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17.05.08 / Zukunft des Geländes Tempelhof weiter ungeklärt / Die Nachnutzung des Flughafen-Geländes wirft weiter Fragen auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-08 vom 17. Mai 2008

Zukunft des Geländes Tempelhof weiter ungeklärt
Die Nachnutzung des Flughafen-Geländes wirft weiter Fragen auf
von Patrick O’Brian

Die zwei Berlin-Besucher aus München staunten: „So viel Platz habt ihr hier in Berlin – das ist ja die reinste Verschwendung.“ So sehen das viele, die nach Berlin kommen. Gerade, wenn sie aus der bayerischen Hauptstadt kommen. Dort leben 4100 Menschen auf einem Quadratkilometer. In Berlin sind es 3200.Berlin hat keine Probleme mit Wohnungsnot. Im Gegenteil: Es gibt viel zu viel Leerstand in der Stadt, so daß Vermieter bereits schimpfen und manche Wohnungsbaugesellschaft im Ostteil sich immer neue Anreize ausdenken muß, um neue Mieter zu gewinnen. Wenn sie die ungeliebten Plattenbauten nicht gleich einreißen lassen.Trotzdem soll das Wohnungsangebot nochmals erhöht werden. Der Senat wünscht sich, so heißt es, eine teilweise Bebauung des frei werdenden, über 300 Hektar großen Tempelhofer Feldes. Es könnte am Rand mit Wohnhäusern bebaut werden. Und in die Mitte käme ein großer Park, so etwa lautete bisher die große Richtung. Aber wer soll dort hin ziehen?In jedem Fall wird es dauern, bis ein Nachnutzungskonzept in die Tat umgesetzt ist. München war 1992 in der gleichen Position, als das letzte Flugzeug in München-Riem startete. Damals gab es schon seit zwei Jahren die Pläne für die weitere Nutzung des Flugplatzes. Aber erst 2013 soll die Messestadt München-Riem wirklich fertig sein. Dann sind mehr als 20 Jahre vergangen. Und das in einer Stadt, in der es sehr schwer ist, passenden Wohnraum zu finden.In Berlin herrscht kein solcher Druck.

Es mangelt nicht an freien Plätzen in leerstehenden Altbauten. Oder an Baulücken, die es noch zu füllen gilt. Private Investoren werden sich also kaum darum reißen, unbedingt in ein Riesenareal wie Tempelhof zu investieren. Lieber stecken sie ihr Geld in attraktive Viertel wie Prenzlauer Berg. Dort ist die Nachfrage groß, und das Angebot klein. Die Worte „Dachgeschoß“ und „Prenzlauer Berg“ sind Schlüsselreize im Ohr jedes Immobilienmaklers. Über 3000 Euro pro Quadratmeter lassen sich die Kunden das kosten. Das mag im nationalen und erst recht im internationalen Vergleich wenig sein – für Berliner Verhältnisse ist es recht viel.

Es gibt noch andere Luxusprojekte, die teuer an den Mann gebracht werden können. So entstehen in Lichterfelde im Südwesten der Stadt gerade 238 Lofts. Schon in einem guten Jahr sollen die neuen Eigentümer in den nach Marilyn Monroe benannten Gebäudekomplex einziehen. Ihre Kinder können sie gleich mitbringen, es gibt eine zweisprachige Schule. Das Gebäude war bis 1945 eine Fabrik von Telefunken, dann eine US-Kaserne. Jetzt kostet ein Quadratmeter Wohnraum fast 2500 Euro. Die zwei Beispiele zeigen, daß sich Geschäfte vor allem mit Luxusimmobilien für ein paar Gutbetuchte machen lassen. Doch: Der Berliner Immobilienmarkt ist Spiegelbild der gesamten Gesellschaft: Das viel beklagte Auseinanderdriften von Arm und Reich, von oben und unten findet auch hier statt. Eine Riesenfläche wie das Tempelhofer Flugfeld kann aber nicht mit einer Handvoll Millionäre besiedelt werden. Private Investoren hätten sich für den weiteren Flugbetrieb sofort gefunden. Aber für die Bebauung Tempelhofs wird der Senat kaum welche finden, weil das Gebiet einfach zu groß ist.

Und wenn die Stadt es selbst in die Hand nimmt? Die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften mit ihren 300000 Wohnungen haben im vergangenen Jahr gerade mal 117 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet. Würde die Stadt selbst neue Wohnungen bauen, machte sie sich nur selbst Konkurrenz. Außerdem räumte selbst der rot-rote Senat vor Monaten ein: „Angesichts der Berliner Immobilienmarktsituation sind mittelfristig nur begrenzte Aufnahmekapazitäten zu erwarten.“Vielleicht auch deswegen legte die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer eine Kehrtwende ein. Nach der Volksabstimmung hieß es plötzlich, dort solle ein Zentrum der „Kreativwirtschaft“ entstehen, was immer damit auch genau gemeint sein soll.„Kreativwirtschaft“ klingt erst einmal gut. Vielleicht meint sie ja die Medienfirmen, die in das Gewerbegebiet Mediaspree in Kreuzberg einziehen sollten. Doch gegen das Ansiedlungsprojekt gibt es heftigen Widerstand, vor allem von linken Gruppen. Am 13. Juli entscheiden die Bürger in einem Bezirks-Bürgerbegehren. Für Junge-Reyer käme eine Ablehnung des Bezirksvorhabens unter diesen Umständen ganz gelegen.


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