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14.06.08 / Militärpolitik am Wendepunkt / In Frankreich wird über eine Rückkehr in die Nato kontrovers diskutiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-08 vom 14. Juni 2008

Militärpolitik am Wendepunkt
In Frankreich wird über eine Rückkehr in die Nato kontrovers diskutiert
von Pierre Campguilhem

Frankreich will jetzt ernst machen – während des französischen EU-Vorsitzes von Juli bis Dezember möchte Staatspräsident Nicolas Sarkozy die Pläne zum Aufbau eines „Europas der Verteidigung“ zügig vorantreiben. Nach Presseberichten und besonders laut dem britischen Fachblatt „DefenseNews“ haben die politischen und militärischen Gremien in Paris einen Plan vorbereitet, der den Aufbau einer ständig verfügbaren Einheit von 60000 Mann vorsieht. Die großen EU-Staaten, also Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Spanien, Italien und Polen sollen jeweils 10000 Mann stellen.

Außerdem will Sarkozy durchsetzen, daß diese sechs Länder sich dazu verpflichten, mindestens zwei Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsprodukts für diese EU-Verteidigungsaufgaben auszugeben. Die Annahme dieser Vorschläge, so ist zu erfahren, sei die ausdrückliche Vorbedingung für die Rückkehr Frankreichs in alle Gremien der Nato. Sarkozy will diesen Schritt, die Vollintegration seiner Streitkräfte, eigentlich auf dem nächsten Nato-Gipfel ankündigen, der 2009 zum 60. Jahrestag der atlantischen Allianz in Straßburg und Kehl stattfinden soll.

Nach Einschätzungen von hohen französischen Offizieren, die sich unlängst in einer Sonderbeilage ihrer eigenen Zeitschrift („Le Casoar“) geäußert hatten, wäre so die EU tatsächlich im Rahmen der Uno ein vorrangiger Akteur innerhalb der internationalen Gemeinschaft. Die Möglichkeit einer erneuten Nato-Vollmitgliedschaft Frankreichs beschäftigt die politische Welt sehr intensiv. Paris hatte 1966 unter dem damaligen Staatspräsident Charles de Gaulle das integrierte Kommando der Nato verlassen, um eigenständig über seine Atomwaffen verfügen zu können.

Besonders die linken Meinungsträger stehen den Plänen Sarkozys, wieder eine Verteidigungspolitik im Einklang mit den USA zu  führen, sehr mißtrauisch gegenüber. Schon letztes Jahr sprach in der linksliberalen Zeitung „Le Monde“ ein Strategieexperte von einem „Canossa-Gang“ der französischen Diplomatie. Grundsätzlich treten derzeit die französischen Experten, die sich mit Geopolitik befassen, zunächst für eine Reform der Nato ein, bevor Frankreich sich wieder voll integrieren sollte.

Es wird spannend im zweiten Halbjahr 2008. Für diese ehrgeizige Reform der französischen Militärstrategie könnte Sarkozy, falls eine einvernehmliche Lösung mit Frankreichs europäischen Verbündeten gefunden werden sollte, mit der Unterstützung von einigen Oppositionellen rechnen. Das amerikanische „Wall Street Journal Europe“ bemerkt auf jeden Fall, daß manche Gaullisten gegen eine Rückkehr in die Nato Stellung bezogen hätten. Es ist derzeit nicht klar, ob diesen Gaullisten ein „Europa der Verteidigung“ schmack-haft gemacht werden kann. 1954 hatten die Gaullisten die Europäische Verteidigungsgemeinschaft zum Scheitern gebracht.

Neben dem Aufbau einer europäischen Eingreiftruppe, wie sie schon im Dezember 1999 in Helsinki beschlossen worden war, möchte die französische Diplomatie eine Europäisierung der Waffenbeschaffung erreichen. Das erklärte Verteidigungsminister Hervé Morin auf einem von der führenden Wirtschaftszeitung „Les Echos“ veranstalteten Treffen. Eine Zusammenlegung der Rüstungsagentur OCCAR (mit Sitz in Bonn) und der Europäischen Verteidigungsagentur (mit Sitz in Brüssel) wäre demnach wünschenswert. Durch Sparmaßnahmen bei der Material- und Waffenbeschaffung und auch durch eine ehrgeizige Waffenexportpolitik hofft Morin, Kürzungen im Militärhaushalt ausgleichen zu können. Frankreichs Militärpolitik steht an einem Wendepunkt – ob mit oder ohne europäische Variante.


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