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14.06.08 / Als der Westen DDR-Häftlinge freikaufte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-08 vom 14. Juni 2008

Als der Westen DDR-Häftlinge freikaufte

Der Freikauf von DDR-Häftlingen durch die Bundesrepublik begann in der Konrad-Adenauer-Ära, in concreto in der Amtszeit Rainer Barzels als Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen (1962/63). Weihnachten 1962 wurde der erste Häftlingsfreikauf vereinbart. Je 20 Häftlinge und Kinder kamen zum Preis von drei Eisenbahnwaggons voll Kalidüngemittel frei. Nachdem es zu Beginn noch um Einzelfälle gegangen war, entwickelte sich daraus regelrecht ein Wirtschaftszweig. Seit dem Mauerbau wurden die Häftlinge dabei nicht nur aus der Haft, sondern auch aus der DDR freigekauft, denn ohne das Geld aus der Bundesrepublik hätten die Häftlinge nicht nur ihre Haftzeit absitzen, sondern anschließend bis auf weiteres in der DDR verbleiben müssen.

Häftlingsfreikäufe gab es bis zum Ende der DDR. In der Zeit zwischen 1964 und 1989 wurden insgesamt 33755 Häftlinge freigekauft. Der Preis pro Häftling betrug rund 90000 D-Mark. Er stieg von anfangs durchschnittlich rund 40000 bis später fast 100000 D-Mark pro Häftling. Da nicht nur der einzelne Häftlingsfreikauf teurer wurde, sondern aufgrund der wachsenden Geldnot der DDR auch die Anzahl der Häftlingsfreikäufe zunahm, entwickelte sich dieses Geschäft zu einem lukrativen Wirtschaftsfaktor der DDR, der das Seine zur Stabilisierung des Systems beitrug. Ebenfalls systemstabilisierend wirkte die Tatsache, daß das DDR-Regime auf diesem Wege einen beachtlichen Teil seiner Kritiker und Opposition loswurde. Diese systemstabilisierende Komponente wurde auch im Westen geschätzt, so daß hier nicht nur Mitleid mit den Häftlingen als Beweggrund angenommen werden darf.

Die Politiker in Ost und West bedienten sich beim Häftlingsfreikauf des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche, da die Kontakte zwischen den Kirchen und Gemeinden diesseits und jenseits der deutsch-deutschen Grenze besser waren als die der Staatsorgane. Auf DDR-Seite ist bei den Häftlingsfreikäufen vor allem Erich Honeckers Vertrauter Wolfgang Vogel hervorgetreten, auf Seiten der Bundesrepublik wie Herbert Wehner, Helmut Schmidt und Hans-Jochen Vogel.        M. R.


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