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17.05.08 / Reformation versus Gegenreformation / Fruchtbarer Gedankenaustausch zwischen Königsbergs Gelehrten und Humanistenkreis des Bistums Ermland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-08 vom 17. Mai 2008

Reformation versus Gegenreformation
Fruchtbarer Gedankenaustausch zwischen Königsbergs Gelehrten und Humanistenkreis des Bistums Ermland
von Rüdiger Ruhnau

Für den Hochmeister Albrecht von Preußen (1490–1568) war die Umwandlung des Deutschordenslandes in ein weltliches, protestantisches Herzogtum nicht nur ein geschicktes politisches Manöver, es war für ihn eine Angelegenheit aus innerster Überzeugung. Unter größter Geheimhaltung traf er 1523 mit Martin Luther zusammen, der zur Auflösung des Deutschen Ordens und Begründung einer weltlichen Herrschaft in Preußen riet. Mit der später erfolgten Gründung der Königsberger Universität (1544) bezweckte man in erster Linie die Ausbildung eines geeigneten protestantischen Predigernachwuchses. Gleichzeitig sollten dort die für die Verwaltung des Landes benötigten Beamten und Richter herangebildet werden. Unter dem ersten Rektor der Universität Georg Sabinus, einem Schwiegersohn Melanchthons, entwickelte sich die Hochschule zu einem geistigen Mittelpunkt Ostdeutschlands. Neben der beherrschenden Theologie kamen allgemeine Bildung und Forschung nicht zu kurz. Indem man den antiken Vorbildern nacheiferte, wurde im Sinne des Humanismus ein freies Denken gelehrt, glaubte man, dem Ideal der freien Menschlichkeit am besten nachzufolgen.

Zwischen den Königsberger Gelehrten und dem Humanistenkreis des Bistums Ermland, dem zweiten Zentrum des literarischen Lebens im Preußenland des 16. Jahrhunderts, fand ein fruchtbarer Gedankenaustausch statt, der gleichwohl nicht verhindern konnte, daß im Ermland wie in Westpreußen der Siegeslauf der Reformation gebremst wurde. Die letzte Epoche des Ordensstaates, beginnend mit der 1498 erfolgten Wahl Friedrichs von Sachsen zum Hochmeister und endend mit dem Übergang zur Reformation, war von einer bemerkenswerten geistesgeschichtlichen Umwandlung geprägt: Die Ideen des Humanismus hielten Einzug in das Ordensland, sie schwächten gleichzeitig die im Mittelalter dominierende Stellung der Römischen Kirche. Durch das Auffinden alter Handschriften erweiterte sich der Kreis antiker Schriftsteller, die man mit Versen und Prosa in lateinischer Sprache nachzuahmen versuchte (Agricola, Erasmus), während bei Ulrich von Hutten der Humanismus mehr nationale Züge annahm. Eine päpstliche Verordnung vom 29. Juli 1243 hatte Preußen in vier Bistümer eingeteilt: Kulm, Pomesanien, Ermland und Samland. Nach dem 1466 geschlossenen Zweiten Thorner Frieden kamen Kulm und das Ermland unter die Oberhoheit der polnischen Königskrone (die zeitweise auch von Deutschen getragen wurde), während die beiden Bistümer Pomesanien und Samland weiterhin zum Deutschordensstaat gehörten. 1525 traten die Landesbischöfe Georg Polentz von Samland und Erhard Queis von Pomesanien freiwillig ihre Herrschaftsrechte und Gebiete an Herzog Albrecht von Preußen ab. Sie waren die einzigen deutschen Bischöfe, die schon vor dem Jahre 1525 ihre römisch-katholische Unterstellung widerriefen.

Das ermländische Bistum, dessen Landgebiet in Form eines Dreiecks mit seiner nördlich verbreiterten Spitze das Frische Haff berührt, reicht im Süden bis zu den Masurischen Seen. Um das Jahr 1400 besaß die Diözese Ermland 274 Pfarrkirchen.Für eine Änderung von Rechtsstellung und territorialem Besitzstand des Deutschen Ordens waren allein Kaiser und Papst maßgebend. Beide erkannten aber den Thorner Friedensvertrag nicht an, dessen Grundlagen demzufolge dürftig, wenn nicht angreifbar waren. Auch nach 1466 blieb das Bewußtsein von der Einheit des Landes Preußen erhalten, infolgedessen setzte nun ein 300jähriges Ringen um die Eigenständigkeit des westlichen Preußens ein. Eine Besonderheit des ermländischen Bistums bestand darin, daß nicht nur der Bischof gleichzeitig Landesherr war, sondern auch das Domkapitel in einem Teil der Diözese weltliche Gewalt ausübte.Nacheinander besetzten drei aus Danzig stammende Kleriker den ermländischen Bischofsthron: Moritz Ferber, aus dem bekannten Patriziergeschlecht der Ferber stammend, von 1523 bis 1537; Johannes Dantiscus (1537–1548) und Tiedemann Giese (1548–1551). Der konfessionelle Unterschied zu dem Humanistenkreis am Königsberger Hof bildete zunächst kein Hindernis für den Gedankenaustausch, zumal sich auf beiden Seiten deutsche Gelehrte beteiligten. Das änderte sich erst, als Stanislaus Hosius 1551 die Weihe zum Bischof des Ermlandes empfing. Hosius, einer deutschen Familie aus Baden entstammend (namens Hose), entwickelte sich zur bedeutendsten Persönlichkeit der polnischen Gegenreformation. Eine scharfe Feder führend, berief er die Jesuiten nach Polen und brachte es noch bis zum Kardinal. Auf seinen Eifer war die Zurückdrängung des Deutschtums in Westpreußen zurückzuführen, ausgenommen die Städte Danzig, Thorn und Elbing. Diese errangen das Recht der freien Religionsausübung, blieben protestantisch und bewahrten ihr Deutschtum. Die kritischsten Gegner erwuchsen dem Katholizismus in den Humanisten. Sie strebten eine Erneuerung der Kirche einschließlich der theolo­gischen Bildung an und forderten ein von den Traditionen der Dogmen freies, moralisches Christentum, vergeistigt durch die humanistische Ausrichtung. An erster Stelle sind hier zu nennen Erasmus von Rotterdam und Johann Reuchlin aus Pforzheim. Die erfolgreichste Förderung erfuhr der Humanismus in Preußen in der Person des 1537 auf den Stuhl der bischöflichen Residenz in Heilsberg berufenen Johannes Dantiscus.

Wie gleicherweise in der Diözese Kulm, residierte auch das ermländische Domkapitel, getrennt von seinem Oberhirten, in dem Städtchen Frauenburg am Frischen Haff. Johannes Flachsbinder, wie Dantiscus vor der Latinisierung seines Namens hieß, besaß die Gunst des Königs, in dessen Auftrag er öfter in diplomatischen Diensten unterwegs war. Es ist wohl dem opportunistischen Charakter des Dantiscus zuzuschreiben, der einerseits als fruchtbarer Poet humanistischer Verse auftrat, dies andererseits mit seinen bischöflichen Aufgaben zu vereinbaren meinte. Der dritte Danziger auf dem ermländischen Bischofsthron, Tiedemann Giese, ein Bruder des von Holbein porträtierten Kaufmanns Giese, war befreundet mit Nicolaus Copernicus, der zu den Mitgliedern des ermländischen Domkapitels gehörte. Copernicus wiederum verdankte die Domherrenwürde seinem Onkel Lukas Watzenrode, der von 1489 bis 1512 den ermländischen Bischofsstuhl einnahm. Watzenrode hatte mit aller Umsicht den Lebensweg seines Neffen vorbereitet, der sich später als Dompropst in Frauenburg ganz seinem astronomischen Lebenswerk widmen konnte. Obwohl die weltbewegende Tat des Copernicus völlig den Ideen des Humanismus entsprach, ist der preußische Astronom dem alten römischen Glauben treu geblieben.


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