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31.05.08 / Marinebegeisterter Preußenprinz / Friedrich Wilhelms IV. am 6. Juni 1873 verstorbener Vetter Adalbert gilt als der Gründer der deutschen Marine

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-08 vom 31. Mai 2008

Marinebegeisterter Preußenprinz
Friedrich Wilhelms IV. am 6. Juni 1873 verstorbener Vetter Adalbert gilt als der Gründer der deutschen Marine
von Manuel Ruoff

Prinz Adalbert war anders als andere Prinzen aus dem Herrscherhaus der traditionellen Landmacht Preußen. Er war marinebegeistert. Natürlich stellt sich bei dieser Besonderheit die Frage nach dem Warum. In die Wiege gelegt war ihm seine Leidenschaft nicht. Am 29. Oktober 1811 kam Heinrich Wilhelm Adalbert wie viele andere Preußenprinzen vor und nach ihm im Berliner Schloß zur Welt. Seine Eltern waren Prinz Wilhelm, der jüngste Bruder von König Friedrich Wilhelm III., und Prinzessin Marianne von Hessen-Homburg .

„Wenn er den Stift braucht, ward’s gewöhnlich ein Schiff“, heißt es vielsagend über den jungen Adalbert. Im Jahre 1820 erwarb die Familie das Schloß Fischbach im schlesischen Riesengebirge. Zu dem Anwesen gehörte auch ein etwa 100 mal 100 Meter großer Teich, auf dem Adalbert mit Vorliebe eine Spielzeugflotte schippern ließ. Zu seinen Spielgefährten gehörte der junge Graf Julius von der Groeben, der wohl auch das eine oder andere Mal von den Seeabenteuern seines berühmten Ahnen Otto Friedrich von der Groeben, dem Gründer von Groß-Friedrichsburg, erzählt haben mag. Viel Verständnis für seine Marinepassion fand Adalbert bei einem berühmten Nachbarn seiner Eltern, August Neidhardt von Gneisenau. Der preußische Militärreformer und Stratege, der das benachbarte Schloß Erdmannsdorf bewohnte, wußte um die Bedeutung einer Flotte für eine Großmacht.

Adalberts militärische Ausbildung begann bei der Infanterie. Nach einigen Jahren landete er schließlich bei der Artillerie – ein Zufall? Von allen Infanteriekenntnissen sind die eines Artilleristen zweifellos noch am ehesten auf hoher See zu verwenden. Hier stieg er bis 1843 bis zum „Ersten General-Inspekteur der Artillerie“ auf. Neben dem Artilleriedienst blieben Adalbert auch ohne Flotte diverse Gelegenheiten, zur See zu fahren. 1834 fuhr er mit seinem Vetter, dem Kronprinzen, auf Einladung des Zaren auf einer russischen Korvette von Memel nach Kronstadt. Auf einem österreichischen Kriegsdampfer fuhr er mit Erzherzog Johann von Sewastopol über Konstantinopel, Smyrna, Athen und Korfu bis Triest. Die Möglichkeit zu einer Überseereise bot die Verleihung des höchsten preußischen Ordens, des Schwarzen Adlerordens, an Kaiser Peter II. im Jahre 1842. Angesichts der Bedeutung dieser Auszeichnung und des Ausgezeichneten war als Überbringer ein Prinz gerade gut genug. Adalbert war begeistert, als die Wahl auf ihn fiel: „Eine größere Seereise war das Hauptmotiv, das mich hinaus ins Weite trieb, denn eine solche gehörte fast von Kindheit an zu meinen Lieblingswünschen, während meine rege Phantasie von den Wundern der Tropenwelt angezogen, diesem Streben eine bestimmtere Richtung gab.“ Für die Überfahrt bedienten sich die Preußen der freundlichen Dienste der Italiener, in concreto des Königs von Sardinien, der ein Schiff zur Verfügung stellte.

Ähnlich dem gleichfalls flotteninteressierten Peter dem Großen hatte auch Adalbert bereits als junger Prinz im Jahre 1832 mit den Niederlanden eine gestandene Seefahrernation zu Studienzwecken aufgesucht. Viel mehr noch als schon zu Zeiten des Zarewitschs hatte Großbritannien jedoch den Holländern den Rang als führende Seehandelsnation abgelaufen. Noch im selben Jahr machte Adalbert auch den Briten seine Aufwartung. Zu dieser Zeit beherrschte Britannien die Weltmeere. Und es war Adalbert ein großes Vorbild. Die britische Prägung der späteren preußisch-deutschen Seestreitkräfte geht nicht zuletzt auf Adalbert zurück. Das fängt bei der Übernahme des britischen Marineblaus bei den Marineuniformen statt des in Anlehnung an die Landstreitkräfte bei der russischen Marine üblichen Grüns an und hört bei der Betonung seefahrerischen Könnens gegenüber stumpfen Exerzierens bei der Ausbildung auf. Ganz Mariner, war für Adalbert die Marine nicht ein Anhängsel der Landstreikräfte, sondern eine eigenständige Waffengattung mit eigenen Zielen, Tugenden und Uniformen.

Zwar nicht als Mitglied, aber immerhin als Sachverständiger konnte Adalbert 1836 in einer vom König einberufenen Kommission für die Beratung der Flottenfrage teilnehmen. Über den ebenfalls marineinteressierten Kronprinzen gelang es ihm, eine Denkschrift dem König zukommen zu lassen, die von einem britischen Kapitän verfaßt war, aber seiner Meinung entsprach. Bemerkenswert vorausschauend enthält dieses Promemoria bereits ein Plädoyer für die Verwendung der Dampfkraft bei der Schiffahrt – und das zu einer Zeit, als jenseits des Kanals noch viele auf die Segelkraft setzten.

Ein Schlüsselerlebnis für die Deutschen war der Schleswig-Holsteinische Krieg (1848–1853). Schon kurz nach Kriegsausbruch gelang es den Dänen mit einer zweitklassigen Flotte, Deutschlands Seehandel existentiell zu bedrohen. Dieses Schockerlebnis führte in Deutschland bereits Jahrzehnte vor dem Regierungsantritt Wilhelms II. zu einer ersten Marineeuphorie. Der Ruf nach einer Flotte erschall, und wer schien für deren Aufbau besser geeignet als Adalbert? So wurde der Prinz 1848 an die Spitze einer „Commission zur Vertheidigung der Ostseeküsten“ berufen. Hier ging Adalbert in die Offensive: „Es genüge nicht mehr, das Landen an der Küste, das Einlaufen feindlicher Schiffe in die Häfen und Binnengewässer zu verwehren, es müsse deren Blokade auch offensiv gegenübergetreten werden, und endlich eine deutsche Kriegsmarine auf offenem Meere dem deutschen Seehandel Schutz, der deutschen Flagge Achtung verschaffen“, so der Prinz.

Auch in der Frankfurter Paulskirche, also auf deutscher, nationaler Ebene sah man nun die Notwendigkeit einer Kriegsmarine – und war Adalbert ein gefragter Mann. So schrieb der Reichsverweser Erzherzog Johann dem Preußenkönig am 13. Oktober 1848: „Der reiche Schatz von Kenntnissen und Erfahrungen, welche der Prinz Adalbert von Preußen im Gebiet der Technik und Nautik besitzt, läßt mich in ihm den einzigen Mann erkennen, welcher mir bei diesem schwierigen Geschäfte zur Seite stehen, mich mit seinem erleuchteten Rathe erfolgreich zu unterstützen vermöchte.“ In Frankfurt übernahm Adalbert den Vorsitz in der „technischen Marinecommission“.

Diese Zeit dürfte ein Höhepunkt im Wirken Adalberts gewesen sein. Nie zuvor und nie danach in seinem Leben wurde in Preußen und Deutschland dem Aufbau von Seestreitkräften eine derartige Bedeutung beigemessen. Die damals geschaffene deutsche Marine nahm jedoch ein ähnlich trauriges Schicksal wie die 48er Revolution und das Paulskirchenparlament, denen sie ihre kurze Existenz zu verdanken hatte. Auch in Preußen war die Marineeuphorie bald vorbei, doch begann hier nun ein langsamer Aufbau einer eigenen Flotte. Im Jahre 1849 wurde Adalbert zum „Oberbefehlshaber über sämmtliche ausgerüstete Kriegsfahrzeuge“ ernannt; 1853 wagte man es schon, von einer Marine zu sprechen, denn nun wurde er „Oberbefehlshaber der Marine“. 1854 wurde Adalbert standesgemäß Admiral. Das Problem war, daß Admirale gemeinhin eine Flotte beziehungsweise ein Geschwader kommandieren. Preußen verfügte jedoch  über weder das eine noch das andere. So wurde der Prinz zum „Admiral der preußischen Küsten“, denn Küsten besaß Preußen wenigstens. 1859 glaubte man in Preußen dann soweit zu sein, den Zusatz „der preußischen Küsten“ weglassen zu können.

Der Prinz-Admiral war, wie ein preußischer Seekadett berichtet, der Überzeugung, „daß nichts die Wurzeln und das Wachstum des von ihm gepflanzten, noch so zarten Bäumchens mehr kräftigen könne als eine kriegerische Tat der jungen Marine“. Die Möglichkeit hierzu bot Adalbert der Überfall einer preußischen Handelsbrigg durch marokkanische Piraten der Rifkabylen im Mittelmeer. Adalbert plädierte sofort für eine Strafaktion durch preußische Seestreitkräfte, konnte sich allerdings nicht durchsetzen – zumindest vorerst. 1856 erhielt er jedoch seine Chance – beziehungsweise er nahm sie sich. In jenem Jahr befand er sich mit einem Geschwader zu einem Manöver im Seegebiet von Madeira. Nach dem Ende des Manövers wurde das Geschwader aufgelöst. Die „Danzig“ fuhr mit ihm an Bord nun an jenen Küstenabschnitt, an dem dreieinhalb Jahre zuvor die preußische Brigg überfallen worden war, und ließ solange Boote der Radkorvette an der Küste entlang fahren, bis endlich eines beschossen wurde. Es folgte ein preußisches Landeunternehmen durch 68 Mann, das jedoch von den Einheimischen zurückgeschlagen wurde. Das Ergebnis waren sieben tote sowie zwölf schwer und zehn leicht verletzte Preußen. Zur ganzen Wahrheit gehört jedoch auch, daß der Admiral selber sich an dem Unternehmen beteiligte und auch leichte Blessuren davontrug. General Leopold von Gerlach verteidigte Adalberts ebenso eigenmächtiges wie militärisch erfolgloses Vorgehen gegenüber dem damaligen preußischen Bundestagsgesandten Otto von Bismarck: „Ich kann in die vielseitige humane Verurtheilung des Prinzenadmirals nicht einstimmen. Einige Tropfen königliches Blut befruchten die Ehre der Armee, und es ist besser, daß unsre jungfräuliche Flagge mit Anstand, wenn auch mit Unglück, Pulver gerochen hat. Unsre Marine muß von sich hören lassen, damit man ihr den kleinen und langsamen Anfang verzeiht.“

In der Folgezeit verliert Adalbert Macht und Einfluß. Für viele gehört zur Tragik die tragische Schuld. Eine derartige Schuld kann in Adalberts vom Regenten angenommenen Vorschlag gesehen werden, Oberkommando und Verwaltung zu trennen. Dadurch und durch sein Begnügen mit dem Oberkommando schuf er selber die Voraussetzung zu seiner allmählichen Marginalisierung. Erschwert wurde seine Position zusätzlich dadurch, daß „seiner“ Marine in den Einigungskriegen kriegsentscheidende Taten versagt blieben. Im Deutsch-Dänischen Krieg spielte Preußens Marine eine untergeordnete Rolle. Selbst beim militärisch entscheidenden Übergang der Armee auf die dänischen Inseln kam sie wegen starken Sturmes nicht zum Zuge. Im Deutschen Krieg von 1866 blieb sie ohne Bedeutung, da Österreichs Flotte bereits im Mittelmeer von der italienischen neutralisiert wurde. Beim Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 verzichtete die preußische Marine auf ein Kräftemessen mit der französischen, da diese ihr haushoch überlegen war. In seinem Tatendurst sah der Admiral offenkundig keine andere Möglichkeit, als sich sowohl im Zweiten als auch im Dritten Einigungskrieg der Armee anzuschließen, was seine Stellung in der Marine zusätzlich schwächte. Nach der Reichsgründung trat an die Stelle der königlich-preußischen die kaiserlich-deutsche Flotte, an deren Spitze nun nicht mehr Adalbert stand. Am Ende seiner Laufbahn und seines Lebens war der Admiral „nur“ noch „Generalinspecteur der Marine“. In dieser Funktion bestand seine Aufgabe darin, die Befolgung von Anweisungen zu kontrollieren, die andere formuliert hatten. Knapp zweieinhalb Jahre nach der Reichsgründung, am 6. Juni 1873, erlag der Prinz-Admiral in Karlsbad einem Lungenschlag.

Foto: In Admiralsuniform: Prinz Adalbert von Preußen


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