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31.05.08 / »Im eigenen Land eingesperrt« / Belgrad kämpft in Brüssel um Reisefreiheit für seine Bürger

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-08 vom 31. Mai 2008

»Im eigenen Land eingesperrt«
Belgrad kämpft in Brüssel um Reisefreiheit für seine Bürger
von Wolf Oschlies

Es war einmal ein Land namens Jugoslawien, dessen Pässe den 23 Millionen Bürgern weltweite Reisefreiheit verschafften. Jugoslawien zerbrach 1991, aus seinem größten Nachfolgestaat, Serbien, sind 70 Prozent der Jugendlichen noch nie ins Ausland gereist. So sagte es Vizepremier Bozidar Djelic zu Jahresbeginn gegenüber Jean-Louis de Brouwer, EU-Verantwortlicher für Grenz- und Immigrationsfragen. Der fand es „unzumutbar“, daß junge Serben so eingesperrt sind, und verhieß Serbien baldige Visa-Erleichterungen. Bis Jahresende 2008 völlige Visafreiheit für Serben zu erlangen ist das Ziel von Verhandlungen, die Belgrad und Brüssel seit Ende Januar führen. „Serbien ist das erste Land des West-Balkans, mit dem die EU einen Dialog über Visaaufhebung führt“, sagte Franco Frattini, bis März Vizepräsident der EU-Kommission, seither Außenminister Italiens.

Über 350000 Visa hat die EU 2007 an Serben vergeben, Serbien nahm 3000 aus EU-Ländern ausgewiesene Staatsbürger zurück. Das Land erfüllt alle politischen und technischen Voraussetzungen für Visaerleichterungen, die dann auch seit Anfang Mai praktiziert werden. Auf Initiative Frankreichs begannen die Botschaften von 16 EU-Staaten und Norwegens, an ausgewählte Gruppen – Jugendliche bis 25 Jahre, Familienangehörige von Gastarbeitern etc. – kostenlose Visa auszugeben. Touristenvisa kosten weiterhin 35 Euro.

So weit, so gut. Doch Brüsseler Balkan-Politik war noch nie eindeutig, auch in Sachen Visa nicht. Als die Botschaften bereits Visa erteilten, überreichte Jacques Barrot, für Justiz zuständiger Vizepräsident, in Belgrad einen „Fahrplan“ für „visumfreies Reisen“. Wenn das nicht wieder die bekannte Taktik ist, mit einer Hand etwas zu geben und mit der anderen auf die Gabe eine Fülle von Bedingungen und Forderungen „draufzusatteln“, dann könnte es ein Kompliment an Serbien sein.

Das Land soll anderen – Mazedonien, Montenegro, Albanien, Bosnien – demonstrieren, was für völlige Visafreiheit nötig ist: Sichere Pässe mit biometrischen Daten, bessere Kontrolle illegaler Einwanderung, Zusammenarbeit mit Interpol zur Bekämpfung von Kriminalität und Korruption, Datenschutz, Asylrecht und anderes mehr, das möglichst rasch und unter ständiger EU-Kontrolle umzusetzen ist.

Unter diesen Bedingungen ist die freie Visavergabe der 17 Botschaften nur ein „symbolisches Signal“, wie Barrot im Belgrader Sender B92 eingestand. Signal an wen?

Ex-Außenminister Goran Svilanovic verweist seit zwei Jahren darauf, daß die EU-Visapolitik zu oft die Falschen begünstigt: Tschetschenische Terroristen, balkanische Killer, ukrainische Schwarzarbeiter, Menschenschlepper, Prostituierte etc. reisen im Schengenraum umher, mit ordnungsgemäßen Visa, legal in Botschaften erworben. Ergo: „Visa sind kein Hindernis für Kriminelle, wohl aber ein Problem für artige Bürger, die ihren Frauen einmal Paris zeigen wollen.“

Alljährlich entscheiden deutsche Botschaften über 2,5 Millionen Visaanträge, und immer noch kommen grandiose Visabetrügereien ans Licht, die bis 2004 an den Botschaften von Kiew (wo laut Berichten vom Mai 2001 85 Prozent aller inkriminierten Visa vergeben wurden), Moskau, Kairo und anderen begangen wurden.

Seit Ende 2004 ist der berüchtigte „Volmer-Erlaß“ durch schärfere Bestimmungen ersetzt worden. Ende 2007 erweiterte sich der Schengenraum um neun Länder, darunter Polen und die Baltenstaaten, die die Visagebühren drastisch von fünf auf 60 Euro erhöhten. Schon am 1. Januar 2007 hatten alle Schengen-Staaten die Gebühren für Schengen-Visa von 35 auf 60 Euro angehoben, doch sind zahlreiche kostenmindernde Ausnahmen vorgesehen.

Generell gilt ja, daß die Gebühren kein Problem sind: Wer als Osteuropäer reisen möchte, der wird für das Visum auch höhere Gebühren zahlen. Viel wichtiger ist, daß Reisewillige ordentliche Papiere haben, ihren Antrag persönlich stellen, nicht polizeilich belastet sind, für Unterhalt und Versicherung im Zielland aufkommen und ein Rückreiseticket vorweisen können.

Wenn die Serben, die bislang pro Visaantrag 35 Euro zahlen mußten, jetzt dank der Initiative der 17 Staaten nichts zahlen, dann ist das ein guter Anfang.

Die Staatsführung Serbiens hat Barrots „Fahrplan“ zur völligen Visafreiheit als Chance zur Demonstration eigener „Europareife“ akzeptiert.

Wenn man bis zum Jahresende 2008 mit der EU ins Reine kommt, dann sind die Kosten von zirka 150 Millionen Euro für die von Brüssel geforderten Änderungen eine gut angelegte Investition.


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