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07.06.08 / Energiegipfel / Beratungen in Kiew über Kaspi-Öl

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-08 vom 07. Juni 2008

Energiegipfel
Beratungen in Kiew über Kaspi-Öl
von M. Rosenthal-Kappi

Ende Mai trafen Vertreter der EU und der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres in Kiew zu einem Energiegipfel zusammen. Ein Tages-ordungspunkt betraf Beratungen über den Aufbau eines eurasischen Transportkorridors unter Umgehung Rußlands. Zu diesem Zweck hatten die Anrainer schon 2001 die Ölpipeline Odessa–Brody gebaut, durch die Kaspi-Öl nach Europa transportiert werden sollte. Wegen fehlender Abzweigungen nach Polen wurde sie jedoch einige Jahre nicht genutzt. Sollte es zu einer Einigung der Anrainer zum Bau der restlichen Pipelineabschnitte in der Ukraine und Polen kommen, könnte 2010 Kaspi-Öl durch diese Leitungen nach Europa gepumpt werden. Aserbaidschan, das Projekte in der Türkei und Georgien unterstützte, erklärte sich bereit, auch in den ukrainischen Markt, etwa durch den Bau einer erdölverarbeitenden Fabrik, zu investieren. Für den Transport über die Pipeline Odessa–Brody will Baku der Ukraine 470000 Tonnen Öl liefern. Sollte das Projekt verwirklicht werden, könnte über den euro-asiatischen Energiekorridor das Kaspische Meer mit der Ostsee verbunden werden, da die Pipeline von Brody weiter nach Danzig führen und von dort aus die baltischen Staaten mit Erdöl versorgen wird.

Nach zähen Verhandlungen über Energielieferverträge zwischen Moskau und Kiew ist die ukrainische Intitiative zur Bildung eines von Rußland unabhängigen Energiekorridors verständlich. Viele werfen Rußland den Mißbrauch von Energielieferungen als politisches Druckmittel vor. Aus russischer Sicht ist der Streit ums kaspische Öl eine geopolitische Frage, bei der es um den Erhalt des Einflusses in der Region geht. Das Kaspische Meer ist ein Binnensee, der über keine direkten Verbindungen zum Meer verfügt. Das heißt, alle Anrainer haben das Recht der Nutzung von Bodenschätzen zu gleichen Teilen. Würde das Kaspische Meer nach dem internationalen Seerechtsabkommen von 1994 als Meer anerkannt, hätte jeder Anrainer das Recht zur Ausbeutung seiner Zone. Dies fordern Aserbaidschan, Kasachstan und Turkmenistan. Georgien und Ukraine haben ein angespanntes Verhältnis zu Moskau, die übrigen Gipfelteilnehmer pflegen enge Be-ziehungen zu Moskau. Sie dürften aufgrund langfristiger Verträge an Konflikten mit Gazprom nicht interessiert sein. Die Ukraine könnte kurzfristig profitieren, langfristig jedoch isoliert dastehen, wenn Gazprom sich neue Lieferwege sucht.


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