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31.05.08 / Zu Tode verwaltet / Reformen werden verschleppt: Kirchlicher Finanzchef zeichnet wenig hoffnungsvolles Bild

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-08 vom 31. Mai 2008

Zu Tode verwaltet
Reformen werden verschleppt: Kirchlicher Finanzchef zeichnet wenig hoffnungsvolles Bild

Ein wenig hoffnungsvolles Bild der volkskirchlichen Zukunft hat der stellvertretende Vorsitzende der Kirchenregierung der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig, Oberlandeskirchenrat Robert Fischer, gezeichnet. Der Finanzreferent sprach auf der Mitgliederversammlung des „idea“-Trägervereins über kirchliche Herausforderungen. Am Beispiel der braunschweigischen Landeskirche wies er auf den kirchlichen Schrumpfungsprozeß hin. Seit seinem Dienstantritt 1981 habe sich die Mitgliederzahl von 530000 auf 400000 verringert. Die Strukturen von damals habe man fast unverändert immer noch. Notwendige Verwaltungsreformen seien sehr oft an Partikular-Egoismen in der Synode gescheitert. Man frage sich manchmal, warum sich eine Landeskirche eine Kirchenleitung leiste, sie aber letztlich allenfalls verwalten, aber nicht leiten lasse. Nach Fischers Worten wird die Schrumpfung der Landeskirchen aufgrund des Bevölkerungsrückgangs schwerwiegende Folgen haben. Die Zahl bezahlter Mitarbeiter werde sinken, weil die Personalkosten und die Versorgung der Pensionäre sowie Rentner, die immer mehr und immer älter würden, keine andere Wahl ließen. Die Kirche werde auch weit weniger Gebäude unterhalten können: „Wir geben Kirchen ab, während eine Moschee nach der anderen eröffnet wird.“ Christen in Deutschland gerieten in eine Minderheitensituation. Skeptisch äußerte sich Fischer auch zur Umsetzung des Reformpapiers der „Evangelischen Kirche in Deutschland“ (EKD) „Kirche der Freiheit“. Eine stärkere Trennung von Aufgaben und Funktionen in der Kirche, klare Zuständigkeiten von Synode, Kirchenleitung und Landeskirchenamt werde es in einer „Organisation der Freiheit“ wie der evangelischen Kirche nicht geben.

Nach Einschätzung Fischers begeben sich die Synoden immer mehr in das operative Geschäft: „Das kann nicht funktionieren.“ Er glaube auch, daß das Synodalprinzip in einer immer komplizierteren Welt nicht mehr die rechte Leitungsform sein könne. Fischers Fazit: „Wenn die Volkskirche sich nicht radikal ändert und zur Kirche für das Volk wird, indem sie auch fragt, was das Volk bewegt, wird sie keine Zukunft haben.“ Zwar werde immer wieder gefragt: „Welche Kirche wollen wir?“ Aber kaum jemand frage: „Welche Kirche will Jesus Christus?“ Ihn habe man zu verkündigen und seine frohe Botschaft und nicht irgendwelche Theologien, seien sie humanistischer, feministischer, ökologischer oder sonst einer Art.

Der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb, benannte als größte Herausforderung für die Gemeinde Jesu die wachsende Zahl geistlicher Analphabeten und Gottloser. Ohne Gottesbezug verliere die Gesellschaft ihre Werteorientierung. So habe man sich zum Beispiel selbst in christlichen Kreisen weithin mit der Abtreibungspraxis abgefunden. Die Politik könne sich nicht einmal auf einen Stopp der Spätabtreibungen einigen. Die Familie werde zunehmend geschwächt. Angesichts ihrer schwindenden finanziellen Kraft würden beide Elternteile förmlich in die außerfamiliäre Erwerbsarbeit gestoßen.

Im Blick auf die Aufstockung der Plätze in Kinderkrippen sagte Steeb: „Wahrscheinlich werden wir irgendwann noch eine Kinderkrippenpflicht erleben.“ Angesichts dieser Entwicklung müßten Evangelisation und Mission absolute Priorität haben. Außerdem müsse die biblische Ethik in allen Bereichen vermittelt werden – von der Ehe bis zur Armutsbekämpfung. Christen dürften gesellschaftliche Veränderungen nicht länger verschlafen. Unverzichtbar seien auch „Schulen des Glaubens“ wie der Jugendkongreß „Christival“ in Bremen, damit sich Christen in einer Gesellschaft mit vielen Auswahlmöglichkeiten behaupten könnten.

Der Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes (Vereinigung Landeskirchlicher Gemeinschaften), Pfarrer Christoph Morgner, ging ebenfalls auf die Wertedebatte ein. Die Werte, die Gott in seinen Geboten setze, seien lebensdienlich für alle, nicht nur für Christen. Deshalb sei Evangelisation vorrangig: „Nur wenn jemand der Glaube wichtig wird, werden ihm auch die Gebote wichtig.“ Die Volkskirche sei zukunftsfähig, wenn sie sich auf wesentliche Elemente des Pietismus besinne. Dazu gehörten, die Konzentration auf die biblische Botschaft und Mission. Morgner: „Der Pietismus hält die reformatorische Fahne hoch: Allein Jesus Christus.“ Die Gemeinschaftsbewegung erhebe aber keinen Monopolanspruch auf ihre Frömmigkeitsform. Sie bejahe die Pluralität der Glaubensformen in der Kirche, lehne aber einen Pluralismus bei den Glaubensgrundlagen ab. Als ein Unglück bezeichnete der Präses die Zersplitterung der Christenheit. Er hat jedoch Hoffnung auf mehr Einheit: „Je mehr wir als Gemeinde Jesu von den gesellschaftlichen Ent-

wicklungen bedrängt werden, desto mehr werden wir zusammenwachsen.“ Morgner warnte die Pietisten davor, nur ihre eigene Nische zu kultivieren. Wichtig sei der Blick für die weltweite Christenheit: „Provinzialität macht uns eng und kurzsichtig.“ Zur globalen Sicht gehöre auch, für verfolgte Christen zu beten.

Der Pressesprecher des Bundes Freier evangelischer Gemeinden, Arndt Schnepper, ging auf die Herausforderungen für die christliche Publizistik ein. Er äußerte die Einschätzung, daß viele Christen zu erschöpft zum Lesen theologischer Texte seien und eher Zerstreuung suchten. Während sich christliche Frauenromane bestens verkaufen ließen, hätten es Bücher zu ethischen Fragen schwerer. Die Frömmigkeit sei nicht mehr so bibelbezogen wie früher. Deshalb habe auch der Absatz von Bibelkommentaren nachgelassen. Notwendig sei auch eine stärkere Förderung deutscher Schriftsteller: „Fast alle evangelikalen Verlage haben als Zugpferde US-amerikanische Autoren.“ Außerdem komme es darauf an, für die missionarische Arbeit Bücher, Zeitschriften und Internet intelligent miteinander zu verbinden.     idea


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