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07.06.08 / Ihre Stimme beeindruckte Millionen / Berühmte Liebespaare: Evita und Juan Perón

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-08 vom 07. Juni 2008

Ihre Stimme beeindruckte Millionen
Berühmte Liebespaare: Evita und Juan Perón
von E. Knorr-Anders

Wein’ nicht um mich, Argentinien!“ Dieses melodramatische Lied aus Andrew Lloyd Webbers Musical „Evita“ tönt seit 1978 um die Welt. Wie kam es dazu? Durch den Mythos, der sich um Leben und Tod einer Frau rankte, die zur glorifizierten Legende ihres Volkes wurde: Evita Perón.

Evita kam am 7. Juni 1919 in Los Toldos, einem Dorf in der Pampas, zur Welt. Sie war das jüngste der fünf unehelichen Kinder, welche die indianerblütige Dienstlerin Juana dem Grundbesitzer Juan Duarte geboren hatte. Unehelich, und dazu noch rangniedrig geboren zu sein, bedeutete Verachtung vom ersten Lebenstag an. Evita durchlitt es. Noch fehlte ihr die Erkenntnis, daß „Wildwuchskinder“ sich oft als lebenstüchtiger als die mit Genehmigung gezeugten Nachkommen erweisen. Es erklärt die später auf ihre Veranlassung gefälschte Geburtsurkunde, in der sie den Namen ihres leiblichen Vaters „Duarte“ eintragen ließ. Nun galt sie als „ehelich“ geboren. Nie vergaß sie den Tag, an dem Juana ihre fünf Kinder zur Witwe Duartes schickte, um sich von dem Toten zu verabschieden. Die Witwe verbot es. Erst als die Geschwister weinten, durften sie dem Aufgebahrten die Hand küssen. Dann mußten sie verschwinden: „Raus!“ Evita, die in diesen Minuten die Kinderschuhe abstreifte, nahm sich vor, später den mißachteten, „hemdlosen Armen“ (Descamisados) zu helfen. Dazu mußte sie selbst erst reich und angesehen werden. Sie wurde es – und erfüllte ihr Vorhaben.

Noch aber war weder an Reichtum noch Ehre zu denken. Mit 15 Jahren verließ sie Los Toldos. Nach Buenos Aires zog es sie, Schauspielerin wollte sie werden. Ihre aparte Schönheit fiel auf. Das allein reichte für eine Karriere nicht. Kleine Sprechrollen in Hörspielen wurden ihr angeboten, bald die Hauptrollen. Ihre Stimme blieb im Ohr, schwingend, manchmal schwermütig, meistens Mut, Kraft verheißend, eine Seelenstärkung für Millionen an ihrem Dasein verzweifelnder Menschen. Durch Mißwirtschaft und Korruption herrschten in Argentinien Hunger, beispielloses Elend.

In diesem Chaos trat der ersehnte „Retter“ in Erscheinung, der „starke Mann“, der Argentinien in den Wohlstand führen würde. 1943 war es soweit. Durch einen Staatsstreich übernahm das Militär die Macht. Der Anführer des Putsches war ein hochgewachsener, fülliger Offizier, 48 Jahre alt, Witwer: Juan Perón. Wie Evita kannte er als Landarbeitersohn das soziale Gefälle zwischen Arm und Reich. Wenn ein Staatswesen gedeihen sollte, konnte es so nicht bleiben. Um seine Pläne umzusetzen, brauchte er Menschen, die in unbedingter Loyalität zu ihm hielten. Zu ihnen zählte Evita. Auf einem Wohltätigkeitsfest 1944 zwang ihn eine Stimme, sich umzuwenden. Er erblickte Evita. Ihr Aussehen beeindruckte ihn nicht. Schöne Frauen kannte er genug. Aber die Stimme! Millionen würden gebannt lauschen, wenn sie für seine Ideen warb. Noch in dieser Nacht nächtigten sie gemeinsam. Perón erkannte, daß Evita – trotz oft gewechselter Liebhaber – asexuell veranlagt war. Was tat’s? Die politische Weggenossin war entscheidend. Während der folgenden politischen Konfusionen wurde Perón verhaftet. Er schrieb an Evita: „Nun weiß ich, wie sehr ich Dich liebe und daß ich nicht ohne Dich leben kann.“

Evita ihrerseits erwiderte: „Ich versichere Dir, daß ich in meinem Leben hart gekämpft habe, um etwas zu werden und daß ich viel gelitten hatte, doch dann kamst Du und machtest mich so glücklich, daß ich dachte, es wäre ein Traum, und da ich Dir nichts bieten konnte, außer meinem Herzen und meiner Seele, gab ich Dir beides ganz.“

In Peróns Haftzeit wuchsen Evita ungeahnte Fähigkeiten zu. Zielgerade verband sie sich mit den Gewerkschaften und den „Hemdlosen“. Eine Massenbewegung befand sich im erfolgreichen Aufbruch. Perón wurde aus der Haft entlassen. Sie heirateten sofort. Am 24. Februar 1946 wurde Juan Perón zum Staatspräsidenten gewählt. Zwei europäische Machthaber bewunderte er: Benito Mussolini und Adolf Hitler. Da er um 1939 Attaché in Berlin gewesen war, kannte er das nationalsozialistische Wirtschaftsprogramm. Unter dem Betriff „Perónismus“ organisierte er den Aufschwung Argentiniens. Er verfügte Mindestlöhne, vier Wochen Jahresurlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall; für argentinische Verhältnisse eine bislang unvorstellbare Sozialreform. Allerdings gab es – wie bei den Vorbildern Deutschland und Italien – keine Medienfreiheit.

Evita trug zur Verherrlichung Peróns mit Ansprachen und Kommentaren bei: „Er ist gut zu uns. Er ist unsere Sonne, unsere Luft, unser ganzes Leben.“ Kein Mensch glaubte ihr den Schwulst. Sie schraubte ihre Mithilfe zum Nichts herab. Auch das glaubte keiner. Für Argentinien war sie die maßgebende „Presidenta“, Wohltäterin, fast als Heilige verehrt. Das von ihr geschaffene Sozialwerk verankerte ihren Ruhm. Über eine Stiftung gründete sie über 1000 Waisenheime, 1000 Schulen, 60 Kliniken, viele Altenheime. Sie empfing Bedürftige, verschenkte Bedarfsgüter, Bargeld und Medikamente.

Das Stiftungsvermögen lieferten, mehr oder weniger freiwillig, die „Reichen“. Wer denn sonst? Dafür wurden sie hofiert. Beide Peróns handelten nach der Maxime: Reiche bringen Geld, Arme kosten Geld.

Und dann erkrankte Evita. Ihr Arzt erklärte schnörkellos, daß sie Krebs habe und operiert werden müsse. Sie lehnte ab. Sachlich warnte der Mediziner: „Ohne Behandlung werden Sie daran sterben!“ Zwei Jahre vergeudete sie mit Ausflüchten. Dann ließ sie sich zu einer Strahlentherapie überreden. Es war zu spät. Erbarmungswürdig abgemagert, starb sie am 26. Juli 1952. Bis zum letzten Atemzug wich Perón nicht von ihrer Seite.

Ihr Leichnam wurde einbalsamiert, im Gewerkschaftshaus aufgebahrt. Ein Mausoleum sollte errichtet werden. Die politischen Zeitläufe änderten sich jedoch. Noch immer waltende, feudal orientierte Kräfte gewannen die Oberhand. 1955 wurde Perón gestürzt, er ging ins Exil. Evitas Sarg landete auf abenteuerlichen Wegen in verschiedenen Abstellquartieren. 1976 fand sie endlich im Friedhof La Recoleta in Buenos Aires ständige Bleibe. Dort ruht sie nun, unversehrt, wachsweiß, schön wie im Leben, schön im Tod.

„Don’t cry for me, Argentina!“

Foto: Evita und Juan Perón: Die Politik vereinte sie.


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