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31.05.08 / Krise von Rot-Rot abgewendet / Enthaltung im Bundesrat: Warum Wowereit den Bruch unbedingt vermeiden wollte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-08 vom 31. Mai 2008

Krise von Rot-Rot abgewendet
Enthaltung im Bundesrat: Warum Wowereit den Bruch unbedingt vermeiden wollte
von Markus Schleusener

Was hat die Berliner Linkspartei nicht alles einstecken müssen! Der strikte Sparkurs des Senats hat der Stadt zwar einen hoffentlich bald ausgeglichenen Haushalt eingebracht. Aber um den Preis von „sozialen“ Kürzungen.

Gehaltseinbußen für Angestellte im öffentlichen Dienst an erster Stelle. Außerdem haben SPD und Linkspartei das Blindengeld gekürzt und bei der Jugendhilfe gespart. Es gab weniger Geld für Universitäten, Theater, Kindergärten. Was rechts begrüßt wird, findet links kaum Zustimmung. Doch es war ein linker Senat, der das alles durchgesetzt hat, nachdem bei den CDU-geführten Landesregierungen jahrelang das Nach-uns-die-Sintflut-Prinzip gegolten hatte. Zu allem Überfluß hat die Linkspartei auch den Verkauf von landeseigenen Wohnungen an Finanzinvestoren (vulgo: Heuschrecken) abgenickt.

Die Partei ist heftig in Erklärungsnot gekommen und hat von ihren Wählern bei der jüngsten Abgeordnetenhauswahl 2006 eine derbe Watsche erhalten. Weil sie fast die Hälfte ihrer Wähler verloren hat, kamen die Genossen nur noch auf 13,4 Prozent der Stimmen (2001: 22,6).

Nun ist auch noch ihre Galionsfigur unter erheblichen Druck geraten, Gregor Gysi steht mit dem Rücken zur Wand. Jahrelang hat er jeden mit Prozessen überzogen, der ihn bezichtigte, als IM für die Stasi gearbeitet zu haben. Doch jetzt holt ihn seine Vergangenheit in der DDR vielleicht doch noch ein. Zum ersten Mal hat er vor Gericht eine Schlappe hinnehmen müssen.

Es geht um die Frage, ob er Mandanten verraten hat, darunter den DDR-Regimekritiker Robert Havemann. Die Antwort darauf geben vermutlich Stasi-Akten, deren Herausgabe Gysi nun nicht mehr verhindern konnte.

Inzwischen sind brisante Details zu den Vorwürfen ans Tageslicht gekommen. Sie schwächen den Fraktionschef und lassen seinen Kollegen Oskar Lafontaine um so stärker leuchten.

Oskar Lafontaine aber steht für eine härtere Gangart gegenüber der SPD. Ihm ging die Zustimmung zur „neoliberalen“ Politik von SPD und CDU seit jeher gegen den Strich. So schimpfte er auf seine Genossen in Dresden, die dort dem Verkauf von städtischem Wohneigentum zugestimmt hatten. Und er forderte von den Berliner Parteifreunden, sich nicht länger von der SPD als Stimmvieh mißbrauchen zu lassen.

Bei der Abstimmung im Bundesrat über den EU-Verfassungsvertrag war die Stunde der Berliner Linkspartei gekommen. „Dem können wir nicht zustimmen“, ließen die Parteioberen Klaus Wowereit wissen. Der Koalitionsvertrag sieht vor, daß die Landesregierung sich im Bundesrat enthält, wenn die Berliner Koalitionsparteien uneins sind. Doch Wowereit ist jemand, der sich gerne über solche Absprachen hinwegsetzt. Er kündigte eine „Führungsentscheidung“ an.

Doch dann drohten die dunkelroten Genossen mit einem Sonderparteitag und dem Koalitionsbruch. Da wurde dem Regierenden Bürgermeister deutlich, daß er besser diesmal auf die Befindlichkeiten der Linken Rücksicht nimmt. Wowereit weiß: Er gilt nur solange als „Joker“ bei der Suche nach einem SPD-Kanzlerkandidaten, wie seine rot-rote Koalition funktioniert. Chef einer Chaostruppe zu sein ist keine gute Empfehlung für das Kanzleramt. Kleinlaut ließ er seine Justizsenatorin die Enthaltung verkünden.

Diese Entscheidung hat viel Geschrei um nichts entfacht. Die 15 anderen Landesregierungen haben dem Vertrag zugestimmt. Die Ratifizierung war nie gefährdet. Wowereits symbolische Handlung war ein kleiner Preis. Er kann jetzt nur hoffen, daß die Berliner Linken, von Lafontaines angestachelt, nicht regelmäßig solche Zugeständnisse von ihm erwarten.

Vorerst wohl nicht. Auf dem zurück­liegenden Bundesparteitag der Postkommunisten in Cottbus gaben sich die Genossen von der Bundesebene pflegeleicht. Lafontaine erklärte, er sei stolz auf den Landesverband Berlin. Und sein Co-Vorsitzender Lothar Bisky ergänzte: „Berlins Linke hat Kurs gehalten. Das will ich besonders würdigen.“

Wenn sich die Partei mit so wenig zufrieden gibt, dann kann Wowereit guten Gewissens noch Jahrzehnte mit ihr regieren.

Foto: Sitzung des Bundesrats: Entgegen allen  anderen Ländern verweigerte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD, hier mit seinem Innensenator Harald Wolf von der Linkspartei) Berlins Zustimmung zum EU-Vertrag


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