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17.05.08 / Minderheit im eigenen Land / Die Tibeter erleiden eine »bewußte Umvolkung« und Vernichtung ihrer Kultur

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-08 vom 17. Mai 2008

Minderheit im eigenen Land
Die Tibeter erleiden eine »bewußte Umvolkung« und Vernichtung ihrer Kultur
von Albrecht Rothacher

Tibet gehört schon lange nicht mehr den Tibetern. Die Tibeter erleben derzeit einen weiteren massiven Schub in der Zuwanderung von Han-Chinesen. Schon jetzt sind sie durch Besatzungssoldaten, Staatsangestellte, zugewanderte Facharbeiter und Händler in den Städten Lhasa und Shigatse zur Minderheit im eigenen Land geworden. Experten nennen dies eine „organisierte Umvolkung“. Handel, Industrie, Verwaltung und Schulen werden von den Chinesen kontrolliert. Entsprechend stark entlud sich bei den Krawallen vom 14. März der Zorn auf die chinesischen Geschäfte, Banken und Hotels, die sich in der Altstadt von Lhasa breitgemacht hatten. Dagegen haben die des Chinesischen und seiner komplizierten Schriftsprache meist unkundigen Tibeter im Verwaltungs- und Geschäftsleben keine Chance. Der Unterricht auf Tibetisch hört nach dem zweiten Schuljahr auf. Je schneller die rückständigen, dem sozialistischen Staatskapitalismus abholden Tibeter sinisiert sind, desto besser für sie und für Chinas Sicherheit, so die unverbrämte koloniale Entwicklungsdoktrin Pekings.

Wie viele Randgebiete und Nachbarstaaten des heutigen China war Tibet mit China seit dem 13. Jahrhundert in einem losen Suzeränitätsverhältnis verbunden, das sich im wesentlichen auf den Austausch von Tributen gegen Geschenke mit dem chinesischen Kaiser beschränkte. 1950 jedoch wurde das 1913 formell unabhängig gewordene Gotteskönigreich Tibet von der kommunistischen Volksbefreiungsarmee auf Befehl Mao Zedongs erobert. Ein Aufstand der Tibeter gegen die Zwangskollektivierung und den Verlust ihrer Herden wurde 1959 mit über 100000 Toten niedergeschlagen. 200000 gelang die Flucht mit dem Dalai Lama, der 14. Inkarnation des Buddha, ins nordindische Exil. Schon in den 50er Jahren wurden in den tibetisch besiedelten Gebieten der Nachbarprovinzen Qinghai, Ganxi und Sichuan, wo die Hälfte der 5,4 Millionen Tibeter wohnen, Äbte und Großgrundbesitzer enteignet und erschossen. Im Kerngebiet des „autonomen“ Tibet selbst begann der rote Terror mit Macht erst nach 1959. Auf dem Höhepunkt der Kulturrevolution (1966–72) wurden alle Klöster, die nicht nur der religiöse Lebensmittelpunkt, sondern auch die einzigen Kultur- und Bildungszentren der traditionell nomadischen Tibeter waren, zerstört und geschlossen. Ihre Bibliotheken und Kunstwerke wurden verwüstet und verbrannt. Auch nach der späteren Wiedereröffnung mancher Klöster und ihrer teilweisen Renovierung bleibt die Zahl ihrer Insassen streng begrenzt. Tibetische Heiligtümer wie der Potala Palast dienen heute als Touristenattraktionen und Devisenbringer.

Die tibetische Kultur wird als eine Art Himalaja Disneyland vermarktet. Und wo traditionelle tibetische Bauwerke kein Geld bringen, werden sie zugunsten moderner chinesischer Beton- und Blechkonstruktionen abgerissen. Neben der wirtschaftlichen Erschließung und han-chinesischen Besiedlung Tibets stützt sich die chinesische Kolonialpolitik auf die Kontrolle des religiösen Lebens und den Versuch, das Volk vom Dalai Lama zu entfremden. Wer bei der Verehrung oder dem Besitz von Bildern des Dalai Lama ertappt wird, hat mit Gefängnisstrafen zu rechnen. In allen 1700 Klöstern gibt es Vertrauensleute der „demokratischen Vereinigungen“, die als Politruks die Mönche bespitzeln und nunmehr die „patriotischen Erziehungskampagnen“ zu beaufsichtigen haben. Auch versucht der atheistische Staat, die Auswahl der reinkarnierten jungen Lamas zu manipulieren. Am schrecklichsten ist in Tibet die Praxis der erzwungenen Abtreibungen, die seit 1984 mit wenigen Abstrichen auch den Minderheiten, die zum Überbevölkerungsproblem der Han-Chinesen in ihren entlegenen Gebieten kaum betragen, aufgezwungen wurde. Spätestens nach dem zweiten Kind erfolgen Zwangsabtreibungen, Säuglingstötungen im Geburtsvorgang und Zwangssterilisierungen. In den frühen 90er Jahren bewährte sich ein gewisser Hu Jintao als Parteisekretär in Lhasa bei der politischen Disziplinierung der starrsinnigen Tibeter. Bei dem letzten Aufstandsversuch ließ er 1989 das Militär in die Volksmengen schießen mit Hunderten von Toten. Heute ist er Präsident der Volksrepublik und möchte seinen Triumph vor aller Welt bei den Olympischen Sommerspielen abfeiern lassen. In seinem Exil in Dharamsala im indischen Himalajavorland gibt sich der mittlerweile 73jährige Dalai Lama wie immer versöhnlich. Seit 1988 verlangt er nur noch die Autonomie Tibets statt seiner Unabhängigkeit und setzt im Lichte der buddhistischen Lehre auf strikte Gewaltfreiheit. Für ihn ist das Olympische Jahr die letzte Chance, China gesprächsbereit zu machen und kulturelle Autonomierechte für Großtibet (das heißt auch für die 1965 abgetrennten tibetisch besiedelten Präfekturen in Sichuan, Gansu, Qinghai und Yunnan) und ein von allen Gläubigen ersehntes Rück-kehrrecht nach Tibet zu erreichen. Peking jedoch denunziert ihn weiter öffentlich und aggressiver denn je als landesverräterischen Spalter. Ob er Erfolg hat, hängt im großen Maße von der Nachhaltigkeit der weltweiten Proteste gegen die chinesische Repression und dem – nicht sonderlich stark entwickelten – Rück-grat der politischen Klassen des Westens ab.

Foto: Dalai Lama: Der im Exil Lebende steht für die Unterdrückung Tibets. (ddp)


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