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14.06.08 / Medwedjew will mitbestimmen / Rußlands neuer Präsident fordert für sein Land eine Führungsrolle in der Weltwirtschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-08 vom 14. Juni 2008

Medwedjew will mitbestimmen
Rußlands neuer Präsident fordert für sein Land eine Führungsrolle in der Weltwirtschaft
von Manuela Rosenthal-Kappi

Dmitrij Medwedjew, Rußlands neuer Präsident, gibt sich selbstbewußt. Vor laufenden Fernsehkameras hielt er beim XII. Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg vor führenden Wirtschaftsvertretern seine Einführungsrede. Mit forschen Worten sprach er von der künftigen Rolle Rußlands als „Global Player“ in der internationalen Wirtschaft, kritisierte allem voran die amerikanische Wirtschaftspolitik, den „wachsenden nationalen Egoismus“ der führenden Industriestaaten. Anders als sein Vorgänger Putin stellte er nicht die russischen Mängel an den Beginn seiner Rede, sondern ging gleich auf die Fehler anderer Länder ein. Zum einen sei da die Diskrepanz zwischen der von der USA beanspruchten Rolle und ihren tatsächlichen Möglichkeiten zu nennen. Es sei falsch, wenn ein Land sich die Rolle einer Weltregierung anmaßen wolle.

In Zukunft werde Rußland eine Führungsrolle in der Weltwirtschaftspolitik übernehmen, die Regeln mitbestimmen und auch die Verantwortung für das Schick-sal der Welt mittragen. Weil seiner Ansicht nach amerikanische Banken die Schuld an der derzeitigen Finanzkrise tragen, kündigte Medwedjew eine internationale Konferenz in Rußland an, auf der die aktuelle Finanzarchitektur genauer unter die Lupe genommen werden und anschließend eine Neuordnung der Finanzwelt erfolgen soll.

Darüber hinaus schwebt Medwedjew vor, Moskau zu einem Finanzzentrum auszubauen, den Rubel zur regionalen Reservewährung zu entwickeln. Erste Schritte in Richtung russisches Finanzzentrum wurden schon durch die Erteilung einer Lizenz für eine Rohstoffwarenbörse in St. Petersburg unternommen, an der zunächst Erdölprodukte und andere Rohstoffe gehandelt werden sollen, und später auch Erdöl, wobei der Handel in Rubel ausgeführt werden kann. Ziel dieser Regelung ist es, die Abhängigkeit vom Dollar zu verringern.

Doch auch die westeuropäischen Länder kamen in Medwedjews Kritik nicht zu kurz. Ihnen warf er vor, an der Lebensmittelkrise schuld zu sein, weil sie zu viel in die Produktion von Bioenergie investiert haben, was zu einem verringerten Angebot auf dem Lebensmittelmarkt und zu Preisexplosionen für Grundnahrungsmittel wie Weizen, Reis und Mais führte. Gleichwohl räumte Medwedjew Verständnis für die Europäer ein, sich von Energielieferanten, also auch von Rußland, unabhängig machen zu wollen.

War Medwedjews Rede in Wortwahl und Mimik den Auftritten seines Vorgängers ähnlich, so wirkte sein Tonfall vornehmer, zurück-haltender. Inhaltlich waren seine Formulierungen liberaler. Seine Forderungen nach einer gewichtigeren Rolle Rußlands in der Weltwirtschaft, vom Manuskript abgelesen, kamen nicht recht überzeugend rüber. Die Mienen der Zuhörer wirkten grimmig, etwa die des US-Handelsministers Carlos Gutjerres, oder gelangweilt.

Medwedjews Ausführungen über das Investitionsklima und die wirtschafspolitischen Grundregeln in Rußland enttäuschten viele ausländische Investoren, hatten sie doch gehofft, aus dem Munde des Präsidenden etwas über die Krise zwischen russischen und britischen Anlegern des Konzerns TNK-BP zu erfahren. Der drittgrößte Ölproduzent Rußlands, der zu 50 Prozent im Besitz der britischen BP ist, fühlt sich durch russische Behörden stark unter Druck gesetzt, befürchtet gar eine bevorstehende Übernahme durch Gazprom oder Rosneft. Den Ausgang des Konflikts sehen Investoren als richtungsweisend für zukünftige Geschäfte mit Rußland an.

 Medwedjew  warb in seiner Rede nicht explizit für Investitionen in die russische Wirtschaft, sondern versprach Nachbesserung der noch von Putin durchgesetzten Liste der strategisch wichtigen Unternehmen. Medwedjew versprach, diese Liste überarbeiten zu lassen. Hier sind Erleichterungen in Sicht. Im Gegenzug forderte der Präsident gleiche Wettbewerbsbedingungen für russische Firmen ein, die im Westen investieren wollen. Es sei ein Vorurteil, daß russische Gesellschaften im Ausland aggressiv und spekulativ aufträten. Medwedjew sagte, daß das Streben nach einer größeren Beteiligung seines Landes an der Weltwirtschaftspolitik keineswegs imperialistisch gemeint sei, sondern sich aus dem Vorhandensein der Energieressourcen ergebe. Gibt damit erstmals ein russischer Präsident offen zu, seine Energieressourcen als politisches Druckmittel zu instrumentalisieren? So ist es wohl kaum gemeint. Medwedjew spricht lediglich aus, was in Putins Rußland längst praktiziert wurde.

Medwedjew sprach auch andere  Wahrheiten aus, wie die, daß bislang alle Maßnahmen zur Kontrolle der Kostenexplosion sowohl im Energie- als auch im Nahrungmittelsektor fehlgeschlagen sind. Weder protektionistische Maßnamen wie Subventionen noch tarifliche Vereinbarungen zum Schutz der Binnenwirtschaft zeigten Wirkung. Hier schloß Medewedjew indirekt auch seinen Vorgänger Putin in seine Kritik mit ein. Im Herbst 2007 hatte die Regierung unter Fradkow und Subkow, der heute Landwirtschaftsminister ist, Festpreise für Grundnahrungsmittel eingeführt, um der galoppierenden Inflation entgegenzuwirken. Medwedjew schwebt eine Liberalisierung des russischen Gasmarktes vor sowie eine Senkung der Steuern im Ölsektor und hofft, so die weltweiten Energiemärkte stabilisieren zu können. Er kündigte an, noch 2008 die Weltkonferenz in Rußland stattfinden zu lassen.

Erste Anzeichen, auf wen Medwedjew außenpolitisch zählt, gab es schon: Seine ersten Reisen als Präsident führten ihn nach Kasachstan und China, von den europäischen Staaten besuchte er zuerst Deutschland. Ob Rußland die Regeln als neuer Weltregent mitbestimmen wird, muß sich zeigen. Eines ist indes sicher: Rußlands Rolle als Energielieferant wird auch in Zukunft wichtig sein.

Foto: Dmitrij Medwedjew : Der Präsident erklärt  in St. Petersburg anwesenden Wirtschaftsgrößen seine Weltwirtschaftspolitik.


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