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17.05.08 / Australiens letzter Träger

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-08 vom 17. Mai 2008

Australiens letzter Träger
von Hans Lody

Seit der Verschrottung ihres Schwesterschiffes „Sydney“ vor 35 Jahren, im Jahre 1973, war die „Melbourne“ der letzte Flugzeugträger der Australier. Im Gegensatz zur „Sydney“, die am Koreakrieg beteiligt war, brauchte die „Melbourne“ niemals in den Krieg zu ziehen. Ihre erste Aufgabe bestand darin, die 1956 in Australien erstmals stattfindenden olympischen Sommerspiele zu unterstützen. Richtig bekannt wurde der Träger durch zwei tragische Unfälle mit den Zerstörern „Voyager“ und „Frank E. Evans“, welche ihm die Bezeichnung „Killership“ einbrachte. Am 6. Februar 1964 verließ die „Melbourne“ unter der Führung von Captain Hickling den Hafen von Sydney, um an einem Manöver teilzunehmen. In ihrer Begleitung befand sich der australische Zerstörer „Voyager“. Am Abend des Tages war der Himmel klar und wolkenlos. Die Sicht war ausgezeichnet, und die See war ruhig, es gab nur eine leichte Dünung. „Melbourne“ und „Voyager“ fuhren nicht abgeblendet, sogar die Positionslichter waren gesetzt, und auf dem Topmast brannten rote Lichter. Alles war gut, bis der Kommandant der „Melbourne“ dem Zerstörer einen Positionswechsel befahl. Anstatt im Kielwasser des Trägers dessen Kurs zu kreuzen, versuchte der Zerstörer, vor dem Bug des Trägers diesen Wechsel auszuführen. Dabei kam es zur Kollision. Es war genau 20.56 Uhr, als der Steven des Trägers den Zerstörer vor der Brücke in zwei Teile zerschnitt.

Der hintere Teil des Zerstörers, der etwa zwei Drittel ausmachte, hielt sich noch drei Stunden, bevor er von der Meeresoberfläche verschwand. Das Vorschiff sank wenige Minuten nach dem Zusammenstoß. Das Wrack liegt noch heute in einer Tiefe von 140 Metern auf dem Meeresgrund. 82 Seeleute von der „Voyager“, darunter der Schiffsführer Captain D. H. Stevens und 13 weitere Offiziere, kamen ums Leben. Noch heute beschäftigt die australische Öffentlichkeit der Vorfall, so daß sogar Bücher dazu geschrieben worden sind.Fünf Jahre später fand dann der zweite tragische Zwischenfall statt. Am 11. Mai 1969 verließ die „Melbourne“ den Hafen von Manus, um sich an der Seato-Übung „Sea Spirit“ zu beteiligen. Am 3. Juni kam es zu einem schweren Unfall. Wieder sollte ein Begleitzerstörer nächtens seine Position zu dem Träger wechseln. Diesmal war es mit der „Frank E. Evans“ ein US-amerikanisches Schiff, das ein „Opfer“ der „Melbourne“ wurde. Noch um 3.10 Uhr liefen beide Schiffe parallel, dann änderte der Zerstörer seinen Kurs und kreuzte jenen des Trägers. Die Gegenbefehle wurden zu spät erteilt. Wieder schnitt der Träger seinem Begleitzerstörer das Vorschiff ab. Es versank sofort. Das Hinterschiff des Zerstörers blieb diesmal schwimmen. Dennoch starben 74 Seeleute der „Frank E. Evans“. Unter ihnen befanden sich drei Brüder: Gary, Gregory and Kelly Sage. Die Eltern hatten bereits im Zweiten Weltkrieg einen Sohn verloren.

Nach seiner Außerdienststellung im Jahre 1982 und dem Verkauf an eine chinesische Schrottfirma 1985 leistete die „Melbourne“ noch unfreiwillige Entwick­lungshilfe für die chinesische Marine, die sich schon seit geraumer Zeit um Flugzeugträgertechnologie bemühte. Die Regierung von Australien hat keine finanziellen Mittel bereitgestellt, um einen Ersatz für die „Melbourne“ zu beschaffen, so daß die „Melbourne“ bis auf weiteres Australiens letzter Flugzeugträger bleiben wird.


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