit“. Das war die Epoche vom 15. bis ins 19. Jahrhundert, als es in Europa derart bitter kalt war, daß die großen holländischen Maler jener Zeit ihr Land vorzugsweise als tiefgefrorene Idylle auf die Leinwand brachten. Puh!

Immerhin können wir von Glück sagen, daß wenigstens die vielen milliardenschweren Klimaschutzprogramme in trockenen Tüchern sind und der Kampf gegen die Erwärmung ein warmes Plätzchen auf unseren Heizungs-, Strom- und Benzinrechnungen gefunden hat. Dort wird er sich nicht mehr verdrängen lassen von ein paar Grad zu wenig.

Die großen Klimawarner reagieren indes bewundernswert souverän auf die irritierenden neuesten Nachrichten. Das muß man ihnen lassen: Recht haben, das haben sie gelernt. Das beweisen sie in der Krise deutlicher denn je.

Schlimmer steht es um uns, das klimawarnende Fußvolk. Wie sollen wir jetzt so mir nichts, dir nichts unser gesamtes Floskelre­pertoire umräumen? „Ja, es wird kälter, temperaturmäßig, aber wissenschaftlich gesehen schwitzen wir uns trotzdem tot.“ Das klingt wie: „Klar, alles dick verschneit, aber unter dem Eise blüht schon ein Maiglöckchen, und da lauert die Gefahr!“ Das nimmt uns doch keiner ab. Wir erwarten schnellstmöglich neue Parolen, um Schaden von unserem Problembewußtsein abzuwenden.

Um den Schaden wenigstens zu begrenzen, könnte man einfach keine Meßergebnisse mehr veröffentlichen. Die sind an allem Schuld. Datenvernichtung kann durchaus geboten sein, wenn es etwas Wertvolles zu schützen gilt. Daher werden Videoaufzeichnungen aus Bahnhöfen nach kurzer Zeit gelöscht, um die Persönlichkeitsrechte der Gefilmten zu wahren. Ebenso wäre es doch denkbar, alle Wetterberichte nach einer Woche zu vernichten, um den Klimaschutz zu schützen! Wenn keine echten Meßdaten vorliegen, kann keiner mehr vorrechnen, daß sich die Atmosphäre in Wirklichkeit gar nicht erwärmt.

Endlich wäre die Bahn wieder frei für eine ungestörte Klimadebatte. Solche Geisterdebatten ohne Realitätsstörung bergen den uneinholbaren Vorzug, daß sie vollkommen geradlinig verlaufen.

Wie wohlgeordnet die Welt der Geisterdebatten auch auf ganz anderen Feldern ist, hat der 1. Mai wieder illustriert. Links- und Rechtsextremisten spielten in Hamburg miteinander „Herbst 1932“ und gingen vor Begeisterung über ihre heile Gespensterwelt ganz in dem lustigen Treiben auf. Die Polizei war nicht so begeistert. „Fast hätte es Tote gegeben“, meinte ein Verantwortlicher.  Warum? Wir haben eine Ahnung: Hätte jemand „Hitler ist tot!“ oder „Wir schreiben das Jahr 2008!“ in die freudig erregte Masse gerufen, sie hätten ihn vermutlich gemeinschaftlich gelyncht, die Roten und die Brauen, wegen dieser ungeheuerlichen Spielverderberei.

Abends zurück in Berlin wollten einige linke Hamburgreisende noch ein bißchen weiterspielen, nur waren keine Nazis da. Da bog freundlicherweise Polizeipräsident Glietsch um die Ecke. Er war von seiner „Deeskalationsstrategie“ dermaßen begeistert, daß er unbedingt mal an Ort und Stelle bewundern wollte, wie sie wirkt.

Die Wirkung flog ihm in Form von Steinen, Stühlen und Flaschen entgegen, so daß der arme Glietsch biernaß und die Panik im Blick davonhasten und in einem Polizeibus Schutz suchen mußte.

War er enttäuscht? Aber nie im Leben: Der Chefpolizist unserer Hauptstadt ist halt ein wohlgeratenes Kind unserer Zeit. Kaum der brachialen Eskalation entronnen und getrocknet hatte er Traum und Wirklichkeit schon wieder komplett ausgetauscht: Die „Deeskalation“ sei ein voller Erfolg gewesen, weiß Glietsch.


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