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17.05.08 / Ein Gespenst kehrt zurück / Die libanesische Krise droht in einen neuen Bürgerkrieg zu münden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-08 vom 17. Mai 2008

Ein Gespenst kehrt zurück
Die libanesische Krise droht in einen neuen Bürgerkrieg zu münden
von R. G. Kerschhofer

Was doch alles gleichzeitig passieren kann: Israel feiert sein 60. Gründungsjubiläum, die Palästinenser gedenken dieses Ereignisses als „Nakba“, als Katastrophe ihrer Vertreibung, die israelische Anti-Korruptionsbehörde gibt die Einleitung eines Verfahrens gegen Ministerpräsident Olmert bekannt, und im Libanon brechen blutige Kämpfe aus, die wie ein neuer Bürgerkriegs aussehen.Das Gespenst des Bürgerkriegs spukt eigentlich schon seit der Ermordung des früheren Ministerpräsidenten Hariri im Februar 2005 und dem danach auf internationalen Druck erfolgten Abzug der einst als Ordnungsmacht ins Land gerufenen syrischen Truppen. Es folgten weitere Attentate, die auch nie aufgeklärt wurden und sich um so besser den jeweiligen Gegnern in die Schuhe schieben lassen.Der israelische Angriff im Sommer 2006 galt der schiitischen Hisbollah, zerstörte aber auch fernab aller Hisbollah-Stellungen die libanesische Infrastruktur und hinterließ unzählige Blindgänger von „Streubomben“. Die israelische Aktion schwächte die libanesische Regierung des sunnitischen Ministerpräsidenten Siniora – und bescherte der Hisbollah einen enormen Prestige-Gewinn. Denn die Hisbollah hatte den Israelis empfindliche Verluste zugefügt und war dann die einzige Organisation, die sich tatkräftig um die Opfer und den Wiederaufbau kümmerte: Während Hilfsgelder meist in dunklen Kanälen versickern, war das mit den iranischen Hilfsgeldern nicht der Fall – dank der straffen Hisbollah-Disziplin.Weiter geschwächt wurde die Regierung im November 2006 durch den Austritt der pro-syrischen Gruppierungen und im Frühjahr 2007 durch die um das Palästinenser-Lager Nahr-al-Bared ausgebrochenen Kämpfe, deren Hintergründe ebenfalls ungeklärt bleiben, nach aller politischen Logik aber nicht mit den üblichen Sündenböcken Hisbollah, Hamas, Syrien und Iran zu tun haben können.Seit im November 2007 die Amtsperiode des christlichen prosyrischen Präsidenten Lahud auslief, ist der Libanon ohne Staatsoberhaupt. Zwar hat man sich längst auf den Armeechef Michel Sleimane als Nachfolger geeinigt, doch dessen Wahl bedarf einer Verfassungsänderung, und der wollen die Oppositionsparteien nur unter der Bedingung einer maßgeblichen Regierungsbeteiligung zustimmen.Die jüngsten Kämpfe wurden von Ministerpräsident Siniora ausgelöst, der den Sicherheits-Chef des Flughafens wegen „Hisbollah-Nähe“ absetzte und die Schließung des von der Hisbollah betriebenen Telekom-Netzes verfügte.

Die Hisbollah ist heute in Teilen des Landes tatsächlich eine Art Staat im Staate, und Siniora mag „verfassungsrechtlich“ zu seinen Maßnahmen befugt gewesen sein. Politisch klug waren sie aber nicht. Siniora mußte das wissen – daher der Verdacht, daß er von außen „inspiriert“ wurde.Hisbollah-Führer Nasrallah bezeichnete die Maßnahmen als „Kriegserklärung“, worauf Hisbollah-Milizionäre Straßenblockaden errichteten und innerhalb zweier Tage ganz Westbeirut unter ihre Kontrolle brachten. Gekämpft wurde zwischen sunnitischen und schiitischen Milizionären – das christliche Ost-Beirut war nicht betroffen. Der Konflikt paßt aber nicht in das Schema „Sunniten gegen Schiiten“, denn im Nord-Libanon bekämpften einander sunnitische Anhänger und Gegner Sinioras. Und in Dörfern im Schuf-Gebirge östlich von Beirut hatten regierungstreue Drusen schiitische Nachbarn überfallen und getötet – für die Hisbollah ein Anlaß, gegen ihre drusischen Todfeinde loszuschlagen. Der derzeit mit Siniora verbündete Drusen-Fürst Walid Dschumblatt, Vorsitzender der „Sozialistischen Fortschrittspartei“, spielt seit Jahren eine überaus zwielichtige Rolle.Die Armee hielt sich – entgegen den Befehlen Sinioras – aus den Kämpfen heraus. Eine kluge Entscheidung, denn dieses einzige überkonfessionell funktionierende Staatsorgan wäre sonst zerrissen worden. Daß kürzlich im Irak Tausende Soldaten den Befehl verweigerten oder desertierten, als der schiitische Regierungschef Al-Maliki sie gegen schiitische Milizionäre in den Kampf schickte, war Warnung genug. Die Armee veranlaßte vielmehr, daß Siniora die umstrittenen Maßnahmen zurücknahm und die Hisbollah im Gegenzug der Armee wieder die Kontrolle über West-Beirut überließ.Angesichts der Zersplitterung des Landes – auch die Christen sind teils Verbündete, teils Gegner Sinioras – ist eine weitere Zuspitzung der Lage nicht ausgeschlossen. Dies um so mehr, als sie den Vorwand für Angriffe auf Syrien oder den Iran liefern könnten.


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