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24.05.08 / »Ostpreußen bleibt« / Rede des Sprechers der Landsmannschaft Ostpreußen, Wilhelm v. Gottberg, beim Deutschlandtreffen in Berlin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-08 vom 24. Mai 2008

»Ostpreußen bleibt«
Rede des Sprechers der Landsmannschaft Ostpreußen, Wilhelm v. Gottberg, beim Deutschlandtreffen in Berlin

Genau 63 Jahre nach Beginn von Flucht und Vertreibung und 60 Jahre nach Gründung der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) hat der Bundesvorstand der LO Sie, verehrte Damen und Herren und liebe Landsleute, zum 19. Deutschlandtreffen der Ostpreußen hier nach Berlin auf die Messe eingeladen.

Wir sind die einzige große ostdeutsche Landsmannschaft, die nun schon zum zweiten Mal ihr bundesweites Begegnungstreffen in der deutschen Hauptstadt durchführt. Rund sechs Jahrzehnte nach Flucht und der gewaltsamen Massenaustreibung aus unserer einzigartigen Heimat Ostpreußen folgen immer noch tausende Landsleute, nachgeborene Ostpreußen und die Freunde unserer Heimat der Einladung des Bundesvorstandes der LO. Bedarf es eines stärkeren Beweises, daß die Ostpreußen eine Schicksalsgemeinschaft sind? Wir sind hier, um für das Recht auf die Heimat, für die Ächtung von Vertreibungen und für eine ansatzweise Heilung des Vertreibungsunrechtes die Stimme zu erheben.

Unsere Treue zur angestammten Heimat gilt nicht einem schwärmerischen Wolkenkuckucksheim, sondern sie gilt Ostpreußen und seinen Regionen, den Städten und Dörfern, die unsere Geburtsstätten sind. Gerade weil wir Flucht, Vertreibung und Zwangsdeportation haben erleiden müssen, sind wir prädestiniert, unsere Stimme mahnend für die Ächtung von Vertreibungen zu erheben.

Dieses große Heimattreffen soll auch unsere jahrzehntelange Forderung nach Realisierung des Rechts auf die Heimat unterstreichen. Wir berufen uns bei dieser Forderung auf eine entsprechende Uno-Resolution, die das Recht aller Vertriebenen, zur Heimatstätte – sprich Geburtsstätte – und zum Vermögen zurückzukehren, proklamiert und in den Rahmen des Völkerrechtes erhebt.

Ostpreußen bleibt. Dies ist das Leitwort für das diesjährige Deutschlandtreffen. Ostpreußen bleibt in unseren Herzen. Wir werden als landsmannschaftliche Gesinnungsgemeinschaft wie bisher auch weiterhin dafür werben, daß Ostpreußen im kollektiven Gedächtnis der Deutschen verankert und im Geschichtsbuch der Deutschen archiviert bleibt. Ostpreußen bleibt eine unwandelbare einzigartige Region in Ostmitteleuropa. Das zivilisatorische Antlitz Ostpreußens unterliegt Schwankungen. Was Menschenhand aufgebaut hat, kann durch Menschenhand auch wieder zerstört werden. Wir haben das am Beispiel unserer Heimat erlebt. In Ostpreußen wurde viel im Krieg zerstört, aber noch mehr nach dem Krieg. Zur Zeit wird wieder aufgebaut, im nunmehr dreigeteilten Ostpreußen. Wir, die angestammten Bewohner Ostpreußens, stehen dabei nicht abseits. Ich denke zum Beispiel an die zahlreichen Kirchen in der Heimat, die bis 1945 das Landschaftsbild mitgeprägt haben. Etliche Gotteshäuser konnten wir – liebe Landsleute, durch Ihre Spenden erhalten. Die Kirchen geben Zeugnis von dem Wirken unserer Ahnen in sieben Jahrhunderten.

Ostpreußen bleibt. Auch als Bezeichnung für den früheren Ordensstaat und das spätere Herzogtum Preußen. Wir haben keine Veranlassung, vom früheren Ostpreußen zu sprechen. Wir alle wissen, daß der frühere europäische Staat Preußen untergegangen ist. Sein Erbe ist Litauern, Russen, Polen und Deutschen zugefallen. Die frühere deutsche Provinz Ostpreußen gibt es nicht mehr. Ostpreußen ist heute ein historischer Begriff, an dem wir allerdings festhalten. Mit der Beibehaltung der historischen Bezeichnung Ostpreußen für unsere Heimat stärken wir die Erkenntnis, daß unsere Wurzeln in dieser Kulturlandschaft liegen, und auch durch räumliche Trennung nicht gekappt worden sind. Mit dem Festhalten am geographischen Begriff Ostpreußen leisten wir einen Beitrag, dem unterentwickelten Geschichtsbewußtsein der jungen und mittleren Generation der Deutschen ein wenig abzuhelfen.

Weil unsere Forderung nach Realisierung des Rechts auf die Heimat immer wieder mißverständlich ausgelegt wird oder aber mit dem heute schon in der EU geltenden Recht der Freizügigkeit verwechselt wird, will ich an dieser Stelle klar definieren, was wir damit meinen. Das Recht auf die Heimat ist dann realisiert, wenn die vertriebenen Ostpreußen bzw. ihre Nachkommen als Rückwanderer im heutigen polnischen, russischen oder litauischen Teil Ostpreußens willkommen sind, und für diese Rückwanderer Minderheitenrechte nach Uno-Standard gelten. Letzteres gilt insbesondere für kulturelle Autonomie, eigene Schulen und muttersprachlichen Unterricht. Alle Rechte und Pflichten der Mehrheitsbevölkerung gelten auch für die Rückwanderer, einschließlich des Rechtes auf Erwerb und Besitz von Eigentum und Grundvermögen. Litauen ist auf diesem Sektor schon weit vorangekommen.

Liebe Landsleute, daraus wird ersichtlich, die Realisierung des Rechts auf die Heimat ist etwas anderes als das heute schon für die EU geltende Recht auf Freizügigkeit. Freizügigkeit meint ausschließlich Niederlassungsfreiheit, die für den einzelnen jederzeit widerrufen werden kann. Besondere Privilegien sind damit nicht verbunden.

Meine Damen und Herren, liebe Landsleute, eine Forderung des Bundes der Vertriebenen (BdV) und der Landsmannschaften gegenüber den Nachbarstaaten im Osten war immer auch eine Entschädigung beziehungsweise die Restitution des zurückgelassenen und konfiszierten Eigentums der Ostdeutschen. Vormalige Bundesregierungen haben diese Forderungen akzeptiert. Heute erweist es sich als Fehler, daß die Vertriebenen nicht permanent und massiv seit der Wende eine Lösung dieser Problematik angemahnt haben. Um es auf den Punkt zu bringen: Wir waren gegenüber den Bundesregierungen und dem Parlament loyal und staatstragend, wir haben den Versprechungen geglaubt, daß die Politik bei passender Gelegenheit die Entschädigungsfragen im Einvernehmen mit den betroffenen Nachbarstaaten lösen werde. Geschehen ist nichts. Die Bundesregierungen haben seit 1990 den gebotenen diplomatischen Schutz und ihre Fürsorgepflicht für ihre Landsleute in der Eigentumsfrage unterlassen.

Einen Paradigmenwechsel in dieser Frage hatte Kanzler Schröder bei seinem Besuch in Warschau 2004 vorgenommen. Daraufhin hatte damals das BdV-Präsidium am 29. Januar 2004 folgenden Beschluß gefaßt. „Die Bundesrepublik Deutschland hat in keinem der völkerrechtlich bindenden Verträge mit ihren östlichen Nachbarstaaten auf die Eigentumsposition der Vertriebenen verzichtet.“ In einem einstimmig gefaßten Beschluß des Deutschen Bundestages vom 23. Juni 1994 heißt es: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, über die Durchsetzung des Rückkehrrechts in die Heimat hinaus Möglichkeiten zu prüfen, wie Wiedergutmachungs- und Entschädigungsverpflichtungen der Vertreiber geregelt werden können.“

Geschehen ist nichts. Die Passivität der Regierungen bei der Regelung der offenen Vermögensfragen hat dazu geführt, daß die Preußische Treuhand als Selbsthilfeorganisation einzelner Betroffener gegründet wurde. Mit Klagen vor nationalen und internationalen Gerichten will man Eigentumsrechte in der Heimat geltend machen und eine – wie auch immer geartete – Entschädigung oder Restitution durchsetzen. Im Rechtsstaat Deutschland, im Rechtsstaat Polen, im Rechtsstaatsgebilde EU ist dies legitimes Handeln. Das muß die politische Klasse in Polen und auch in Deutschland aushalten. Die Preußische Treuhand ist eine legitime Privatinitiative, gewissermaßen eine Bürgerinitiative. Wir wollen hier festhalten, daß im pluralistisch verfaßten Staat Deutschland Bürgerengagement wünschenswert ist.

Die Landsmannschaft Ostpreußen hat die Eigentumsproblematik immer mit der erforderlichen Sensibilität behandelt. Es wäre verheerend, wenn bei Menschen in den Nachbarstaaten – vielleicht auch noch durch eine geschickte innerstaatliche Desinformation zusätzlich gefördert – Furcht aufkäme, daß sie ihre Häuser und Wohnungen für die deutschen Altbesitzer räumen müßten. Das will keiner, auch keiner der Kläger, die in der Treuhand organisiert sind.

Das Recht auf Eigentum hat in der Geschichte der Ostpreußen schon einmal zur Disposition gestanden. Das Beispiel, das ich jetzt anführe, ist hochaktuell, obwohl es schon 275 Jahre alt ist. Es geht um das Grundrecht auf Eigentum. Eigentum darf nicht entschädigungslos enteignet werden. Das wußten schon alle Fürsten und Diplomaten, die 1648 beim Westfälischen Frieden zu Münster und Osna-brück das Friedensdokument unterschrieben. Darin befand sich eine Passage, wonach Menschen, die ausgewiesen werden oder aufgrund politischen Druckes ihr Heimatland verlassen müssen, uneingeschränkt das bewegliche Eigentum mitnehmen können und für das unbewegliche Eigentum eine Entschädigung erhalten. Die Salzburger Glaubensflüchtlinge, die 1732 nach Ostpreußen kamen, konnten ihr Eigentum nicht mitnehmen. Das war vor 275 Jahren ähnlich wie bei uns, die wir 1945 auf die Flucht gingen oder später vertrieben wurden. Die Entschädigungsregelung des Westfälischen Friedens ließ es nicht zu, daß die Salzburger völlig mittellos aus der angestammten Heimat vertrieben wurden. Das wußte auch der neue Landesherr der Salzburger, der preußische König Friedrich Wilhelm I. Er führte für seine neuen Landeskinder einen Prozeß gegen den Salzburger Fürstbischof. Fried-rich Wilhelm handelte nach dem biblischen Grundsatz „Gerechtigkeit erhöht ein Volk“. Er gewann den Prozeß. Die nach Preußen geflüchteten Salzburger wurden für das zurückgelassene Eigentum – zu welchem Prozentsatz auch immer – entschädigt. Ich meine, das war ein Meilenstein in der Entwicklung der Grund- und Menschenrechte. Heute im 21. Jahrhundert soll das nicht mehr gelten? Polen, Tschechien und Deutschland erheben den Anspruch, Rechtsstaaten zu sein. Wie unwürdig verhalten sich diese Rechtsstaaten im Vergleich zu Preußen im Jahre 1732.

Das devote Schweigen der deutschen Regierung zu diesem Thema, gerade auch den Nachbarn im Osten gegenüber, zahlt sich nicht aus. Die Bundesregierung muß wissen, daß sie entschädigungspflichtig gegenüber ihren anspruchsberechtigten Bürgern wird, wenn sie sich nicht mit Nachdruck um eine zumutbare Lösung mit den Nachbarstaaten wegen der Eigentumsproblematik bemüht. Auch Rußland darf da nicht ausgeklammert werden.

Gestern hatte der Bundesvorstand der Landsmannschaft Ostpreußen in einer gesonderten Veranstaltung, hier auf dem Messegelände, die Konzeption der Bundesregierung zur Gedächtnisstätte für die Opfer von Flucht und Vertreibung, genannt „Sichtbares Zeichen“, thematisiert. Das „Sichtbare Zeichen“ wird den Charakter einer unselbständigen Stiftung unter dem Dach des Deutschen Historischen Museums erhalten und seinen Platz in Berlin, im Deutschlandhaus finden. Kern des „Sichtbaren Zeichens“ soll die Bonner Ausstellung „Flucht, Vertreibung, Integration“ werden.

Bei den Vertriebenen der Erlebnisgeneration fand diese Ausstellung wenig Zustimmung, weil wichtige Aspekte nicht angesprochen wurden, zum Beispiel die millionenfache Massenvergewaltigung von deutschen Frauen und jungen Mädchen. Rund 80 Prozent der Ausstellung befassen sich mit dem Teilaspekt „Integration“. Dieser Teil wird als eine großartige Erfolgsgeschichte dargestellt. Das, was uns widerfahren ist, wird nur bruchstückhaft a


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