29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
17.05.08 / Der magische Ort Bayreuth / Vorschau auf die Richard-Wagner-Festspiele 2008

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-08 vom 17. Mai 2008

Der magische Ort Bayreuth
Vorschau auf die Richard-Wagner-Festspiele 2008
von Irmgard Dremel

In den vergangenen Jahren, etwa seit der Jahrtausendwende, hat in Bayreuth, wie anderswo seit Jahrzehnten, ein Wandel stattgefunden. Schritt für Schritt, Jahr für Jahr. Manche sagen, es fing mit Muellers „Tristan“ und Flimms „Ring“ an. Zugegeben, es mögen darin einige seltsame Elemente vorgekommen sein, aber insgesamt konnte man durchaus von eigenwilligen und geschlossenen Werksauffassungen sprechen. In anderen Worten: Die Werke waren durchaus als Tristan oder Ring, als Richard Wagner erkennbar.

Das änderte sich mit Guths „Holländer“, vor allem aber mit Schlingensiefs „Parsifal“ – dem man im Gegensatz zu Guth keinerlei Ernsthaftigkeit bescheinigen kann, worauf er auch offensichtlich großen Wert legt. Auf dem Spielplan stehen in diesem Jahr „Die Meistersinger von Nürnberg“, „Tristan und Isolde“, „Der Ring des Nibelungen“, und als Neuinszenierung „Parsifal“ von Stefan Herheim. Man wünscht sich, daß dem vom „Gaudiburschen Schlingel-Sief“ entstellten Werk wieder sein Charakter als Bühnenweihspiel zurückgegeben wird. „Parsifal“ ist durch und durch metaphysisch, und alles andere als eine Volksbelustigung, ein Pangaudium. Selbstverständlich kann man dies in einer „modernen“ Inszenierung genauso zeigen wie in einer „klassischen“. Die Frage sollte eigentlich nie auf diese Weise gestellt werden, sondern es geht immer darum, ob es eine gute, gelungene, schlüssige oder eine schlechte, mißlungene, unverständliche Regie ist. Es tut wirklich not, daß Schlingensiefs Peinlichkeit totalem Vergessen anheimfällt und ohne Pause eine Neuinszenierung folgt. Man ist gespannt!

Tankred Dorsts „Ring“ hat oft eine wunderbare, tiefgründige Bildhaftigkeit. Man spürt, daß es ihm um den Mythos des Werks geht. Man sollte sich diesen „Ring“ anschauen, allein schon wegen der grandiosen musikalischen Leitung Christian Thielemanns, dessen Wagnerdirigat zum besten gehört, was es heute weltweit zu hören gibt! Wasser, Erde, vor allem aber Feuer spielen archetypisch mit, so wie es Wagner verstanden hat. Die unterschiedlichen Zeitebenen, auf denen sich das Ringdrama nicht erst seit Richard Wagner, sondern seit Anfang der Menschheit immer wiederholt, sind geschickt konzipiert, aber leider manchmal nicht ebenso geschickt umgesetzt. Es ist ein Ring ohne Krawatten- und Anzugträger, ohne Plastikkoffer und Küchenutensilien, die natürlich jeden Mythos im Ansatz zerstören würden.Ein flaues Gefühl hat man bei der Meistersinger-Regie Katharina Wagners. Es sind zu viele Bestandteile, als daß man sie alle den großen Handlungsebenen des Werks zuordnen könnte. Ein Sammelsurium, das ständig erklärungsbedürftig ist. Die humoristische Dimension des Werks geht verloren, es sei denn, man kann über Pappmachéköpfe (und Glieder) lachen. Die ganze Komponistenwelt, oft nicht erkennbar noch dazu, zieht nämlich so auf! Die Sexsymbole und Nuditäten sind völlig überflüssig – eine Inszenierung, die an ein Panoptikum erinnert.

Christoph Marthalers inszeniert wie bei ihm üblich öde: Ein „Tristan“, dessen Bühnenbild an einen Bahnhofssaal aus der Nachkriegszeit erinnert, mit entsprechend gekleideten Akteuren – einfach trist! Und dennoch: Trotz all dem ist ein Besuch der Festspiele unerläßlich. Denn die durch keinerlei Regie zerstörbare Musik Richard Wagners in seinem Festspielhaus mit der unglaublichen Akustik, mit den phänomenalen Chören, mit der unübertrefflichen Lichtregie – sie bleiben die durchgehenden Konstanten, die jenseits aller Experimentiererei eben einmalig auf der Welt sind! Der Nimbus Bayreuths gilt, noch, weltweit. Er darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Salzburg kann sich die Zerstörung der Oper noch eher leisten, es verbleiben viele Konzerte vom feinsten, die ausverkauft sind, während man inzwischen viele Opernkarten – es sei denn Anna Netrebko oder Villazon singen – im Vorverkauf noch erhält. Dies ist in Bayreuth bis vor kurzem unmöglich gewesen, außer man zahlte horrende Schwarzmarktpreise. Auch heute noch könnten viele Aufführungen fünf- oder sechsmal verkauft werden. Bereits vor zwei Jahren aber sah man einen Tauschwilligen, der fünf Schlingensief-„Parsifals“ gegen einen „Tannhäuser“ anbot!Bayreuth steht und fällt mit Richard Wagner, es ist Richard Wagner – in der ganzen Welt wird es mit ihm gleichgesetzt. Wer das Festspielhaus betritt, wird auf einer Tafel daran erinnert, daß die größte Oper, die es gibt, „Der Ring des Nibelungen“, hier uraufgeführt wurde. Der berühmte Wagnerdirigent Hans Knappertsbusch soll beim Betreten seinen Hut abgenommen und seine Zigarre ausgemacht haben. Er verspürte die Magie, die von diesem Ort ausging – es ist eben nicht irgendein Festspiel-Ort! So ist von ganzem Herzen zu wünschen, daß dieses magische Kraftfeld erhalten bleibt!


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren