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07.06.08 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-08 vom 07. Juni 2008

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

ein Bild, das ich kürzlich in einer Wochenzeitung sah, hat mich sehr berührt. Es zeigte eine Bushaltestelle, an der eine ältere Frau wartete. Aber sie wartete vergebens, denn es kam kein Bus, und es fuhr auch keiner ab. Die Haltestelle steht auf dem Gelände eines Seniorenheimes, und sie dient dazu, die demenzkranken Bewohner vor dem heimlichen Verlassen ihrer letzten Lebensstation zu verhindern. Sie haben an der imaginären Haltestelle das Gefühl, daß sie fortfahren könnten, wenn sie wollten. Und wenn man ihnen sagt, der letzte Bus sei gerade fort und sie müßten bis morgen warten, kehren sie still in das Heim zurück. Und werden wahrscheinlich am nächsten Tag wieder an der Haltestelle stehen und auf den „Bus nach Nirgendwo“ warten. Das Thema Bushaltestelle hatte mich schon einmal nachdenklich gemacht, nämlich als ich die Fragebogen von der Uni Hamburg bekam, die im Rahmen des Forschungsprojektes über die Langzeitbelastung durch Flucht und Vertreibung an alle Teilnehmer der Befragung – von unseren Leserinnen und Lesern sind es bereits über 500! – versandt wurde. Unter den Worten, mit denen die Teilnehmer ihre Relevanz für Flucht und Vertreibung bewerten sollen, befindet sich auch „Bushaltestelle“. Ich selber konnte mit dem Begriff nichts anfangen – wo gab es auf dem Fluchtweg über See oder schneeverwehte Landstraßen schon eine fahrplanmäßig betriebene Buslinie? Nun sehe ich aber die Frage anders: Warten wir nicht wirklich noch immer auf einen Bus – nein, nicht nach „Nirgendwo“, sondern an einen, der uns in die unvergessene Heimat zurückbringt?

Und er fährt tatsächlich, jedenfalls einmal in der Woche – und in übertragenem Sinne –, denn er ist von der „Ostpreußischen Familie“ gechartert. Ein Fahrplan, der immer hält, was er verspricht. Mit allen Erinnerungen, allen Fragen, allen Wünschen, allen Hoffnungen führt unser „Familienbus“ auf alten vertrauten Wegen in die Vergangenheit zurück, hält auch an kleinen Stationen, und läßt uns vieles entdecken und wiederfinden, was wir verloren glaubten. Auch wenn manches schon fast ein Jahrhundert zurückliegt, wie die folgende Geschichte beweist, die mich im Grunde zu diesem langen Vorspann angeregt hat. Obgleich der Auslöser nicht in unserer Kolumne zu finden ist, sondern in dem Artikel in Folge 17 „Ein Gang durch Insterburg“. Den las nämlich auch unsere alte Familienfreundin Rosemarie Pakleppa im fernen Südafrika, deren Name ja aufgrund ihrer durch unsere Familie erfüllten Wünsche allen Lesern vertraut ist, und wandte sich an mich, um mir Erstaunliches mitzuteilen. Sie stolperte nämlich über den Absatz, der den „Dessauer Hof“ betrifft und in dem es heißt: „Dieses Hotel diente 1914 nicht nur Hindenburg als Hauptquartier, sondern wenig später auch dem russischen Befehlshaber General Rennenkampf“. Frau Pakleppa schreibt dazu:

„Laut der Hotelchronik waren bei Kriegsausbruch 1914 die Russen unmittelbar in Ostpreußen eingebrochen und Rennenkampf hatte sich sofort im Dessauer Hof niedergelassen. Um den Vormarsch der Russen zu stoppen, wurde Hindenburg gemeinsam mit Ludendorff nach Ostpreußen beordert. Als der von ihm geleitete Gegenangriff begann, räumte Rennenkampf das Hotel und danach zog Hindenburg in den ,Dessauer Hof‘ ein, der später in der Bevölkerung ,Hindenburghotel‘ genannt wurde. Wenn man das Haus betrat, fiel im Vestibül das Auge sofort auf die Hindenburg-Büste. Woher ich die Weisheit habe? Mein Mann war der Jüngste der sieben Pakleppakinder, und meine Schwiegereltern Gustav und Martha Pakleppa waren die Besitzer des Dessauer Hofs, bis sie Insterburg verlassen mußten!“

Frau Pakleppa belegt ihre Zeilen noch mit Auszügen aus der Hotelchronik, von denen wir hier die Eintragung des General-Feldmarschalls Paul von Hindenburg bringen als ein Dokument, wie man es sich authentischer nicht wünschen kann. Ein Sahnestück­chen – vielen Dank, liebe Rosemarie, auch für die Anekdoten, die Sie schildern, für die hier leider kein Platz ist. Dafür wird unsere Ostpreußische Familie immer bereit sein, wenn Sie wieder mal Wünsche haben. Und grüßen Sie Ihre 92jährige Tante, die das alles bestätigte.

Noch immer schlägt unser Ostpreußentreffen Wellen. Manches Gespräch konnte aus zeitlichen Gründen nicht ausgiebig genug geführt werden, andere kamen gar nicht zustande, so daß ich bitten mußte, mir die Wünsche schriftlich mitzuteilen. Und nun kommen sie. Meine Königsberger Landsmännin Doris Fe­stersen hat als Kind gar nicht so weit von mir entfernt gewohnt – ich an der Königstraße, sie auf dem Sackheim – und der damals Achtjährigen hat sich das Bild ihrer engsten Heimat so eingeprägt, daß es noch heute in der Erinnerung abrufbar ist. Die kleine Doris Meyer wohnte mit ihren Eltern in dem Haus Sack­heim 91. Vom Fenster ihrer Wohnung konnte sie auf eine kleine Gasse sehen, an deren Ecke sich eine Eisdiele befand – unvergessen, weil das Kind sonntags Eis für die ganze Familie holen durfte. Daneben gab es ein Juwelier- und Uhrengeschäft, dessen Firmenzeichen, eine große, runde Uhr, weithin sichtbar über der Straße hing. In ihrem Wohnhaus befanden sich ein Elektroladen und die Bäckerei „Quitschke“. Frau Doris hat nach der Wende – sie war mit ihrer Mutter erst 1948 als einzige Überlebende der Familie fast verhungert nach Thüringen gekommen – versucht, soviel Erinnerungen wie möglich an ihre Heimatstadt in Form von Büchern und Bildern zu bekommen, aber noch nie eine Aufnahme vom Sackheim gefunden. Ich glaube, liebe Doris, da wird Ihnen unsere Familie helfen können, denn wir haben nicht wenige Sackheimer unter unsern Lesern. Ob es allerdings Aufnahmen von diesem Teil des Sackheims oder sogar von dem Haus Sack­heim 91 gibt, ist fraglich. Die beiden anderen kleinen Wünsche, die Sie haben, kann ich selber erfüllen. (Doris Festersen, Kiefernweg 8, 17033 Neubrandenburg, Telefon 03 95 / 3 68 50 03.)

Ein netter Brief kam von Frau Erika Volkmann, Oschersleben, zu dem Thema „Konfirmationskleid – weiß oder schwarz?“ Eine der vielen Fragen, die Herr Sommerey in Folge 17 gestellt hatte. Frau Volkmann erinnert sich: „Ich wurde am 24. März 1940 in der Evangelischen Kirche in Branden / Jochdaggen, Kreis Gumbinnen, eingesegnet. Bei uns ging man im weißen Kleid zur Konfirmation. Wir hatten aber ein zweites schwarzes Kleid, das bei der eine Woche später stattfindenden Abendmahlfeier getragen wurde. Es gab Eltern, die konnten sich nicht zwei Kleider für ihre Tochter leisten, so kamen auch einige Mädchen in schwarzen Kleidern zur Konfirmation.“

Frau Volkmann hat aber auch einen kleinen Wunsch. Sie liebt die Bücher von Richard Skowronnek, besonders „Sturmzeichen“, „Das große Feuer“ und „Die schwere Not“, die sie zu Hause gelesen und gelassen hat. Wer ist bereit, diese und andere Bücher des masurischen Schriftstellers abzugeben? Als Gegengabe hält sie „Die Entdeckung Ostpreußens“ von Robert Budzinski bereit. (Erika Volkmann, Diester­weg­ring 18, 39387 Oschersleben).

Eure Ruth Geede

Fotos: Paul von Hindenburg: Der Generalfeldmarschall hatte im Hotel Dessauer Hof sein Hauptquartier; Unterschrift Paul von Hindenburgs: Eintragung im Hotel Dessauer Hof


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